Sie ist längst zu einer echten fränkischen Institution geworden. Angesprochen, wie sie sich im Alter von 90 Jahren fühlt, kommt spontan die Antwort „eigentlich ganz gut“ und dann folgt eine typische Rettl-Anmerkung „das Tanzen geht a weng schwer“.
Vor fünf Jahren, so ihre Erzählung, hat sie sich vorgenommen „sich durch nichts aus der Ruhe zu bringen“. Das klappt, so Annemarie Leutzsch, die betont, „dass es gesundheitlich einigermaßen läuft“.
Aktivitäten zurückgeschraubt
Die früheren Aktivitäten hat sie in den letzten Jahren um einiges zurückgeschraubt, so die Jubilarin, die sich freut, dass ihre drei Kinder mit ihren Familien mit ihr feiern werden. Tochter Kristin ist aus ihrer Heimat Australien und Sohn Martin aus Paderborn angereist, während ihr Sohn Michael im Ruckriegelhof mit seiner Familie wohnt.
Für ihr Engagement und ihr Lebenswerk hat Annemarie Leutzsch bereits viele Auszeichnungen erhalten. So den Kulturpreis des Landkreises Bayreuth 1992. Eine besondere Ehre war für sie die Verleihung des „Frankenwürfels“ 1993, weil, wie sie einmal betonte, dieser seltener verliehen wird, als das Bundesverdienstkreuz, das sie am Bande 1987 erhielt.
Säen als Schlüsselerlebnis
Eigentlich wollte Annemarie Leutzsch studieren und Lehrerin werden. Der Vater war schließlich Oberstudiendirektor in Bayreuth. Die Mutter aber stammte vom großen Ruckriegelhof (seit 1437) in Pittersdorf, den die Großmutter bestellte.
In der Obhut der Oma, die die Enkelin noch mit „Ihr“ angeredet hat, lernte sie all die Dinge, die was wert sind, die alten Sitten und Bräuche, die den Menschen innere Sicherheit geben, den Lebensrhythmus nach der Ordnung des Jahresablaufs. Als das Mädchen Annemarie zum ersten Mal mit eigenen Händen gesät hatte – „das war ein einschneidendes Erlebnis“- meldete sie sich freiwillig von der Schule ab, absolvierte eine landwirtschaftliche Lehre.
Eine selbständige Bäuerin wurde sie dennoch nicht. Weil Rudolf kam, ihr Mann im wirklichen Leben, der vor 13 Jahren starb. Denn in ihren Geschichten aus dem Hummelgau, in denen sie in den 60er Jahren in der "Fränkischen Presse" mit den Lesern „aweng geplaudert hat und ihnan vo us dahaam erzählte“, hat sie den Namen „Gerch“ erfunden.
Bayerischer Dialektpreis
Diese Mundart-Glossen haben sie erstmals weithin bekannt gemacht. 1962 zog die Familie, ihrer drei Kinder wegen, wieder zurück aufs Land, auf den Ruckriegelhof, der in der Folge eine hoch angesehene volkskundliche Sammlung beherbergte, die Hummelstube.
Nach der Verleihung des Bayerischen Verdienstordens vor drei Jahren erhielt Annemarie Leutzsch im März 2017 in der Münchner Residenz durch Heimatminister Markus Söder und Kultusminister Ludwig Spaenle den zum ersten Mal vergebenen Bayerischen Dialektpreis als einzige aus Oberfranken.