Drogengeschäft im Knast fliegt auf

Von Norbert Heimbeck

Aus dem Gefängnis heraus hat Andreas S. seinen Bruder beauftragt, Heroin und Cannabis zu kaufen. Das Geschäft flog jedoch auf, der Bruder wurde erwischt. Andreas S. stand jetzt wegen Anstiftung vor Gericht.

 
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Über die Gefängnismauer sollte das Drogenpaket geliefert werden, doch das Geschäft flog auf. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Der Beschuldigte ist selbst drogensüchtig und verbüßt zurzeit eine Haftstrafe in der Justizvollzugsanstalt Bayreuth. Am 23. November telefoniert er aus dem Gefängnis heraus mit seinem Bruder Waldemar – mit einem verbotenen Mobiltelefon. Zuerst sprechen die beiden über einen Besuch bei Andreas S., dann geht es um neue Fenster für ein Auto und schließlich fordert der Angeklagte seinen Bruder auf, fünf Gramm „Braunes“ und zehn Gramm „Grünes“ zu besorgen. Richter Torsten Meyer fragt: „Braunes ist Heroin, Grünes Cannabis?“ Andreas S. nickt. In einem weiteren Telefongespräch vereinbaren die Brüder, dass Waldemar und ein Bekannter die Drogen, Spritzen und ein neues Mobiltelefon an einem bestimmten Tag über die Mauern des Gefängnisses werfen sollten. Der Angeklagte wollte auf der anderen Seite auf die Lieferung warten. Was die beiden nicht wissen: Ihr Telefongespräch wird abgehört.

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Mit Drogen-Cocktail ertappt

Der Bruder des Angeklagten und sein Bekannter wurden am Tag der telefonisch vereinbarten Drogenlieferung auf der Autobahn A3 an einer Raststätte angehalten und durchsucht. Sie hatten fast fünf Gramm Heroin, 1,57 Gramm Marihuana, knapp drei Gramm Haschisch und 3,8 Gramm Buprenorphin (ein Schmerzmittel, das als Ersatz für bestimmte Drogen genutzt wird), mehrere Einwegspritzen und ein Mobiltelefon bei sich.

Bei dieser Menge geht das Gesetz nicht mehr von einer „geringen Menge“ aus, sagt Staatsanwalt Stefan Kolb. Er fordert zwei Jahre und drei Monate Haft für den Angeklagten. Der Verteidiger spricht von einem „minderschweren Fall“ und hält eine Haftstrafe von sechs Monaten für angemessen.

Geständnis

Richter Torsten Meyer fragt den Angeklagten, ob die Vorwürfe stimmen. Der nickt, bestätigt alles. Einen Teil der Drogen wollte er für sich selbst verwenden, mit einem Teil wollte er Schulden begleichen.

Nach etwa einer halben Stunde ziehen sich Meyer und die beiden Schöffen zur Urteilsfindung zurück. Schließlich treffen sie eine Entscheidung: Ein Jahr und sechs Monate Haft für Andreas S. In das Urteil fließt eine Vielzahl von Vorstrafen ein, strafmildernd wirkt sich sein Geständnis aus.

Ersatz-Heroin im Bayreuther Knast

Es verstößt gegen Menschenrechte, wenn heroinabhängigen Häftlingen in Bayern Ersatzstoffe wie Methadon verweigert werden. Das hat jüngst der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) entschieden. Die Substituierung von Abhängigen mit Heroinersatzstoff ist Ländersache. Und Gefängnis-Sache: Die Ärzte in den Justizvollzugsanstalten können selbstständig entscheiden, ob sie eine Ersatzdroge ausgeben oder nicht. In der JVA Bayreuth ist das derzeit bei elf Häftlingen der Fall.

Maria-Anna Kerscher ist die stellvertretende Leiterin der Justizvollzugsanstalt Bayreuth. „Wir halten uns ans Gesetz“, und das sieht vor, dass auch in Bayern substituiert werden kann, wenn bestimmte Notwendigkeiten vorliegen. Diese „Notwendigkeiten“ sind dieselben, die für Ärzte gelten, die außerhalb des Strafvollzuges Abhängige substituieren.

Fast ein Drittel ist abhängig

Die Bundesärztekammer sagt, dass es keine gesonderte Richtlinie für die Substitution im Strafvollzug gibt. Aber wenn es um Häftlinge gehe, die vor Haftantritt bereits substituiert worden sind, gelte folgendes: „Bei einem Wechsel in eine Inhaftierung ist die Kontinuität der Behandlung durch die übernehmende Institution sicherzustellen.“ Laut der Gesellschaft für Suchtmedizin sind zurzeit etwa 80.000 Menschen inhaftiert, von ihnen sind 25 bis 30 Prozent abhängig von illegalen Drogen wie Heroin. In Freiheit haben diese Menschen die Chance, mit Ersatzdrogen wie Methadon ein normales Leben ohne Beschaffungsdruck zu führen.

Häftling klagt gegen den Freistaat

In Bundesländern wie Hamburg oder Bremen werden in zunehmendem Maß Häftlinge mit Methadon behandelt. In Bayern hingegen ist das eher die Ausnahme. Deshalb klagte ein Insasse, der in einem bayerischen Gefängnis auf einen kalten Entzug gesetzt wurde. Das EGMR gab ihm Recht: Es sei unmenschlich, einem Inhaftierten einen Ersatzstoff zu verweigern.

In bayerischen Gefängnissen sitzen rund 11.000 Menschen ein. Bis zu 3000 von ihnen sind drogenabhängig. In Bayreuth wurden – Stand Anfang September 2016 – bei 763 Neuzugängen im laufenden Jahr elf Gefangene substituiert. Maria-Anna Kerscher: „Unser Ziel ist die Substanzfreiheit“, die Heroinsucht solle ausgeschlichen werden. Wer substituiert wird, entscheidet der Gefängnis-Arzt.

Erst im Juli gingen etwa 40 Häftlinge in der Würzburger JVA in den Hungerstreik. Viele von ihnen waren drogenabhängig, sie forderten unter anderem ein generelles Methadon-Programm in der JVA. Sie hatten damit keinen Erfolg.