Ein Spektakel mit hässlicher Fratze Luisenburg: Gefeiertes "Cabaret"

Von Ulrike Sommerer

Kommt nach jedem Rausch die Ernüchterung? Die Geschichte lehrt dies und auch das Musical „Cabaret“, das am Freitag auf der Luisenburg Premiere feierte, legt dies nahe. Der Rausch aus Liebe und ewiger Party findet ein jähes Ende. Als es politisch wird und sich eine hässliche Fratze zeigt.

 
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Glück. Vier Menschen, mindestens, begegnen dem Glück. Der erfolglose Schriftsteller aus Amerika Cliff Bradshaw (Lukas Schrenk) und die Nachtclub-Sängerin Sally Bowls (Anna Montanaro), die alte Pensionswirtin Fräulein Schneider (April Hailer) und Herr Schulz, der Obsthändler (Norbert Heckner). Dass dieser Jude ist, wird der Geschichte eine fatale Wendung geben. Doch das wissen alle Beteiligten zu Beginn noch nicht. Und so ist es in einem Fall stürmisches Glück, sich gefunden zu haben, im anderen ein leises Glück, ein Glück, das man aber auch einfordern will, auch wenn scheint, dass es sich nicht ziemt.

Regisseur Robin Telfer lässt den handelnden Personen viel Raum, sich einander anzunähern und dem Publikum viel Zeit, mit den Figuren vertraut zu werden. Zum engeren Kreis der handelnden Personen gehören auch Ernst Ludwig (Matthias Lehmann), der Unheilsbringer, und Fräulein Kost (Ina Meling), ein Mädchen, das ihre Vaterlandspflicht erfüllt, indem es Matrosen etwas Glück bereitet. Dem Publikum verschaffen dabei kleine Regieeinfälle ein Glücksgefühl, und sei es nur ein mädchenhaft-ausgelassener Sprung einer alten Jungfer, der ein Lächeln zu zaubern vermag.

Berlin in den 1920er Jahren muss eine einzige Sause gewesen sein. Jeder liebt jeden und liebt wie er mag. Viel Haut. Viele Anzüglichkeiten. Strapse, Mieder. Wer weiß schon, ob er Männlein oder Weiblein ist, will man es wissen?

Das aufreizende Spektakel zeigt sich auf der Bühne in einer rasanten Tanzchoreografie (Cedric Lee Bradley), die die Kit-Kat-Girls and Boys so grandios umsetzen, dass einem der Mund vor Staunen offen bleibt. Fortwährend wechselnde Kostüme (Eva Praxmarer), die Musik der Blues-Brothers-Band hat ohnehin Gassenhauer-Qualitäten (der Titelsong natürlich, aber auch „Money“ oder „einmalig himmlisch“) und ein Conferencier (großartig: Michael Kargus), der ein Band um das Geschehen auf der Bühne und das Publikum schlingt, bringen Tempo. Keine Sekunde der knapp zweieinhalb Stunden Spielzeit wird es langweilig.

Angst. Als sie kommt, leise erst, in Andeutungen in Maske und Kostüm der Akteure, dann immer lauter werdend, immer zuschlagender, da ist es vorbei mit der großen Party und der grenzenlosen Liebe. Da ist plötzlich entscheidend, welche Religion man hat, auf welche Seite man sich stellt. Das Lächeln stirbt, als Hakenkreuze auftauchen und eine Ahnung von dem, was dies bedeuten mag. Das Lächeln stirbt auf der Bühne und im Zuschauerraum. Man sieht aber auch, dass man sehen kann, wenn man es nur will – und die Angst nicht lähmt.

Hass. Am Ende zeigt sich auf den Gesichtern der Tänzer die hässliche Fratze des Nationalsozialismus (Maske: Lilli Schulteß) und dessen Schergen treten auf den ein, der eine andere Meinung vertritt.

Zweieinhalb Stunden Musik, Tanz, Rausch.Und was fühlen wir am Ende? Ernüchterung? Beklemmung? Ja, sicher. Auch aber Glück über einen mehr als gelungenen Musicalabend. Große Beifallsstürme.

Info: Nächste Vorstellungen am Samstag, 4.Juli, 20.30 Uhr, Sonntag, 5. Juli, 15 Uhr, Mittwoch, 8. Juli, 20.30 Uhr.