Ein Schotte in Neudrossenfeld ist für den Verbleib seines Landes bei Großbritannien, seine Brüder in Schottland sind dagegen Ein Riss durchs schottische Herz und mitten durch Familien

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Roy Shrigley, der seit über 20 Jahren mit seiner Elisabeth verheiratet ist, lebt gern in Oberfranken – und ist trotzdem stolzer Schotte. ⋌Foto: Wittek Foto: red

Die Schotten sind tief gespalten. Soll ihr Land künftig eigenständig sein, oder bei Großbritannien bleiben? Roy Shrigley ist stolzer Schotte, wohnt in Neudrossenfeld, und ist gegen die Unabhängigkeit. Seine Brüder in Schottland denken anders.

 
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Roy Shrigley lässt keinen Zweifel. „Ich finde, dass es besser wäre, wir bleiben bei England“, sagt der 55-Jährige, dessen schottischer Akzent trotz fränkischer Anklänge auch nach mehr als 20 Jahren in Deutschland noch deutlich durchklingt.

Abstimmen dürfen nur in Schottland lebende Bürger

„Wir“ sagt der Chefgärtner im Bauhof Neudrossenfeld, der einst der Liebe wegen nach Deutschland kam. Dabei darf er morgen gar nicht darüber abstimmen, ob Schottland sich vom Vereinigten Königreich trennen und ein selbstständiger Staat werden soll, oder nicht. Denn das ist denen vorbehalten, die innerhalb der schottischen Grenzen wohnen und sich für die Wahl haben registrieren lassen. Weit über 90 Prozent haben das getan – das zeigt, welche Bedeutung das Votum für die Menschen vor Ort hat.

„Es gibt kaum mehr ein anderes Thema dort“, sagt Shrigley – und dabei gehe ein Riss nicht nur durch die Gesellschaft, sondern oft quer durch Familien. Seine eigene, die er spätestens alle zwei Jahre besucht und mit der er ansonsten Kontakt vor allem über das Internet hält, ist da das beste Beispiel: „Meine beiden Brüder wollen mit Yes stimmen, also für die Abspaltung. Ihre Frauen aber werden ihr Kreuz bei No machen.“

Warum? Da kann Shrigley nur mutmaßen, und er lacht, wie so oft im Gespräch, wenn er sagt: „Die Männer sind in Schottland schon immer sehr stolz, wollen ihre Dinge selber in die Hand nehmen. Das trifft auf die Frauen zwar auch zu, aber sie denken eben auch ein bisschen weiter, sehen die möglichen Probleme.“

Was ist mit der EU-Mitgliedschaft?

Und die liegen auch für ihn selber auf der Hand. Die Unsicherheit, ob die separatistischen Politiker wirklich recht behalten, wenn sie behaupten, Schottland sei allein überlebensfähig. „Nur mit Öl – wenn es auch noch so viel ist – und unserem guten Whisky?“ Und was wird mit dem Pfund, was mit der EU-Mitgliedschaft? Da wäre auch sein eigener Status in Deutschland möglicherweise plötzlich ein anderer.

Shrigley ist dafür, die jetzt vom britischen Premierminister David Cameron angebotene erweiterte Selbstständigkeit innerhalb Großbritanniens anzunehmen. Weil das mehr Freiheiten bei gleicher Sicherheit bedeute.

Wobei Shrigley durchaus der Meinung ist, dass die Schotten Grund haben, die Engländer nicht unbedingt zu mögen. Nur ein Beispiel: „Wir Schotten sind eine kleine Nation, da hilft uns unser Nationalstolz, uns nach außen zu behaupten. Deshalb mögen wir es gar nicht, wenn unser Tennisheld Andy Murray Wimbledon gewinnt und die Engländer sprechen dann von einem britischen Sieger. Wenn ein Engländer gewinnt, dann ist das für sie nämlich auch kein Brite – sondern ein Engländer. Da kommt immer wieder das alte Empire-Denken durch.“

Auch die Separatisten kommen bei Shrigley nicht ungeschoren davon. James-Bond-Darsteller Sean Connory zum Beispiel, eine schottische Ikone. „Der trommelt zwar für die Unabhängigkeit, lebt aber auf Barbados. Wenn die Abspaltung schiefgeht, muss er mit den Folgen nicht leben – sehr tapfer.“

Unter den Befürwortern gibt es auch Radikale

Außerdem gebe es unter den Yes-Aktivisten Radikale. „Eine Bekannte hat mir erzählt, dass sie sich nicht traut, einen No-Aufkleber aufs Auto zu kleben, weil sie Angst hat, dass es dann beschädigt wird“, sagt Shrigley. Vereinzelt seien Gegner der Eigenständigkeit sogar verprügelt worden: „Hoffentlich finden die Menschen nach der Abstimmung wieder zueinander, egal wie sie ausgeht.“

Der 55-Jährige lebt gern in Oberfranken. 1974, als die Partnerschaft zwischen Kulmbach und seiner Heimatstadt Kilmarnock südlich von Glasgow mit einer ersten Reise nach Oberfranken besiegelt wurde, lernte Shrigley seine Frau kennen. Viele Jahre, in denen er in Australien und Japan arbeitete, hielten beide Kontakt, ehe 1993 geheiratet wurde.

"Schotten und Oberfranken passen gut zusammen"

„Schotten und Oberfranken passen gut zusammen“, meint er: „Beide sind etwas stur, beide wollen etwas mehr Selbstständigkeit, als London und München ihnen vielleicht zugestehen wollen.“ Was nichts daran ändert, dass Shrigley von Zeit zu Zeit stolz ein Trikot des schottischen Rugby-Nationalteams und einen entsprechenden, von seinem Vater geerbten Gürtel trägt – und auf keinen Fall Deutscher werden will: „Ich bin Schotte und Europäer – und stolz darauf.“

Und wie geht es morgen nun aus? „Es wird eng. Aber am Ende steht es 55 zu 45 für den Verbleib bei Großbritannien. Hoffe ich.“

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