Es war ein wolkenverhangener Tag Mitte Mai, es regnete. Gerade hatte sich Lars Bender so schwer verletzt, dass er aus dem WM-Team abreisen musste. Die Stimmung in Südtirol war bei vielen getrübt, nicht aber bei Miroslav Klose. Die Mannschaft, sagte er damals, könne das verkraften. Sie sei stark. Nach seinen Zielen ist er auch gefragt worden damals in St. Leonhard. Klose sprach tatsächlich ein bisschen über sich, aber über allem schwebte dieser Satz: „An erster Stelle steht die Mannschaft.“ Fast zwei Monate später, wenige Tage vor dem Finale in Rio de Janeiro gegen Argentinien, klingt seine Variante der Aussage so: „Es zählt nur, dass wir als Mannschaft erfolgreich sind und das Ding in die Höhe recken.“

Das Ding ist der goldene WM-Pokal. Kein aktueller deutscher Nationalspieler war in seiner Karriere näher dran gewesen an diesem Ding. Denn vor zwölf Jahren stand Klose schon einmal in einem WM-Endspiel, damals gab es in Yokohama ein 0:2 gegen Brasilien. „Ich weiß, wie beschissen es sich anfühlt, ein Finale zu verlieren“, sagt Klose, der die Voraussetzungen diesmal aber anders einschätzt. Die Fähigkeiten der 2014-Elf seien größer, sie haben sich über Jahre konstant entwickelt: „Wir sind einfach dran“, sagt Klose.

Damals, im Finale 2002, erzielte Ronaldo beide Treffer, und das ist eine kleine Ironie der Geschichte. Jener Ronaldo, der im Stadion saß, als Klose ihn in diesem jetzt schon zur Legende ausgerufenen Siebenzueinsspiel gegen Brasilien als WM-Rekordschütze entthronte. 16 WM-Treffer hat der Deutsche nun auf seinem Konto, und noch mindestens ein Spiel vor der Brust.

Zwar kokettiert Klose gerne mit seinem Alter und sagt: „Ich kann’s leider noch.“ Aber dass der 36-Jährige 2018 in Russland noch einmal eine WM spielen wird, ist dann doch eher unwahrscheinlich. Auch wenn er als diszipliniert gilt im Training und gleichermaßen im Umgang mit den Sünden des Lebens. Er trinkt selten Alkohol und nur ab und an, so ist es aus dem Umfeld des Campo Bahia zu hören, versteckt er sich hinter einer Palme im Garten und raucht eine Zigarette.

Bei der Weltmeisterschaft 2002 also ist der Stern des Stürmers aufgegangen am damals dunklen deutschen Fußball-Himmel, und dort funkelt er noch heute. Der gelernte Zimmermann wurde ja erst auf dem zweiten Bildungsweg zum Profi, schaffte den Durchbruch in der Bundesliga erst als 22-Jähriger beim 1.FC Kaiserslautern. Der damalige Teamchef Rudi Völler holte den im polnischen Oppeln geborenen Stürmer schließlich in die Nationalelf, und vielleicht ist Völler auch ein wenig das Vorbild heute. Als Völler 1990 mit der deutschen Elf Weltmeister wurde, stürmte er für den AS Rom. Auch Miroslav Klose spielt mittlerweile in Italien, beim Stadtrivalen Lazio Rom. Reporter Francesco Archetti von der „Gazzetta dello Sport“ kennt den Deutschen gut. Klose, so sagt er, habe in Italien einen Ruf als sehr professioneller Spieler mit einer unglaublichen Torgefahr. „Er wird wahnsinnig geschätzt bei uns“, so Archetti. In der Hauptstadt dominiere ganz klar AS, „aber Klose hat Lazio Rom zurück in das Bewusstsein der Menschen geholt. Er ist das Gesicht dieser Mannschaft.“

