Eine Kriegslok und ihre Geschichte

Von Werner Reißaus
Die „Lok des Monats“ bildete die 86 283, die rund 1,5 Millionen Kilometer als Laufleistung zurücklegte und die Besonderheit liegt in der Lackierung, denn es wurde ein „Fotogravieranstrich“ verwendet. Bis zum zweiten Weltkrieg war es im deutschen Dampflokomotivbau üblich, einige Lokomotiven einer Serienlieferung oder auch nur Einzelstücke mit einem „Fotogravieranstrich“ zu versehen. Foto: Werner Reißaus Foto: red

Einen „Blick hinter die Kulissen“ gewährte das Deutsche Dampflokomotiv-Museum (DDM) in Neuenmarkt am Wochenende Eisenbahnfreunden und solchen, die es noch werden wollen. Denn sie wurden in Ecken geführt, die sonst nicht zugänglich sind.

 
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Der „Blick hinter die Kulissen“ begann im früheren Wasserhaus des Bahnbetriebswerkes Neuenmarkt-Wirsberg. In dem Haus waren ursprünglich große Wasservorratsbehälter aufgestellt, um die Dampflokomotiven mit Wasser zu speisen. Wie Jürgen Goller berichtete, kam das Wasser ursprünglich aus Quellen in der Nähe von Pöllitz bei Marktschorgast. Vom Wasserhaus wurde das Wasser per Schwerkraft zu den einzelnen Wasserkränen im Bahnhof befördert. Später wurde von Schlömen aus eine zweite Wasserversorgung gebaut, die vom Weißen Main mit Wasser gespeist und im Volksmund als die „Schlömer Lokleitung“ bezeichnet wurde.

Weitere interessante Stationen bildeten die Lok-Werkstatt unmittelbar am Eingang zum DDM, die Unterstellhalle mit den Feldbahnen und natürlich die ehemalige Bahnmeisterei mit der alten Schmiede, in der es noch so aussah wie zur guten alten Dampflokzeit. Als die Lok des Monats wurde die Universallokomotive 86 283 präsentiert, die auch als ein „Arbeitstier“ der Nebenbahnen galt. Praktisch alle deutschen Lokfabriken beteiligten sich am Bau dieser soliden Maschine und ab 1928 rollten die ersten Exemplare der Mehrzwecklok im Güternahverkehr, primär im Mittelgebirge. Die ersten zehn Loks erhielten extra eine Gegendruckbremse, mit der sich auch bergab das Tempo gleichmäßig halten ließ. Von 1928 bis 1943 wurden 775 Stück geliefert.

Für den Krieg verändert

Ab 1943 wurde der Typ in vereinfachter Form auch als Kriegslok gebaut und als „kriegswichtig“ eingestuft. Der Führerstand musste nur mit einem Seitenfenster auskommen und die Laufräder waren keine aufwendigen Speichenräder mehr, sondern vielmehr schlichte Scheibenräder. Der Wasserkasten war weitgehend geschweißt, das Gewicht wurde von 70 Tonnen auf 66,9 Tonnen verringert. Mit 60 Jahren war die 86 001 die am längsten eingesetzte Einheitstenderlok und die Baureihe 86 war die meistgebaute.

Wie Jürgen Goller aufzeigte, lag der Kohleverbrauch bei 1000 Kilometer Laufleistung bei 12,9 Tonnen und die Unterhaltungslasten lagen noch 1956 für einen Zeitraum von knapp acht Jahren bei 258 041 Mark. Nur zehn Jahre später betrugen die Unterhaltungskosten je 1000 Kilometer für die 86er-Baureihe 715,70 Mark und für eine Diesellok der Baureihe V 100 mit 326,70 DM nur noch die Hälfte. Der „Lebenslauf“ der im DDM stationierten 86 283 zeigt auf, dass sie 1937 bei der Orenstein & Koppel AG in Berlin gebaut und am 3. November des gleichen Jahres in Betrieb übergeben wurde. Der Preis dieser Lok lag bei 119 500 Mark und die Ausmusterung erfolgte 1974 in Schwandorf. Ein Jahr später wurde die Lok nach Neuenmarkt als Museumslok in das DDM überführt.

Einblick in die Ursprünge des Museums

Auf Beachtung stieß auch ein Bildervortrag des Neuenmarkters Roland Fraas, der damit einen Einblick in die Entstehungsgeschichte des Neuenmarkter Museums vor nunmehr 40 Jahren ermöglichte. Die ersten Exponate wurden bereits 1975 nach Neuenmarkt überführt. Am 22. Juli 1977 öffnete das Spezialmuseum erstmals seine Tore. Die Präsentation der ersten Stunden des Museums erfolgte auf der Großleinwand beim Salonwagen.

Ab 17 Uhr fand schließlich die letzte Vorstellung der „Lok des Monats“ statt. Dieses Mal stand besagte Tenderlokomotive 86 283 im Mittelpunkt. Jürgen Goller und Roland Fraas beleuchteten die Geschichte der Baureihe 86. Außerdem stellten sie das DDM-Exponat ausführlich vor. Zum Abschluss bestand dann auch die Möglichkeit, die Tenderlokomotive im Freigelände näher zu bestaunen.

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