Das sagt der Pfarrer: „Ich halte den Vorstoß der Bundeskanzlerin, dass die Entscheidung über die Ehe für alle eine Gewissensfrage ist, für angemessen“, sagt Martin Bachmann, einer von vier Pfarrern und Pfarrerinnen der evangelischen Kirchengemeinde St. Georgen. Er kann die verschiedenen Positionen aber gut nachfühlen: Die rechtliche Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften mit der Ehe sei von staatlicher Seite gedacht sinnvoll, Diskriminierung und Nachordnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften in der Gesellschaft hält Bachmann für nicht akzeptabel. Auch wenn er persönlich etwas anders fühlt: „Viel hängt ja davon ab, wie man selbst ins Leben geschickt wurde. Und ich glaube, dass es für ein Kind besser ist, wenn es in einer Partnerschaft von Vater und Mutter aufwächst, denn von jedem Geschlecht bekommt es ein Stück an Orientierung, an Prägung. Das fühle, empfinde und glaube ich – aber daraus darf sich natürlich keine rechtliche Benachteiligung ableiten“, sagt Bachmann. „Ich bin mir schließlich auch bewusst, dass viele Kinder in Partnerschaften aufwachsen, die nicht ideal laufen.“
Einzelne biblische Aussagen jedenfalls dürfen Bachmanns Meinung nach nicht als Argument gegen gleichgeschlechtliche Liebe hergenommen werden. „Vieles, was an biblischen Gegenargumenten genannt wird, muss man in dem zeitgeschichtlichen Kontext sehen, in dem sie stehen“, sagt er: „Für mich ist das Entscheidende, dass für Christen das Liebesgebot die oberste Regel ist, die im Ernstfall andere Regeln überbietet.“
In der evangelischen Kirche können aktuell gleichgeschlechtliche Paare eine Segnung erhalten. Ob dies in die eigenen Gemeinden möglich machen, entscheidet der jeweilige Kirchenvorstand. In St. Georgen ist dies möglich, im vergangenen Jahr gab es eine. Bachmann findet das gut: „Die Kirche hat in ihrer Geschichte an vielen Stellen lieblos gehandelt. Die Segnung einer homosexuellen Partnerschaft ist für mich in Ordnung.“ Er habe Kolleginnen und Kollegen, die homosexuell sind, sagt Bachmann: „Und ich finde es gut, dass dies in der evangelischen Kirche inzwischen möglich ist, dass eine völlige Gleichstellung im Dienstlichen gegeben ist.“
Das sagt der Rechtsprofessor: Die Unionsparteien bezweifeln die Verfassungskonformität der Ehe für alle. Das geplanten Gesetze sei nicht mit Artikel 6 des Grundgesetzes vereinbar, in dem die Ehe zwischen Mann und Frau geschützt wird. „Hier wird oft aneinander vorbeigeredet“, sagt Heinrich Wolff, Lehrstuhlinhaber für öffentliches Recht an der Universität Bayreuth dazu. Es gelte, gut zwischen dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) und dem Grundgesetz zu unterscheiden.
Der Gesetzgeber ändere nun voraussichtlich den Begriff der Ehe im BGB. Dies sei Wolffs Einschätzung nach in Ordnung – denn der Gesetzgeber sei nicht in der Pflicht, im BGB die gleichen Begriffe wie im Grundgesetz zu verwenden. „Es ist durchaus denkbar, dass das Grundgesetz von Ehe spricht und gemeint ist die Ehe zwischen Heterosexuellen. Und dass das BGB von Ehe spricht und gemeint ist die Ehe im Sinne des Grundgesetzes und zusätzlich die Ehe zwischen Homosexuellen. Dahinter stecke letztlich die Frage, ob der Grundgesetzartikel 6 so zu lesen ist, dass der einfache Gesetzgeber den Ehebegriff nur in diesem eingeschränkten Sinne lesen darf und genau das hält Wolff für unwahrscheinlich.
Eine zweite Frage sei, ob der Artikel 6 inhaltlich verbietet, dass homosexuelle Paare gleichgestellt werden. Auch zu dieser Frage glaubt Wolff aber, dass gleichgestellt werden darf: Die Entscheidungen liegen jeweils beim Bundesverfassungsgericht und bisherige Auslegungen und Äußerungen weisen Wolffs Einschätzung nach alle in diese Richtung.
Die Frage, die bleibt, sei aber: Reicht das? Für das eigentliche politische Ziel, das hinter der Ehe für alle steckt, müsste man an die Verfassung ran, sagt Wolff. Denn es gebe immer wieder Fälle, in denen die Verfassung zur Auslegung gebraucht wird, vor allem, wenn es um den Schutzanspruch geht, der im Artikel 6 steckt - zum Beispiel wenn es um den Nachzug von Eheleuten geht. „Dafür müsste man mit einer verfassungsrechtlichen Änderung an den Artikel 6 ran“, sagt Wolff. Dafür bedarf es Zweidrittelmehrheiten in Bundestag und Bundesrat.