Diese Weltmeisterschaft ist das siebte große Turnier von Klose. Die Jahre vergingen, vermeintliche Stars kamen und tauchten wieder unter in der Versenkung, aber Klose blieb. Er ist seit über einer Dekade die Konstante in der deutschen Nationalmannschaft, aber als Relikt sollten ihn seine Gegner nicht betrachten. Miroslav Klose ist 36 Jahre alt, er ist nicht mehr Stammspieler im Nationalteam, und dennoch vielleicht so wichtig wie nie. Denn er ist eine Leitfigur, zu der die Jungen aufschauen, und er ist einer, der auch in jedem Training die Spieler anfeuert, der lobt, der aber auch mal kritisiert. „Der Teamgeist ist fantastisch“, sagt Klose, „auf dem Trainingsplatz wird jeder gefordert, jeder muss sich jeden Tag neu beweisen. Aber es herrscht immer auch ein respektvoller Umgang.“ Aber wenn er dann spielt, der alte Klose, dann ist er gefährlich und angriffslustig wie eine Natter.

Miroslav Klose hat 316 Bundesligaspiele (121 Tore) für Lautern, Werder Bremen und Bayern München absolviert, für Lazio Rom, für das er seit 2011 antritt, hat er in 81 Spielen auch schon 34 Mal getroffen. Er hat 136 Länderspiele absolviert und hat in diesem Jahr auch Gerd Müller als deutschen Rekordschützen überholt. 71 Länderspieltore! Miroslav Klose blickt auf eine Karriere voller Rekorde und ist trotzdem ein seltsam leiser Gigant des Fußballs. Sollte er am Sonntag Weltmeister werden in Rio de Janeiro, das hat er dann doch angekündigt, wird es vorbei sein mit der Disziplin: „Dann kann ich für nix garantieren. Dann lass ich kurz alles sacken, und dann kommt das Feierbiest aus mir raus.“

Fussball WM 2014 - Thema - Nordbayerischer Kurier

Die 16 WM-Tore des Miroslav K.

Mit seinem Treffer zum 2:0 beim 7:1-Halbfinalsieg gegen Brasilien hat sich Miroslav Klose am Dienstag in Belo Horizonte zum alleinigen WM-Rekord- torschützen gekrönt. Klose hat nun 16 Tore auf seinem Konto.

Nachfolgend Kloses Treffer bei seinen vier WM-Turnieren:

2002 (5 Tore)

1. bis 3. Tor: Klose trifft beim 8:0 gegen Saudi-Arabien im ersten Gruppenspiel dreimal per Kopf.

4. Tor: Klose erzielt die Führung in Spiel zwei beim 1:1 gegen Irland.

5. Tor: Beim 2:0 gegen Kamerun macht der damals 24-Jährige auch sein fünftes Turniertor mit dem Kopf.

2006 (5 Tore/Torschützenkönig)

6./7. Tor: Klose startet im Eröffnungsspiel in München mit einem Doppelpack beim 4:2 gegen Costa Rica.

8./9. Tor: Zweiter Doppelpack beim 3:0 gegen Ecuador in Berlin.

10. Tor: Im Viertelfinale gegen Argentinien erzielt Klose das 1:1. Deutschland gewinnt im Elfmeterschießen 4:2.

2010 (4 Tore)

11. Tor: Beim 4:0-Auftaktsieg gegen Australien gelingt ihm in seinem 97. Länderspiel in Durban der Treffer zum 2:0.

12. Tor: Der mittlerweile 32-Jährige erzielt das Führungstor beim 4:1 gegen England im Achtelfinale.

13./14. Tor: Beim 4:0 in Kapstadt gegen Argentinien trifft Klose doppelt.

2014 (2+x Tore)

15. Tor: Klose macht beim 2:2 im Gruppenspiel gegen Ghana sein 15. Tor und zieht mit dem WM-Rekordschützen Ronaldo gleich.

16. Tor: Beim 7:1-Triumph im Halbfinale gegen Gastgeber Brasilien trifft Klose im Nachschuss zum 2:0. Es verdrängt damit den Brasilianer Ronaldo vom gemeinsamen ersten Platz - Rekord!