Mit vier Jahren kam dann zur Epilepsie eine weitere Diagnose: Autismus. „Für uns war es erleichternd“, sagt Elisabeths Mutter. Schon im Vorfeld hatte das Ehepaar Bücher gewälzt und viele Vergleichspunkte zu ihrer Tochter gefunden. Ab da tauchten viele Leute im Leben der Familie auf, die Elisabeth helfen konnten: Wie der Integrative Kindergarten, da ein Besuch im Regelkindergarten in Bad Berneck nicht möglich war und jetzt auch die Markgrafenschule in Bayreuth.
Inzwischen ist Alltag mit Elisabeth ruhiger geworfen. „Früher hat sie nur geschrien. Es war die Hölle, weil wir raten mussten, wo das Problem liegt“, erinnert sich die berufstätige Mutter. Oft hat sich Elisabeth auch unterwegs einfach auf den Boden geschmissen. „Wenn wir spazieren waren im Wald und da war Pfütze, hat sich rein geschmissen, wenn sie nicht mehr mochte“, erzählt Corinna Lindner.
Durch Elisabeths Therapien haben ihre Eltern gelernt, wie wichtig es für ihre Tochter ist, einen strukturierten Alltag zu haben. „Aufstehen ist um 6 Uhr, weil sie um 7 Uhr fertig sein muss. Dann fahren wir eine halbe Stunde nach Bayreuth in die Schule“, rattert die Mutter den immer gleichen Tagesablauf runter. „Elisabeth übt noch fleißig, sich selbst anzuziehen, die Socken klappen noch nicht immer, aber es wird immer besser.“
Vormittags besucht sie die Markgrafen-Schule, wenn es ihr gut geht und die Schulbegleiterin nicht anruft und Elisabeth abgeholt werden muss. „Ich hole sie oft von der Schule früher ab, weil sie Kopfschmerzen hat, oder ihr schlecht ist“, erzählt Corinna Lindner. Nach der Schule holt sie ihre Tochter, die beiden essen daheim und machen Hausaufgaben. Beinahe täglich hat Elisabeth eine Therapie: Autismusambulanz, Ergotherapie oder Psychotherapie. Zum Ausgleich spielt sie Klavier und Flöte. Mit den verschiedenen Therapeuten hat sich die Mutter kleine Rettungsinseln aufgebaut, an denen sie Hilfe findet, wenn es Elisabeth schlecht geht.
Während Elisabeth in der Schule ist, putzt ihre Mutter das Haus und bereitet das Mittagessen vor. „Ich koche alles selbst, weil Elisabeth sehr viele Lebensmittelallergien hat“, erklärt sie. So backt sie Kuchen ohne Eier, Mehl oder Milch. „Ich lese viel im Internet darüber und staune immer wieder, was alles geht“, erzählt Corinna Lindner. Auch muss sie oft bei Behörden für ihre behinderte Tochter eintreten.
„Wenn Elisabeth außer Haus ist, habe ich ein komplettes Programm – wir bekommen nichts geschenkt“, weiß sie. Immer wieder muss sie Fremden gegenüber beweisen, wie krank ihre Tochter ist, um Selbstverständlichkeiten wie einen Rollstuhl oder angemessene Therapien gezahlt zu bekommen. „Es wird immer schlimmer“, sagt sie resigniert. Solche Kämpfe kosten sie die meiste Kraft.
Von 17 bis 22 Uhr geht die junge Mutter dann noch selbst arbeiten. „Ich will damit nicht aufhören, denn wenn ich abends Elisabeth nicht an meinen Mann abgeben kann, habe ich kein eigenes Leben mehr“, sagt sie.
Raum für Freunde oder Freizeit ist da kaum einer. Früher war das Ehepaar mit ihrem älteren Sohn Maximilian oft Rad fahren, wandern oder in Therme. Doch mit Elisabeths Krankheiten teilte sich die Familie: Während Vater Klaus mit dem heute 18-jährigen Maximilian etwas unternahm, blieben Corinna und Elisabeth zu Hause. „Mit dem Autismus zeigte sich auch, wer unsere wahren Freunde sind“, erklärt die Mutter. Nur wenige sind übriggeblieben, denn viele konnten nicht mit Elisabeths Erkrankung umgehen. „Im Nachhinein kommt man aber damit besser klar, wenn man wenige aber dafür gute Freunde hat“, meint Corinna Lindner.
Anfang Mai fuhr Familie Lindner gemeinsam mit Elisabeth nach Spanien. Sie hatten die Zusage erhalten, dass ihre Tochter an einer Delfintherapie teilnehmen könne. Sechs Tage lang durfte die Elfjährige mit den Delfinen schwimmen. „Die ersten zehn Minuten hat sie den Delfin berühren und anschauen dürfen und hat zum Beispiel auch erfahren, dass ein Delfin 88 Zähne hat“, erzählt ihre Mutter.
„Für Elisabeth war es ein ganz tolles Erlebnis“, erinnert sich die Mutter. Das Mädchen, das sonst kaum lacht, grinst unentwegt in die Kamera. „So glücklich habe ich meine Tochter noch nie erlebt“, erzählt die Mutter. An schlechten Tagen zehren sie heute noch an die Erinnerung des Spanienurlaubs.
Ein eigenständiges Leben wird für die Elfjährige wohl nie möglich sein. Ihre Mutter wünscht sich für sie deshalb eine betreute Wohngemeinschaft, damit im Notfall immer jemand da ist, um dem Mädchen schnell helfen zu können.