Die Vorschau I: die Abstiegskandidaten

Von Florian Kirchner
Wie man an dieser Szene im Trikot der Frankfurt Skyliners aus dem vergangenen Jahr unschwer erkennen kann, ist der Gothaer Center-Neuzugang Ekene Ibekwe auch ein Mann für spektakuläre Körbe. Foto: Imago Foto: red

Am Freitagabend startet die Basketball-Bundesliga in ihre 52. Saison. Im ersten Teil unserer Saisonvorschau widmen wir uns jenen Teams, die aufgrund deutlich begrenzter finanzieller Möglichkeiten wohl nur ein Ziel vor Augen haben: den Klassenerhalt.

 
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Rockets Gotha: Ex Bayreuther Teil des Konzepts

Zwei Ex-Bayreuther verkörpern die Mischung aus internationalen Routiniers und jungen deutschen Spielern mit Perspektive, mit der Neuling Gotha in der Bundesliga bestehen will. Neben dem 32-jährigen Center Ekene Ibekwe, der in der Saison 2011/12 für den BBC Bayreuth auf dem Parkett stand, darf sich auch der frühere BBC-Jugendspieler David Taylor aufgrund des immensen Gothaer Verletzungspechs einiges an Einsatzzeit ausrechnen.

Der 22-jährige Spielmacher kam vom US-College (University of the Pacific) zu den Thüringern und deutete in der Vorbereitung schon an, sich bei der Mission Klassenerhalt nicht mit der Rolle eines Ergänzungsspielers zufrieden geben zu wollen. Strippenzieher und Vater des Erfolgs bei den Rockets ist Wolfgang Heyder. Der langjährige Macher von Brose Bamberg hat nach einem Ausflug zum Handball-Zweitligisten HSC Coburg wieder zum Basketball zurückgefunden und fungiert seit über einem Jahr in Gotha als Leiter Sport und Geschäftsentwicklung. Mit einer Mischung aus Routiniers wie US-Aufbauspieler Darrel Mitchell sowie jungen, vorwiegend deutschen Spielern mit Entwicklungsperspektive wie den Neuzugängen Andreas Obst (Gießen), Daniel Schmidt (Jena) oder eben David Taylor wollte Heyder das Erstligadebüt der Rockets angehen.

Doch schier unbeschreibliches Verletzungspech machte den Thüringern einen dicken Strich durch die Rechnung. US-Routinier Dane Watts verletzte sich am Knie und wird zu Saisonbeginn genauso fehlen wie die Neuzugänge Johannes Richter (Bonn), Dino Dizdarevic (Baunach), Niklas Wimberg (Oldenburg), Retin Obasohan (Avellino/ITA) und der als Führungsspieler eingeplante serbische Forward Sava Lesic (Mega Leks/SER).

Nachverpflichtungen wurden nötig: Zur Verstärkung an den Brettern verpflichteten die Rockets neben Ibekwe (Chalon/FRA) für zunächst zwei Monate den 26-jährigen serbischen Forward Nemanja Jaramaz. „Wir sind auch weiterhin auf der Suche nach einem Spieler für die große Position. Wir verfallen hier aber nicht in Panik, sondern setzen auf nachhaltige Spieler“, versucht Heyder Ruhe auszustrahlen.

Fazit:Unter dem Eindruck der Verletzungsmisere erscheint der Klassenerhalt schon fast als aussichtsloses Ziel. Weitere Nachverpflichtungen sind erforderlich, wenn Gotha nicht von Anfang an der Musik hinterherlaufen will.

Gießen 46ers: Ein schweres Erbe und ein Paukenschlag

Trainer Denis Wucherer, der sich für einen Wechsel zum ProA-Vertreter Rheinenergie Köln entschieden hatte, hat in Gießen kein leichtes Erbe hinterlassen: Der Ex-Nationalspieler hatte die Hessen zurück in die BBL geführt und war trotz wirtschaftlich begrenzter Möglichkeiten in den beiden zurückliegenden Jahren jeweils nur knapp an den Playoffs vorbeigeschrammt. Seine Nachfolge hat Ingo Freyer angetreten, der in Hagen von 2007 bis zur Insolvenz der Westfalen Ende 2016 unter vergleichbaren Bedingungen ähnlich erfolgreiche Arbeit geleistet hatte. Freyer steht in Gießen vor einem Neuaufbau, lediglich Benjamin Lischka, Marco Völler und der kanadische Guard Jahenns Manigat haben dem Neunten der Vorsaison die Treue gehalten. Nicht zuletzt die Abgänge von Leitwolf Cameron Wells (Varese/ITA) und von Center-Entdeckung Justin Sears (Ludwigsburg) treffen die Hessen schwer.

