Eine Nachtschicht in der Hohen Warte

Von Christophe Braun

Der Nachtdienst auf Station 7 der Hohen Warte ist alles andere als ruhig. Die Pfleger sind permanent unterwegs. Sie müssen Patienten überwachen, Medikamente richten, beruhigen, trösten – und manchmal um 5.30 Uhr in der Früh einen kollabierten Mann auf dem Klo reanimieren.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Räumen wir gleich mit einem Klischee auf: Krankenpfleger trinken während einer Nachtschicht nicht literweise Kaffee. „Das denkt man so, ne?“, sagt Birgit Schlöger, stellvertretende Stationsleiterin auf den Stationen 7a und 7b der Hohen Warte in Bayreuth. „Aber nee, gar nicht. Wir trinken meistens bloß Mineralwasser. Vielleicht mal eine oder zwei Tassen Kaffee pro Nacht. Mehr ist es nicht.“


Sabrina Höhn bereitet eine Infusion vor. Am frühen Abend richten die Nachtdienstler die Medikamente.

Nachtschicht auf Station 7 (Orthopädie, Rheumatologie) beginnt um 20 Uhr. Dann übergibt der Tagesdienst, bestehend aus bis zu sieben Pflegern, die Station an die Nachtschicht, bestehend aus zwei Pflegern. Heute Nacht sind Sabrina Höhn und Birgit Schlöger im Einsatz. Gemeinsam mit ihren Kollegen gehen sie zunächst alle Patienten auf Station durch. Wie geht es dem älteren Mann, der am Vormittag operiert wurde? („Der hat heute nur geschlafen.“) War Frau X heute mal auf dem Klo? („Die ist wieder ganz munter. Die hört sogar schon wieder Musik.“) Wie ist der Junge drauf, der sich vor Wochen einem komplexen Eingriff an der Wirbelsäule unterziehen musste? („Mal so, mal so.“) Wer hat die Station verlassen – nach Hause, auf eine andere Station, womöglich auf die Intensivstation?

Die Besprechung dauert gut zwanzig Minuten; getrunken wird – Sie ahnen es schon – Mineralwasser. Dann verabschiedet sich der Tagdienst. Birgit Schlöger und ihre Kollegin Sabrina Höhn sind jetzt allein mit rund 50 Patienten. Die Nachtschicht hat begonnen.

Mit Tretrollern durch die Station

„In den ersten Stunden ist relativ viel los“, sagt Sabrina Höhn. Viele Patienten sind noch wach, klingeln nach Hilfe. Die einen wollen etwas gegen ihre Schmerzen, andere müssen noch mal aufs Klo. „Es kommt auch vor, dass ein Patient mitten in der Nacht wissen will, wie spät es ist“, sagt Höhn. Sobald die Klingel ertönt, greift eine der beiden Pflegerinnen nach einem der stationseigenen Tretroller und fährt zum Patientenzimmer. Die Roller braucht’s auf Station 7a und 7b: die Flure sind weitläufig, in einer Nacht absolvieren die Pflegerinnen einiger Kilometer Wegstrecke.


Birgit Schlöger auf einem der stationseigenen Roller.

Höhn, 32, gelernte Kinderkrankenschwester aus Heinersreuth, ist seit 2008 auf Station 7. Ein paar Nachtschichten im Monat gehören dazu, erzählt sie: „Das ist einfach der Job.“ Es gibt Nächte, in denen kaum etwas passiert. Aber die sind die Ausnahme. „Meistens haben wir bis morgens alle Hände voll zu tun“, sagt Höhn. Die Patienten müssen überwacht, Medikamente verteilt, Vorräte kontrolliert werden.

Höhns letzte Schicht hat damit geendet, dass sie und ihre Kollegin Birgit Schlöger im Morgengrauen einen greisen Patienten wiederbeleben musste, der auf dem Klo kollabiert war. „So etwas passiert auf unserer Station aber nur sehr selten“, sagt Schlöger. „Reanimationen haben wir vielleicht fünf- bis zehnmal im Jahr.“

Als sie den Mann am Abend besuchen, kann er sich an den Kollaps gar nicht mehr erinnern.

„Vorher graut es einen immer“

Birgit Schlöger, 51, aus Kulmbach, arbeitet seit 1986 in der Orthopädie am Klinikum Bayreuth. „Für einen Pfleger gehören Nachtschichten natürlich dazu“, sagt sie. „Aber vorher graut es einen immer. Auch nach 30 Jahren im Job.“ Hinzu kommt die körperliche Belastung: Die Ruhephasen nach einer Nachtschicht sind kürzer, man schläft schlechter. „Nach dem vierten Tag in Folge kriecht man“, sagt Schlöger.


Die Pflegerinnen erneuern den Verband am Fuß eines Patienten.

Aber weder Schlöger noch Höhn lassen sich die Anspannung anmerken. Sie arbeiten konzentriert, lassen sich nicht aus der Ruhe bringen und haben für jeden Patienten ein nettes Wort übrig, sei es eine ältere Dame, die sich auf ihre Entlassung freut, oder ein frustrierter junger Mann, der noch wochenlang wird bleiben müssen.

Es dauert lange, bis dann doch Ruhe einkehrt auf Station 7a und 7b im Krankenhaus Hohe Warte. Gegen 2 Uhr, sagt Birgit Schlöger, wird sie sich wohl doch eine Tasse Kaffee machen.

Eine, mehr nicht. So viel Klischee darf sein.

Bilder