Ein Betroffener berichtet Akademiker haben es auf dem Arbeitsmarkt oft schwer

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 Foto: red

Er sei kein Weltverbesserer und auch kein Querulant. Michael S. will nur eins - einen Job. Er ist Anfang dreißig und hat einen akademischen Hochschulabschluss. Seit über drei Jahren sucht er schon nach einer Stelle. Um die 500 Bewerbungen hat er geschrieben, ohne Erfolg. Langsam ist der Mann aus dem Landkreis Kulmbach, der seinen wahren Namen nicht in der Zeitung lesen will, am Verzweifeln. Aber er ist sich sicher: "Ich bin kein Einzelfall. Es geht vielen meiner Generation so."

 
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Deshalb hat er nichts dagegen, wenn wir seine Geschichte erzählen. Eine Geschichte, die von einem Absolventen mit Magistertitel berichtet, zwar ohne Einser-Abschluss, doch mit hellem Köpfchen. Der "mit ein bisschen Einarbeitung viele fachfremde Sachen machen kann". Wenn man ihn denn ließe.

Seit er die Universität verlassen hat, fielen seine Erfahrungen mit dem Arbeitsmarkt und den die Arbeitslosigkeit verwaltenden Behörden eher negativ aus. Viele kostenlose oder schlecht bezahlte Praktika hat er hinter sich gebracht. In städtischen Verwaltungen und Ämtern, einer Agentur, im Staatsarchiv. Alle Arbeitsstellen waren zeitlich befristet oder bezuschusst. "Es gab Chefs, die mich gern weiterbeschäftigt hätten." Wenn sie gekonnt hätten. Der Trend sei jedoch eindeutig, sagt er. Hin zu Zeitverträgen und prekärer Beschäftigung, obwohl die Politik das abstreite. "Es geht nur darum, dass man aus der Statistik verschwindet", sagt Michael S. und klingt verbittert.

"Aber nach dem Studium stand ich vor einem schwarzen Loch." Auf die Situation, in der er sich plötzlich befand, haben ihn seine Professoren nicht vorbereitet. Er schrieb zahllose Initiativbewerbungen, die meisten kamen ungelesen zurück. Er bewarb sich auf Ausbildungsstellen. Er durchforstete die Stellenanzeigen, bereit eine Arbeit anzunehmen, die deutlich unter seinem Qualifikationsniveau lag. Selbstständigkeit kann er sich nicht leisten, sagt er. "Ist es denn ein Verbrechen, dass ich nicht Informatik studiert habe und keine Kontakte habe?"

Als der ehemalige Student der Geschichte und Politik eine Weile in einem Museum unterkam, war er glücklich. Genau so etwas hatte er immer machen wollen, für ein Dokumentationszentrum, ein Archiv, eine Universität oder eine Stiftung arbeiten. Nach einem Jahr war allerdings eine feste Übernahme nicht möglich. Und dann sollte er auf Aufforderung des Finanzamtes noch Steuern nachzahlen. Dabei war sein Gehalt ohnehin mehr als bescheiden gewesen.

Er musste den Weg antreten, den er so lange wie möglich vermeiden wollte. Weil er beschämend ist. Es half jedoch nichts, er musste zum Arbeitsamt gehen und sich arbeitssuchend melden. Ein einwöchiges Bewerbungstraining für Akademiker wurde ihm angeboten. Trotzdem wollte sich keine Erfolg einstellen. "Der finanzielle Druck wurde leider immer größer. Ich war gezwungen, Arbeitslosengeld II zu beantragen", sagt Michael S. mit ernstem Gesichtsausdruck. Für die Rente kann er nichts zurücklegen. Einen Rechtsstreit wegen der Bezüge musste er dennoch ausfechten. Alles müsse er nachweisen, was er mit seinem Geld mache, wann und warum er überhaupt in Urlaub fahre, als Arbeitsloser. Ob er seine Pflichtbewerbungen im Monat schreibt. Sogar ein Vermittlungscoaching hat er inzwischen hinter sich. Die Misserfolge nagen an seinem Selbstbewusstsein.

Freunde rieten ihm, sich um eine Stelle im staatlichen Verwaltungsdienst zu bewerben. Mehrmals hat er am bayernweiten Auswahlverfahren teilgenommen, zweimal mit einer guten Platzierung, wie er sagt. "Trotzdem wurde ich nirgends genommen." Wenigstens befinde er sich noch auf der Warteliste. Eine Umschulung bekommt er nur, wenn ihn ein Arbeitgeber danach nimmt. Noch ein Studium kommt aus finanziellen Gründen nicht infrage. Die Abschlussnote des ersten Studiengangs nachträglich verbessern? Das lässt die Prüfungsordnung nicht zu.

Es gibt fast nichts, über das er noch nicht nachgedacht hat, um seine Ausgangsposition als Bewerber zu verbessern. Michael S. sagt zynisch: "Wenn ich die Schule abgebrochen oder Drogen genommen hätte, würde man mir vielleicht eine zweite Chance geben. So aber nicht." Und es gibt kein Gesetz, das einen möglichen Arbeitgeber zwingt, jemand Bestimmten einzustellen.
Inzwischen fragt Michael S. per Brief nach, wenn er eine Absage erhielt. "Was habe ich falsch gemacht?" Meistens bekommt er keine Antwort oder eine ausweichende wie "Sie sind leider durchs Raster gefallen".

Ständige Ablehnung kann sich zum Trauma entwickeln. "Ich fülle mich wie Abfall", sagt Michael S. "Ich kann bald nicht mehr."

Symbolbild: pa

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