Unter den fünf neuen Kontingentspielern gehört er zur Kategorie „Paukenschlag“: Centerkoloss John Bryant, zweifacher MVP der BBL, deutscher Meister mit dem FC Bayern 2014 und zuletzt beim AS Monaco unter Vertrag. „Er wird uns mit seiner Qualität taktisch variabler machen“, ist Ingo Freyer überzeugt. Vielversprechend klingt der Werdegang von Dee Davis. Der 24-jährige US-Guard kommt vom slowenischen Vizemeister Rogaska Crystal und war bester Vorbereiter der slowenischen Liga. Ebenfalls für die Aufbau-Positionen eingeplant sind seine beiden Landsleute Max Landis (Aalst/BEL) und Austin Hollins (Karhu/FIN), während Jamar Abrams (SCM CSU Craiova/ROM) für Gefahr von den Flügelpositionen sorgen soll.

Auf den deutschen Positionen kamen mit Center Mahir Agva (Frankfurt) und Spielmacher Mauricio Marin (Tübingen) zwei erfahrene Akteure hinzu.

Fazit:Eine holprige Vorbereitung wird den Gießenern den Start in die neue Saison erschweren. Nicht zuletzt der Transfercoup Bryant stimmt die Hessen aber optimistisch, obgleich ein ähnlich starkes Abschneiden wie in den beiden Jahren zuvor einer Überraschung gleichkäme.

Science City Jena: Mit Routiniers zum Erfolg

Die bevorstehende Saison wird für die Thüringer nicht einfacher werden als die zurückliegende. Damals schnupperten sie zwischenzeitlich sogar an den Playoffs, kamen dann aber doch nur auf Rang 13 ins Ziel. Mit Glücksgriff Marcos Knight (Afyon/TUR) und Routinier Wayne Bernard (Karriereende) gilt es, zwei tragende Säulen zu ersetzen. Die bereits in die Jahre gekommenen US-Routiniers Julius Jenkins (36) und Immanuell McElroy (37) hängen indes noch eine weitere Saison an und bekommen mit Derrick Allen (37), der zuletzt bei Erstligaabsteiger Rasta Vechta unter Vertrag stand, einen weiteren BBL-Routinier zur Seite gestellt.

Die Nachfolge von Knight, der in Jena den Sprung aus der ProA an die Spitze der BBL-Korbschützenliste schaffte, soll Brandon Spearman (Trier) antreten. Neu dazu kamen auch US-Guard Skyler Bowlin von Ligakonkurrent Gießen 46ers, der serbische Spielmacher Radenko Pilcevic (Kosice/SLK), der zwischen 2009 und 2012 beim Mitteldeutschen BC sowie in Gießen bereits Bundesligaerfahrung sammeln konnte, und von Ligakonkurrent Würzburg A2-Nationalspieler Max Ugrai. In der abgelaufenen Saison kam Ugrai in knapp 18 Einsatzminuten auf 4,3 Punkte und 2,5 Rebounds pro Partie.

Urgestein Ermen Reyes-Napoles im Spielaufbau sowie Julius Wolf, Oliver Clay und Oliver Mackeldanz im Frontcourt komplettieren den Kader der Saalestädter.

Fazit: Trainer Björn Harmsen hat eine ausgewogene Mischung aus geballter Erfahrung und jungen Wilden zusammengestellt. Marcos Knight war für Jena die Kirsche auf der Torte, dass sein Nachfolger Brandon Spearman genauso einschlägt, ist unwahrscheinlich. Dennoch wird es für die Thüringer zum Klassenerhalt reichen. Vielleicht aber nicht ganz so rasch wie in der Vorsaison.

Mitteldeutscher BC: Wölfe wollen dauerhaft bleiben

Nach nur einem Jahr Abwesenheit schafften die Wölfe souverän den Wiederaufstieg. Nun steht Trainer Igor Jovovic vor der Herausforderung, den MBC trotz bescheidener wirtschaftlicher Möglichkeiten dauerhaft in der BBL zu etablieren. Der Ruf als Fahrstuhlmannschaft soll durch eine Mischung aus Aufstiegshelden und sinnvollen Verstärkungen abgelegt werden.

 Der serbische Center-Routinier Djordje Pantelic, der bereits zwischen 2012 und 2015 für den MBC spielte und aus Ungarn zurückkehrte, nimmt dabei eine zentrale Rolle ein. Ebenso Marcus Hatten: Er ist für Manager Martin Geisler „der beste Point Guard, der je für den MBC gespielt hat“. Noch ungewiss ist, wann der an Krebs erkrankte Deutsch-Amerikaner Sergio Kerusch zurückkehren kann. Neu dazugekommen sind Rückkehrer Malte Schwarz (BG Göttingen) für den Spielaufbau, A2-Nationalspieler Till Gloger (Paderborn) für den Frontcourt, US-Power Forward Kruize Pinkins, der in der ProA bei Hanau mit durchschnittlich 17,9 Punkten und 9,1 Rebounds für Furore sorgte, sowie die beiden US-Amerikaner Jordan Sibert (Thessaloniki/GRE) und Lamont Jones (KK Mornar Bar/MON) im Backcourt. Große Hoffnungen setzt man auch auf den 24-jährigen Serben Djordje Drenovac (MZT Skopje/MAZ), der auf Position vier eingeplant ist. „Er ist ein Spieler, der sich normalerweise aufgrund seiner Klasse keinem kleinen Club wie uns anschließt“, erklärt Geißler stolz.

