Diebestrio wurde gefasst, weil der Bestohlene einen Sender in seinem Audi hatte Geheimtrick gegen drei Autodiebe

Von Manfred Scherer
Zwei Jahre Gefängnisstrafe verhängte das Schöffengericht gegen einen Mann, der in Bayreuth ein Auto klaute, das mit einem GPS-Sender ausgerüstet war. Foto: Arne Dedert, dpa-Archiv Foto: red

Audi, BMW, Mercedes, VW – Luxuskarossen und Transporter: Fahrzeuge „Made in Germany“ sind sehr beliebt bei Dieben. Die meisten der in den vergangenen Jahren in der Region gestohlenen Autos wurden nach Osteuropa verschoben, weiß die Polizei. Professionelle Diebesbanden sind am Werk. In Seulbitz aber gerieten Autodiebe an einen gleichwertigen Gegner.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Der Tatort: Ein idyllisch gelegenes Wohngebiet, zwischen Lohengrintherme und dem Rodersberg. Es ist Freitag, der 29. September vergangenen Jahres, morgens um 3.34 Uhr, als der 42-jährige Roman K. glaubt, einen Coup zu landen. Roman K., so finden Ermittler später heraus, hat ein technisches Gerät dabei, das er an den Bordcomputer des Audi A6, den er ins Visier genommen hat, anschließen kann. Roman K. programmiert den Fahrzeugcomputer auf einen anderen Zündschlüssel um, den er mitgebracht hat. Er startet den Wagen, der noch einen Wert von rund 17 000 Euro hat und verlässt das Wohngebiet.

In etwa zur gleichen Zeit ist ein anderer Pole in Bayreuth unterwegs: Gabriel Dominik S. ist auf der anderen Seite des Rodersbergs, im Stadtteil Laineck am Werk. S. hat ebenfalls einen Audi im Visier: einen sogenannten SUV im Wert von 20 000 Euro. S. nutzt eine technische Spezialausstattung des Q 7 für sich aus: Mit einem Funkwellenverstärker fängt S. das Signal des im Haus liegenden „Keyless go“-Schlüssels auf und trickst so das Auto aus: Das Auto „glaubt“, der „keyless go-Schlüssel“ sei im Fahrzeug, die Türen öffnen sich – der Autodieb S. fährt mit dem Q 7 davon.

Die Fluchtroute wird minutiös nachvollzogen

Bei ihren Ermittlungen rekonstruiert die Bayreuther Kripo die Fluchtroute von K. und S. In Marktredwitz trifft K. sich mit einem dritten Mann, den Polen Wojchech W. W. ist mit seinem eigenen Auto unterwegs, einem roten Renault Megane. Im Bereich des Grenzübergangs Selb/Asch telefoniert W. dann mit dem Dieb des Audi Q 7. Rund 100 Kilometer südöstlich von Asch, in Stare Sedlo in Tschechien, umstellen tschechische Polizeibeamte den roten Renault an einer Tankstelle. Roman K., Dominik S. und Wojchech W. werden festgenommen. Die zwei gestohlenen Autos, die auf dem Gelände geparkt sind, werden beschlagnahmt.

Des Rätsels Lösung für diesen schnellen Fahndungserfolg: Roman K. hatte in Seulbitz ein Auto gestohlen, das mit einem versteckten GPS-Tracker ausgerüstet war. Die Familie des Besitzers hatte sich nach dem Verschwinden des Wagens schnell an die Polizei gewandt, die Bayreuther Ermittler nahmen Kontakt mit tschechischen Behörden auf. Die Route der gestohlenen Autos konnte anhand des GPS-Signals lückenlos verfolgt werden. Bis das Diebestrio Stare Sedlo erreicht hatte, waren tschechische Fahnder schon in Bereitschaft.

Als Angeklagter erzählt einer eine "unglaubwürdige" Geschichte

DNA-Spuren, Fingerabdrücke und Auswertung der Mobiltelefone erbrachten: Alle drei Verdächtigen waren in den gestohlenen Fahrzeugen. Allerdings kamen die Untersuchungen zu spät: Wojchech W. und Dominik S. wurden in Tschechien wieder auf freien Fuß gesetzt, Roman K. aber wurde am 14. November nach Deutschland ausgeliefert.

Der Fall wurde nun vor dem Bayreuther Schöffengericht verhandelt. Hier erzählte K. eine Geschichte, mit der er offensichtlich versuchte vom Vorwurf des schweren Bandendiebstahls wegzukommen. Nein, er habe sich nicht mit Wojchech W. und Dominik S. zusammen getan, um mehrere Autodiebstähle zu begehen. Er habe Wojchech W. zwar gekannt, aber nicht als Kriminellen. W. habe ihn für diesen einen Diebstahl angeheuert, weil er, K., bei W. 9000 Zloty Schulden gehabt habe und diese auf diese Art und Weise hätte „abarbeiten“ können.

