Diesel noch schmutziger als gedacht

Dieselfahrzeuge haben laut Umweltbundesamt zu hohe Stickoxidwerte. Foto: Lino Marcel Mirgeler/dpa Foto: red

Die Luft in vielen deutschen Städten ist zu schmutzig. Neue Daten der obersten Umweltbehörde zeigen, dass Diesel-Autos daran einen noch größeren Anteil haben als bisher gedacht. Die Umweltministerin sieht die Autobrache in der Pflicht.

 
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Wegen überraschend hoher Stickoxid-Werte auch bei modernen Diesel-Autos macht Bundesumweltministerin Barbara Hendricks Druck auf die Autobranche. Die Anbieter sollten ihre Pkw auf eigene Kosten nachrüsten und so die Emissionen um mindestens die Hälfte senken, forderte die SPD-Politikerin am Dienstag in Berlin: «Die Lösungen müssen von den Herstellern kommen.»

Neue Daten des Umweltbundesamts (UBA) zeigen, dass auch neue Euro-6-Diesel auf der Straße im Schnitt sechs Mal so viel gesundheitsschädliche Stickoxide ausstoßen wie erlaubt. Allerdings gelten die Grenzwerte der Euro-Abgasnormen bisher nur für Labortests.

Insgesamt ist der Stickoxid-Ausstoß der deutschen Diesel-Flotte demnach um rund ein Drittel höher als bislang offiziell angenommen. In vielen Städten überschreitet die daraus entstehende Luftverschmutzung regelmäßig die erlaubten Werte, weswegen mehrere EU-Verfahren gegen Deutschland laufen. Der Verkehr ist nicht die einzige, aber in Städten die wichtigste Quelle des Schadstoffs.

Überschreitung der Grenzwerte

«Alle Vorschläge, die ich unterbreitet habe, um den Kommunen Lösungswege an die Hand zu geben, wurden abgelehnt», sagte Hendricks mit Blick auf eine «Blaue Plakette» für relativ saubere Autos. Nun müsse Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) die Industrie stärker in die Pflicht nehmen.

Stickoxide - oft als NOx abgekürzt - können unter anderem den Atemwegen und dem Herz-Kreislauf-System schaden. Ab Herbst werden in der EU schrittweise Abgas-Messungen eingeführt, die den Ausstoß auf der Straße überprüfen, nicht nur im Labor.

Den UBA-Daten zufolge stoßen Diesel, die der strengsten Abgasnorm Euro 6 entsprechen, auf der Straße im Schnitt 507 Milligramm Stickoxide pro Kilometer aus - der Grenzwert fürs Labor liegt bei nur 80 Milligramm. Um den Wert zu ermitteln, wurden laut UBA anders als bisher für betriebswarme Motoren Messungen bei allen in Deutschland typischen Außentemperaturen berücksichtigt. An kühlen Tagen steigt der Stickoxid-Ausstoß demnach stark an, auch wenn der Motor warm ist.

Bei Diesel-Pkw der Normen Euro 5 und Euro 4 sind die Unterschiede zwischen Labor- und Alltagswerten ebenfalls groß. Das wurde einer breiten Öffentlichkeit im Zuge des Abgas-Skandals ab Herbst 2015 bekannt. Einem Bericht der «Süddeutschen Zeitung» (Dienstag) zufolge blockiert die Bundesregierung in der EU weitergehende Reformen der Abgastests und schärfere Sanktionen für Hersteller. Berlin hat den von der EU-Kommission ins Spiel gebrachten Machtzuwachs für Brüssel bei der Zulassung neuer Automodelle von Anfang an skeptisch gesehen.

Gegenseitige Überprüfung der nationalen Zulassungsstellen

Es geht zum Beispiel um die Frage, ob die EU-Behörde auch selbst stichprobenhaft den Abgasausstoß von bereits zugelassenen Modellen erneut überprüfen darf. Die Bundesregierung habe dazu noch keine abgestimmte Position, sagte Hendricks am Dienstag. Das Bundesverkehrsministerium äußerte sich auf Anfrage nicht dazu.

Diplomaten in Brüssel bestätigten, dass Deutschland ebenso wie eine ganze Reihe osteuropäischer Staaten die Reformvorschläge in ihrer aktuellen Form eher ablehnt. Je nach Positionierung anderer größerer EU-Länder könnte eine neutrale oder ablehnende Haltung Berlins Diskussionen über die Reform der Typzulassung aufhalten.

Die Pläne sehen unter anderem eine gegenseitige Überprüfung der nationalen Zulassungsstellen vor, um eine zu große Nähe zur Autoindustrie zu vermeiden. Das lehnt die Bundesregierung laut Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen vom März ab - sie favorisiert eine «unabhängige Qualitätsüberprüfung». Unentschieden war Berlin in der Frage, ob Autobauer, die gegen EU-Regeln verstoßen, Sanktionen von bis zu 30 000 Euro je Fahrzeug fürchten müssen.

dpa

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