Ehrenamt Einzelhelfer zu schlecht qualifiziert?

Peter Rauscher
Karin Orbes, Vorsitzende der Alzheimer Gesellschaft Bayreuth-Kulmbach, bildet seit vielen Jahren ehrenamtliche Alltagsbegleiter aus. Foto: Archiv/red

Nicht jede Hilfe für pflegebedürftige Menschen ist gleichermaßen willkommen. Der Einsatz ehrenamtlich tätiger Einzelpersonen, der seit gut einem Jahr in Bayern möglich ist, wird von manchen Demenz-Fachleuten kritisch gesehen.

 
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Bayreuth/München - Ehrenamtlich tätige Einzelpersonen als Alltagshelfer für pflegebedürftige Menschen in Bayern werden nicht überall mit offenen Armen empfangen. Die Alzheimer Gesellschaft Bayreuth-Kulmbach übt wegen der Schaffung dieses Konstrukts heftig Kritik am bayerischen Pflegeministerium.

Seit gut einem Jahr gibt es in Bayern die Möglichkeit, dass Menschen sich als ehrenamtlich tätige Einzelpersonen registrieren lassen. Mit nur acht Stunden Kurs, der in Pandemiezeiten auch noch Online absolviert werden kann, und nach einer Registrierung bei der Fachstelle für Demenz und Pflege Oberfranken kann jeder Mann/jede Frau Alltagshilfen für bis zu drei Pflegebedürftige anbieten und dafür Geld von der Pflegekasse bekommen. Bis zu 125 Euro stehen jedem Pflegebedürftigen im Monat für stundenweise Alltagsbetreuung von der Pflegekasse zu, als Ehrenamtlicher kann man bis 3000 Euro im Jahr steuerfrei dazuverdienen.

Alzheimer Gesellschaft bildet aus

Dass das Pflegeministerium und die Fachstelle für Demenz und Pflege in Oberfranken auch für diese Art der ehrenamtlichen Hilfe werben, ist Karin Orbes ein Dorn im Auge. Orbes ist Vorsitzende der Deutschen Alzheimer-Gesellschaft Bayreuth-Kulmbach. Auch sie registriert einen wachsenden Bedarf an ehrenamtlicher Unterstützung für Pflegebedürftige. Zusammen mit ihrer Organisation bildet sie seit vielen Jahren Alltagsbegleiter aus, die aber alle für eine Organisation tätig sind. Diese Ehrenamtlichen absolvieren einen 40-stündigen Lehrgang und müssen sich zudem jedes Jahr fortbilden.

Acht Stunden sind zu wenig

Hauptkritikpunkt von Diplom-Gerontologin Orbes: Ein achtstündiger Kurs, der noch nicht einmal jedes Jahr aufgefrischt werden muss, reicht nicht aus, damit jemand eine qualifizierte Betreuung gerontopsychiatrisch erkrankter Menschen leisten kann. „Dazu braucht es mehr Fachwissen. Kommunikation mit Menschen mit Demenz ist anders als mit geistig gesunden Menschen. Demenzkranke verstehen oft nicht, was gemeint ist, sind auch nicht immer pflegeleicht und freundlich.“ In den Kursen der Alzheimer-Gesellschaft könne man lernen, wie man auch bei Menschen mit Demenz durchdringt.

Zweierlei Maß

Orbes kritisiert, dass bei ehrenamtlichen Einzelhelfern und bei den Alltagshelfern, die sie ausbildet, mit zweierlei Maß gemessen wird. Beide bekommen das gleiche Geld von der Pflegekasse trotz unterschiedlich guter Qualifikation. Niemand kontrolliere, ob Einzelhelfer von ihrer Persönlichkeit her auch geeignet für Einsätze sind. „Wir finden das sehr gefährlich.“ Ohne eine Organisation im Hintergrund, an die man sich jederzeit wenden kann, bestehe zudem die Gefahr, dass Einzelhelfer überfordert werden. Mit einer guten Ausbildung könnten sich die Helfer bei ihren Einsätzen sicher fühlen.

Unterschiedliche Kosten

Diese Kritikpunkte hatte der Landesverband der Alzheimergesellschaft kurz nach Inkrafttreten der Neuregelung vor einem Jahr auch der Staatsregierung in einer Stellungnahme zugeleitet. Darin wird außerdem moniert, dass der achtstündige Kurs von den Fachstellen kostenlos angeboten wird, während bei den 40-stündigen Kursen teils qualifizierte Referenten aus dem hauswirtschaftlichen Bereich zugekauft werden müssen. 600 Euro Gebühren kostet ein Kurs laut Orbes, das Geld werde von den Trägern der Organisationen aufgebracht, die die Ehrenamtlichen danach einsetzen.

Das sagt das Ministerium

Eine Sprecherin des bayerischen Pflegeministeriums wies die Kritik des Vereins zurück. Auf Wunsch vieler Menschen habe man ähnlich wie andere Bundesländer mit dem Einzelhelfer eine zusätzliche Unterstützungsmöglichkeit über das bestehende Repertoire hinaus geschaffen. Das Angebot werde gut angenommen, 215 Helfer sind in Oberfranken registriert.

Die Schulung sei hier mit acht Stunden bewusst sehr niedrigschwellig gehalten, um mehr Helfer zu gewinnen. Der Einzelhelfer sei keine Konkurrenz, sondern Ergänzung des bisherigen Leistungsangebots.

Zudem gehe es in vielen Fällen gar nicht um Hilfen für Demenzkranke. Die Praxis zeige, dass bei den ehrenamtlichen Einzelhelfern insbesondere Nachbarn oder andere vertraute Kontaktpersonen, die pflegebedürftige Menschen schon bisher etwa im hauswirtschaftlichen Bereich unterstützt haben, dafür nun eine kleine Aufwandsentschädigung erhalten. Dagegen seien die Ehrenamtlichen, die überwiegend über Träger der Angebote zur Unterstützung im Alltag eingebunden sind, fast ausschließlich in der Betreuung tätig.

Auch auf das Schreiben der Alzheimer-Gesellschaft vor einem Jahr hatte das Ministerium reagiert. Orbes` Kommentar dazu: „Da soll auf billige Weise der Pflegenotstand kaschiert werden und den Angehörigen ein Bonbon zum Durchhalten gegeben werden.“


Die Alzheimer-Gesellschaft Bayreuth-Kulmbach bietet dieses Jahr fast durchgehend 40-stündige Kurse für Alltagsbegleiter an. Der nächste Kurs beginnt am 9. März in Bayreuth. Es sind noch Plätze frei.

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