Während Staatsanwalt Stefan Hoffmann aufgrund der Tatumstände das bandenmäßige Vorgehen für erwiesen hielt und eine Haftstrafe von drei Jahren und zwei Monaten beantragte, verwies Verteidiger Johannes Driendl auf die Person des Mittäters W. Wojchech W. sei derjenige gewesen, der Roman K. und Dominik S. mit seinem Renault in der Tatnacht nach Bayreuth gebracht habe. W. sei überdies als mutmaßlicher professioneller Autodieb bei den deutschen Behörden bekannt: Die Staatsanwaltschaft in Zwickau führe ein Ermittlungsverfahren in 20 Fällen des Autodiebstahls. Driendl schlussfolgerte: Es sei nicht auszuschließen, dass sich der Profi W. zumindest im Fall von Roman K. eines „blauäugigen“ Helfershelfers bedient habe.

Das Schöffengericht, so zeigte sich bei der Urteilsbegründung, stand vor einem Dilemma: Einerseits sei die Verteidigungseinlassung von Roman K. „sehr unglaubwürdig“, sagte Richter Torsten Meyer. Andererseits könne Roman K. auch nicht widerlegt werden, dass er sich mit W. und S. zu mehr Diebstählen zusammengetan hatte, als eben für jene in der Nacht vom 29. September in Seulbitz und Laineck. Deswegen lautete der Schuldspruch „nur“ auf zwei Fälle des schweren Diebstahls. Zwei Jahre ohne Bewährung brummt das Gericht K. auf.

Tags zuvor hatte das Schöffengericht einen anderen Autodieb verurteilt. Diese Mann war aufgrund ganz anderer Umstände geschnappt worden: Er hatte in Südwestdeutschland einen 170 000 Euro teuren AMG-Mercedes gestohlen und war schon auf halbem Weg nach Osteuropa. Allerdings dachte ein Bayreuther Polizist, der das auffällig laute Auto durch die Stadt fahren hörte: Den könnte man mal kontrollieren. Zweieinhalb Jahre war die Strafe für den Dieb.

Was sie gegen den zunehmenden Autodiebstahl tun können:

Wie professionell und organisiert osteuropäische Banden beim Autodiebstahl vorgehen, deckte die Sonderdienststelle KPI/Z, die Kriminalpolizei für Zentralaufgaben in Bayreuth, nach gut zweijährigen Ermittlungen auf: Im September vergangenen Jahres wurde bei einem gemeinsamen Schlag deutscher und tschechischer Ermittler eine Gruppierung ausgehoben, die mit allen Tricks arbeitete: Die Täter hatten Späher, die die Standorte geeigneter Fahrzeuge – in diesem Fall bundesweit – ausbaldowerten. Diebe wurden mit allerlei technischem Gerät, vom berüchtigten „Polenschlüssel“ oder Ziehfix zum Schlossknacken bis hin zum Diagnosegerät ausgestattet. Andere Täter fuhren Späh- oder Lotsenfahrzeuge. In Tschechien verfügte die Gruppierung über eine Werkstatt und ein Teilelager, in der die gestohlenen Autos zerlegt, umfrisiert oder gefälscht wurden. Nach wie vor läuft der Prozess gegen die Bande am Landgericht in Coburg.

Autodiebstahl nehme zu, sagt Polizeisprecherin Anne Höfer auf Anfrage. In der Region Bayreuth, also im Stadtgebiet, im Landkreis, in den Bereich Kulmbach, Pegnitz und Stadtsteinach, steigen die Zahlen: Im Jahr 2015 wurden 23 Autos gestohlen, im Jahr 2016 waren es schon 35 und im vergangenen Jahr 56. Allein im Stadtgebiet von Bayreuth stiegen die Zahlen von zwölf auf 23 und dann auf 27 an. Die Erfahrungen der Kripo: Etwa ein Viertel der Fälle sind Versuche. Laut Anne Höfer sind Fälle bekannt, wo besonders wertvolle Autos in geschlossene Lastwagen verladen und so außer Landes geschafft werden. Die oberfränkische Polizei hat mit ihrer Fahndungsinspektion in Selb vor allem im grenznahen Gebiet zwichen Hof und Marktredwitz das Thema „Kfz-Verschiebung“ auf der Rechnung, gleichrangig zum Rauschgiftschmuggel.

Und das können Autobesitzer tun, um Dieben die Arbeit zu erschweren:

hochwertige Fahrzeuge am besten in einer abschließbaren Garage oder wenigstens an einer gut beleuchteten und belebten Straße parken.

  • ein Bewegungsmelder mit Licht in einem Carport kann Diebe abschrecken
  • das Lenkradschloss immer einrasten
  • wer ein Auto „keyless go“-System hat , sollte den Schlüssel nie in der Nähe der Haus- oder Wohnungstür ablegen oder das Funksignal durch geeignete Maßnahmen (z. B. Aluminiumhüllen) abschirmen.
  • das Überwinden massiver mechanische Wegfahrsperren im Fahrzeug machen Dieben sehr viel Arbeit.
  • wer beobachtet, wie jemand sein Auto fotografiert, sollte misstrauisch werden
  • ebenso, wenn Personen mit Aktenkoffern sich in der Nähe eines hochwertigen Fahrzeugs aufhalten: In solchen Koffern verstecken sich oft die Funkwellenverstärker.

Bilder