Drogenprozess: Der große Unbekannte?

Von Susanne Will
Die Göttin Justitia. Foto: Arne Dedert/dpa Foto: red

Knapp 200 Gramm Kokain, knapp drei Kilogramm Amphetamine, gut ein Kilogramm Ecstasy und fast 100 Gramm des Ecstasy-Rohstoffs MDMA: Für diese Schmuggelware müssen sich seit Montag zwei junge Männer vor dem Bayreuther Landgericht verantworten. Der eine sagt: Es gab einen Auftrag - vom großen Unbekannten.

 
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Sebastian W. (30) und Philipp K. (22) sind Kumpel, kennengelernt haben sie sich in München in der Szene für Electro-Musik. Diese Szene funktioniert ohne die passenden Drogen selten. Sebastian W. hat die Hälfte seines Lebens mit Aufputschmittel und Ecstasy in eine Bahn gelenkt, die ihn schlussendlich als Gelegenheitsarabeiter hat enden lassen. Gutachter Thomas Wenske, Chefarzt der Klinik für forensische Psychiatrie in Erlangen, ist überzeugt, dass der „intelligente Mann“ mehr in seinem Leben zustande gebracht hätte, wenn die Drogen nicht gewesen wären.

Kontrolle auf der A9

Um sie drehte sich aber das Leben von Sebastian W. und Philipp K.. Als der Münchner Sebastian W. Mitte Mai 2016 am Freitag vor Pfingsten ankündigte, er müsse nach Berlin fahren, um „Party zu machen und etwas zu erledigen“, so erinnert sich Philipp K., da fuhr er mit. Begleitet wurden sie von einer Freundin, die in Berlin Verwandtschaft besuchen wollten. Doch auf der Fahrt dorthin kam es zu einem Zwischenfall: Sie gerieten bei Feucht auf der A9 in eine Polizeikontrolle.

8000 Euro im Kofferrraum

Philipp K. und die junge Frau hatten geringe Mengen Drogen dabei. Und die Fahnder stießen im Kofferraum auf 8000 Euro in bar. Nach einigen Formalitäten konnten sie die Fahrt nach Berlin fortsetzen.

"Es war wie im Film"

Philipp K. sagte aus, Kumpel Sebastian habe nicht sagen wollen, was er mit dem Geld vorhatte. Tatsächlich hatte der 30-Jährige insgesamt 22 400 Euro bei sich. Für die Summe kaufte er in Berlin die Drogen am Pfingstsamstag ein. Es habe im Auftrag eines Mannes gehandelt, behauptete der 30-Jährige vor Gericht. „Es war wie im Film“, ein Auto mit verspiegelten Scheiben habe an der vereinbarten Kreuzung gehalten, ihn mitgenommen, das Geld gegen Drogen eingetauscht.

"Ich habe echt Angst vor denen"

Wer dieser ominöse Mann ist, wollte er nicht sagen. „Ich habe echt Angst vor denen“, so der 30-Jährige vor Gericht. Sein Motiv, warum er für den großen Unbekannten das Risiko einging: Er habe 500 Euro für den Schmuggel erhalten und hätte künftig die Drogen zum Einkaufspreis erhalten.

"Party gemacht"

Philipp K. wusste spätestens nach Sebastians Rückkehr im Hotel, um welche Art Geschäft es ging: Denn beide machten mit den Drogen erst einmal „Party“. Am Sonntag versteckten sie die Drogen im Ersatzreifen und fuhren am Pfingstmontag den gleichen Weg von Berlin zurück nach München über die A9.

Kennzeichen ausgeschrieben

Jedoch hatten sie nicht mit der Polizei gerechnet: Was machten zwei junge Kerle – und einer von ihnen mit Drogenkrümeln in der Tasche – mit 8000 Euro im Mietauto in Berlin? Diese Frage stellte sich die Polizei nach der Kontrolle des Mietautos am Freitag. Das Kennzeichen war längst an alle Streifenwagen ausgegeben worden. Bei Hof wurde der Wagen gesichtet, auf Höhe Bayreuth-Süd war die Fahrt am Montag beendet. Am Steuer saß Philipp K., der keinen Führerschein mehr hat, seit er ein Jahr vorher mit 2,4 Promille in den Zaun einer Polizeiinspektion im Süden Bayerns gefahren war.

"Ich war ziemlich dämlich"

Der Ersatzreifen hatten sie so dilettantisch aufgeschlitzt, dass die Fahnder das Versteck sofort bemerkten. Sebastian W.: „Ich war ziemlich dämlich.“ Während die Männer in Haft kamen, war schnell klar, dass das Mädchen, das mit ihnen die Heimreise angetreten hatte, nichts mit dem Deal zutun gehabt hatte.

In Vernehmungen sprachen beide davon, gemeinsam das Geschäft abgewickelt zu haben – vor Gericht blieb W. dabei: Er habe es alleine gemacht, Philipp hätte keine Ahnung gehabt.

Gutachter: Ab in die Langzeittherapie

Psychiater Wenske empfahl für den 30-Jährigen 24 Monate Therapie in der forensische Psychiatrie. „Ohne Langzeitbehandlung sehe ich einen sofortigen Rückfall in Freiheit.“ Philipp K. schien den Ernst der Lage noch nicht erkannt zu haben, bis Richter Michael Eckstein ihn zurechtwies: „Sie sind kurz davor, Ihr Leben endgültig wegzuwerfen“, woraufhin sich K. in der Mittagspause ebenfalls begutachten ließ. Ergebnis des Psychiaters: Für den Jungen wären 18 Monate in einer Psychiatrie angebracht.

Gab es den großen Unbekannten wirklich? Oder wurde für den Eigenbedarf eingekauft? Oder sollte der Großteil weiterverkauft werden? Heute wird der Prozess fortgesetzt.

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