Drei Millionen Liter Gülle laufen aus Biogas-Anlage aus - Großeinsatz Redwitz: Gülle, überall nur Gülle

Von Tim Birkner

Am Mittwoch öffnet sich bei Wartungsarbeiten an einem Gülle-Tank an der Biogasanlage in Redwitz ein Schieber - und lässt sich nicht mehr schließen. Drei Millionen Liter Gülle strömen bis in die späten Abendstunden aus dem Tank in Richtung Bundesstraße 173.

 
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Rund 250 Einsatzkräfte sind in Redwitz vor Ort, als um 18.15 Uhr der Einsatz nach Paragraf 15 des Katastrophenschutzgesetzes heraufgestuft wird – die letzte Stufe vor einem Katastrophenalarm. Bis auf die Kräfte der Polizei untersteht ab diesem Zeitpunkt alles dem Kommando der Einsatzleitung. Kreisbrandrat Timm Vogler koordiniert die gesamten Rettungskräfte.

Dazu gehören neben den Feuerwehren auch die Landwirte aus der Umgebung und private Tank-Unternehmen, die unablässig mit ihren Güllefässern fahren. Die Einsatzleitung versucht, die restliche Gülle aus dem Behälter abzupumpen und in Tanks umliegender Landwirte zwischen zu lagern. Dort sind die Gruben aber überall beinahe voll, weil die Gülle noch nicht ausgebracht werden konnte.

Zwei Regenüberlaufbecken, die derzeit nicht gebraucht werden, wurden daher kurzerhand zum Gülle-Zwischenlager umfunktioniert. In Redwitz können so 400 Kubikmetern gelagert werden, in Schwürbitz 800.

Gleichzeitig müssen die Rettungskräfte versuchen, die bereits ausgelaufene Gülle in den Griff zu bekommen. Mit großen Radladern werden notdürftig zwei Gruben auf den anliegenden Wiesen und Äckern gegraben, damit sich die Gülle darin sammelt. Die erste Welle hatte der Straßengraben der Bundesstraße aufgenommen.

Die anliegenden Kläranlagen wurden informiert, damit sie wissen, was auf sie zu kommt. Das nächste Wasserschutzgebiet beginnt in Horb. „Zum Glück fließt die Gülle in die andere Richtung, sodass das Trinkwasser nicht in Gefahr ist“, sagt Landrat Christian Meißner, der sich selbst am Abend zwei Stunden vor Ort ein Bild der Lage machte.

Mit einem 120-Tonnen-Autokran versucht eine andere Gruppe von Helfern große Sandsäcke ins Innere des Gülle-Behälters zu hieven. Die sogenannten Big-Bags sind größer als normale Sandsäcke. Sie fassen jeweils einen Kubikmeter Sand.

Im ersten Schritt sollen vier solcher Bigbags möglichst nah an dem Leck abgesetzt werden. In der Gülle ist das kein besonders übersichtlicher Job. Wenn es gelingt, den Hauptbehälter abzudichten, dann wird versucht, die ausgelaufene Gülle zurück zu pumpen. Auch die Zwischenlager in Redwitz und Schwürbitz werden dann wieder aufgelöst – und die Gülle wieder zurück nach Redwitz gefahren.

Außerhalb des Beckens stehen die Helfer von Feuerwehr und Technischem Hilfswerk zum Teil bis zu den Ellbogen in der Gülle und bedienen ihre Pumpen. Nur bei voller Leistung kann ab 21 Uhr der Pegel gehalten werden. Bei den gigantischen Mengen rechnen die Helfer damit, bis in den Morgen pumpen zu müssen.

Vor Ort haben die Einsatzkräfte im Laufe des Abends eine eigene Einsatzzentrale eingerichtet. Der Großeinsatz wird auch logistisch eine Herausforderung. Ab etwa 20 Uhr ist klar, dass eine Schicht alleine nicht genügen wird. Also muss für 250 Leute eine Ablösung organisiert werden. Dazu Verpflegung, und auf die Schnelle hundert Handtücher, damit sich die Helfer aus der ersten Reihe duschen können. Dafür steht ihnen das nahegelegene Feuerwehrhaus in Redwitz zur Verfügung.

Das Wasserwirtschaftsamt ist vor Ort und prüft vor Ort, welche Maßnahmen am besten helfen, die Umweltgefahren unter Kontrolle zu bekommen. Auch Landrat Christian Meißner war mit den zuständigen Abteilungsleitern des Landratsamtes und dem Redwitzer Bürgermeister Christian Mrosek am Abend vor Ort, um sich ein eigenes Bild zu machen. „Die Helfer machen da draußen einen Super-Job“, sagt der Landrat, der selbst bei drei Grad auf der Anhöhe stand und fror. „Die Zusammenarbeit und Solidarität ist beeindruckend.“

Wie hoch der Sachschaden ist, lässt sich am Abend noch nicht sagen. Die Biogas-Anlage in Redwitz ist die größte im Landkreis Lichtenfels. Die Polizei Lichtenfels und die Kriminalpolizei Coburg haben die Ermittlungen aufgenommen.

Die Bundesstraße wird zwischen Zettlitzer Kreuzung und dem Abzweig nach Redwitz noch bis tief in die Nacht gesperrt bleiben. „Wir hoffen, dass wir die Straße bis zum Berufsverkehr wieder frei geben können“, sagt Meißner in der Nacht.

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