Fazit:Der Verlust von Topscorer Andrew Warren (Ibaraki/JAP) sowie die Verletzungsausfälle von Malte Schwarz und Sergio Kerusch treffen den MBC. Die Wölfe haben sich aber auf allen Positionen sinnvoll verstärkt. Der Klassenerhalt erscheint als realistisches Ziel. Bis es soweit ist, kann es aber April werden.

Basketball Löwen Braunschweig: Königstransfer Scott Eatherton

Nahezu alle Leistungsträger haben die Löwen verlassen, allen voran die beiden herausragenden Nordamerikaner Geoffrey Groselle (Bremerhaven) und Dyshawn Pierre (Sassari/ITA). Übrig blieben somit nur der österreichische Nationalspielmacher Thomas Klepeisz, Flügelspieler Tim Schwartz sowie die jungen Luis Fiegge, Lars Lagerpusch, Constantin Ebert und Tom Alte.

Spielmacher Bazoumana Koné, der in der Vorsaison weder in Ludwigsburg noch in Gießen richtig Fuß fassen konnte, verstärkt die Niedersachsen auf den deutschen Positionen. Zudem kamen fünf neue Kontingentspieler dazu. Spielmacher Zygimantas Janavicius spielte zuletzt für den litauischen Vizemeister Lietkabelis Panevezys. Nach Herten (ProB) und Hamburg (ProA) will sich Shooting Guard DeAndre Lansdowne jetzt auch in der BBL beweisen. „Athletisch, wurfstark und variabel einsetzbar“, beschreibt Trainer Frank Menz seinen neuen Forward Jarekious Bradley. Der US-Amerikaner brillierte in den finnischen Playoffs mit durchschnittlich 17,3 Punkten, 6,1 Rebounds. Power Forward Anthony Morse spielte zuletzt für den ungarischen Erstligisten Atomeromu. Der Königstransfer sollte den Niedersachsen mit Center Scott Eatherton von BG Göttingen gelungen sein. Der 2,03 Meter große US-Amerikaner war mit 11,9 Punkten zweitbester Korbjäger seines Teams und mit 7,1 Korbabprallern drittbester Rebounder der BBL.

Fazit:Mit seinen sechs Ausländern sollte Braunschweig in der unteren Tabellenhälfte konkurrenzfähig sein. Die Abgänge auf den deutschen Positionen schmerzen. Wichtig: Bei Koné muss jetzt der Knoten platzen. Der Klassenerhalt erscheint nicht weniger realistisch als der Abstieg.

Eisbären Bremerhaven: Ungewohnte Kontinuität als Stärke

Der vorzeitig perfekt gemachte Klassenerhalt hat dem Zwölften der Vorsaison Planungssicherheit verschafft. Die Folge: Sechs Spieler blieben. So groß war die Kontinuität bei den Eisbären schon lange nicht mehr. Spielmacher Jordan Hulls und sein US-Landsmann Ivan Elliott, Eigengewächs Andre Breitlauch und Combo Guard Lars Wendt sowie die beiden A2-Nationalspieler Fabian Bleck und David Brembly bilden das Korsett des neuen Teams.

Mehrere Neue und Rückkehrer Dominique Johnson, der bereits in der Spielzeit 2011/12 zum Profikader der Eisbären gehörte und zuletzt bei BBL-Aufsteiger Weißenfels unter Vertrag stand, kamen dazu. Aus dem Nachwuchs von Alba Berlin stammt der 20-jährige Spielmacher Jannes Hundt. Für Gefahr von den Außenpositionen soll Johnny Berhanemeskel sorgen. Der kanadische Distanzschütze kommt von Saenz Horeca Araberri und war dort mit durchschnittlich knapp 19 Punkten zweitbester Werfer der zweiten spanischen Liga.

Die beiden US-Hünen Geoffrey Groselle (213 cm) und Carl Baptiste (208 cm) sowie der Deutsch-Schweizer Michael Kessens (206 cm) sollen die Bretter dominieren. Groselle überzeugte in der Vorsaison in Braunschweig mit durchschnittlich knapp elf Punkten sowie über sechs Rebounds und 1,2 Blocks. Baptiste war mit 13,8 Punkten und 6,6 Rebounds bei den Kapfenberg Bulls maßgeblich am Gewinn der österreichischen Landesmeisterschaft beteiligt.

Fazit: Die Kontinuität scheint den Seestädtern gut zu tun, wie eine starke Vorbereitung zeigt. Das Team wirkt gut ausbalanciert und sollte nicht in ernsthafte Abstiegsnöte geraten.

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