Es fällt gar nicht so einfach, dieser Tage einen Interviewtermin mit dem 21-Jährigen zu finden, der Bayreuth 2012 den Rücken kehrte und nach fünf Spielzeiten im Nachwuchsprogramm von Serienmeister Brose Bamberg 2017 in Würzburg anheuerte. Obwohl die Saison für die Unterfranken bereits seit über zwei Wochen beendet ist – als Neunter verpassten sie die Teilnahme an den Playoffs – ist der Terminkalender von Leon Kratzer voll belegt.

Nach einem kurzen Heimaturlaub fliegt er heute nach Belgrad, wo er am nächsten Schritt seiner bislang fast immer kontinuierlich aufwärts verlaufenen Karriere feilen will. Dem knapp zwei zweiwöchigen Trainingslager beim serbischen Individualcoach Aleksandar Matovic folgt die Teilnahme am NBA Elite International Camp im italienischen Treviso und Anfang Juni der Flug in die USA, wo er in Los Angeles und Las Vegas den Talentspähern der NBA-Clubs vorspielen wird.

Die beste Liga der Welt

Die beste Liga der Welt ist, wie bei vielen jungen Basketballern, der große Traum des 2,14-Meter-Hünen. „Euroleague, A-Nationalmannschaft und, wenn sich die Möglichkeit ergeben sollte, die NBA“, definiert Leon Kratzer seine Karriereziele. Der erste, wenn auch kleine Schritt ist getan: Als erster Bayreuther überhaupt hat er die Zulassung zum Draft erhalten, jener komplizierten Talentbörse, bei der sich die 30 NBA-Clubs alljährlich die Transferrechte an den 60 besten jungen Spielern der Welt sichern. Der Draft findet in diesem Jahr am 21. Juni in Brooklyn/New York statt. In den USA ist er ein nationales Großereignis und wird landesweit live im TV übertragen.

„Ich will einfach meinen Marktwert testen und meine Chancen ausloten“, sagt Leon Kratzer. Bis 11. Juni könnte er – sollte er in Treviso, Los Angeles und Las Vegas keinen überzeugenden Eindruck hinterlassen – seine Teilnahme am Draft zurückziehen und 2019 noch einmal einen zweiten, aber dann auch letzten Anlauf nehmen.

Die vergangene Saison in Würzburg hat seine Aussichten bei potenziellen Interessenten aus der NBA nicht gerade verbessert. Sie war ein erster kleiner Dämpfer in der Karriere des Centerspielers, die jahrelang nur den Weg nach oben kannte: 2014 der Zweitliga-Aufstieg mit Bambergs Ausbildungsteam FC Baunach, 2015 ein Vierjahresvertrag bei Brose Bamberg, 2016 die NBBL-Meisterschaft mit der Bamberger U19-Auswahl und das EM-Halbfinale mit der U20-Nationalmannschaft.

Noch im gleichen Jahr feierte er sein Bundesliga-Debüt im Brose-Dress und steuerte dabei gleich seinen ersten Korb zum 88:55-Sieg gegen die Skyliners Frankfurt bei. 2017 wurde er als Ersatzspieler (24 Einsätze) mit Bamberg Deutscher Meister und, per Doppellizenz für Baunach auflaufend, zum „Spieler des Jahres“ in der 2. Bundesliga ausgezeichnet – mit herausragenden Statistiken von 14,6 Punkten und 12,7 (!) Rebounds pro Partie.

Noch ein Jahr Vertrag bei Brose Bamberg

Damit der junge Spieler mehr Erfahrung auf hohem Niveau sammeln könne, liehen ihn die Bamberger für die Saison 2017/18 an S.Oliver Würzburg aus. Diese verlief jedoch weder für die Unterfranken noch für Leon Kratzer so wirklich zufriedenstellend – oder wie er selbst sagt: „durchwachsen, mit Höhen und Tiefen“.

Durchschnittlich nur 11,5 Minuten pro Partie stand er auf dem Feld, dabei gelangen ihm 3,3 Punkte und 3,3 Rebounds. Zu allem Überfluss fiel er zu Beginn der Rückrunde fast zwei Monate wegen eines Bänderrisses im Sprunggelenk aus. Von einem verlorenen Jahr möchte er dennoch nicht sprechen: „Von Trainer Dirk Bauermann konnte ich viel lernen.“

Wie und wo es mit Leon Kratzer in der nächsten Saison weitergehen wird, ist noch völlig unklar. Sein Vierjahresvertrag mit Brose Bamberg läuft noch eine weitere Saison. Zurück nach Bamberg, weiter in Würzburg oder ganz woanders hin? „Ich weiß es selbst noch nicht“, sagt er. „Bamberg ist in jedem Fall mein erster Ansprechpartner. In der Sommerpause werde ich mich mit meinen Beratern Tolga Tugsavul und Stefan Hübner zusammensetzen und eine Entscheidung treffen.“

In den nächsten Wochen will er aber erst einmal seinem großen Ziel NBA einen Schritt näher kommen.