Ein Gespräch mit dem Kommunikationswissenschaftler André Haller über Worthülsen im Wahlkampf Wer polarisiert, der verliert

Von Tobias Köpplinger
 Foto: red

Worthülsen oder Inhalte? Phrasen oder konkrete Probleme? Welche Begriffe müssen in ein Wahlprogramm und welche eher nicht? Acht Parteien treten zur Bayreuther Stadtratswahl am 16. März an. Acht Parteien mit acht unterschiedlichen Programmen oder Ideen. Was funktioniert und was nicht, darüber hat der Kurier mit dem Bamberger Kommunikationswissenschaftler André Haller gesprochen.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Wie lautet der ideale Satz in einem Wahlprogramm?
André Haller: Den idealen Satz gibt es nicht. Eine Wahlkampagne ist immer abhängig von verschiedenen Ausgangspunkten: zum Beispiel der Persönlichkeit und Vorgeschichte eines Kandidaten oder den politischen Rahmenbedingungen. Gibt es beispielsweise einen strukturellen Vorteil für eine Partei in einer Kommune, weil man „die immer gewählt hat“? Oder gibt es außergewöhnliche Ereignisse wie zum Beispiel Skandale in einer Kommune? Auf Basis dieser Rahmenbedingungen sollte man dann eine Kampagne aufbauen und Botschaften für die Zielgruppen entwickeln.

Wie wäre das: „Wir setzen uns für eine nachhaltige und soziale Familienpolitik ein, arbeiten bürgernah und mit Augenmaß“?
Haller: Austauschbare Claims, also „Slogans“, tauchen immer mehr in Wahlkampagnen auf. Genauso verhält es sich oftmals mit den Programmen. Dies ist keine Erscheinung kommunaler Wahlkämpfe, sondern lässt sich auch in größeren Wahlkämpfen beobachten.

Warum verwenden Parteien im Wahlkampf solche Worthülsen und sprechen keine konkreten Probleme an?
Haller: Im Bereich der Wahlkampfkommunikation stelle ich vermehrt fest, dass Parteien abstrakt formulieren. Ein Grund dafür könnte in der „Social Judgment“-Theorie zu finden sein. Angewandt auf politische Kommunikation, sagt sie aus, dass Politiker eher allgemein erwünschte Aussagen treffen. Sie erreichen damit den Akzeptanzbereich von Wählermeinungen. Das sind jene Meinungen, die von Wählern geteilt beziehungsweise toleriert werden. Man nimmt an, dass die Wahrscheinlichkeit höher ist, mehr Wähler durch konkrete und damit manchmal polarisierende Meinungen zu verlieren, als durch klare Aussagen zu gewinnen sind.

Wer hat dann die besseren Chancen? Die Konkreten oder die Abstrakten?
Haller: Das kann man nicht allgemeingültig beantworten. Auch hier sind die Rahmenbedingungen genau zu betrachten. Generell vertrete ich aber als Wahlkampfberater den Standpunkt, dass kleinere und unbekanntere Parteien beziehungsweise Politiker konkrete Standpunkte kommunizieren sollten. Das heißt, dass gerade Herausforderer versuchen sollten, konkrete Themen zu besetzen. Auch wenn man dabei polarisiert: Man erringt zumindest Aufmerksamkeit und kann darauf aufbauen.


Kultur ist der Begriff, der am häufigsten in den Wahlprogrammen vorkommt, insgesamt 89-mal.
Der Begriff Bürger landet auf Rang 2, insgesamt 71-mal verwenden ihn die Parteien.
Der Begriff Familie kommt auf den insgesamt 50 Seiten Wahlprogramm der Bayreuther Parteien 45-mal vor.
Insgesamt 23-mal verwenden die acht zur Stadtratswahl antretenden Bayreuther Parteien das Wort nachhaltig.
Der Begriff Haushalt findet sich in den aktuellen Wahlprogrammen insgesamt 22-mal.
Vereine sind wichtig. In den Programmen spiegelt sich das wider, insgesamt 20 Nennungen. Auch der Begriff Verantwortung darf in Wahlprogrammen nicht fehlen, bei den Bayreuther Parteien fällt er 19-mal.
Der Begriff sozial landet auf Platz 8. Insgesamt kommt sozial 16-mal in den Wahlprogrammen vor.

Bilder