Vor wenigen Jahren wurde über Politikverdrossenheit gejammert, heute klagt man über Pegida. Damals wie jetzt fehlt es der Politik (aber auch den Medien) an Rezepten für den richtigen Umgang mit jenen Bürgern unseres Staates, denen ihre Welt zu kompliziert geworden ist, zu ungerecht, zu kalt. Pegida zeigt damit auch, dass viele Menschen statt der Vielfalt in einer Demokratie (im Guten wie im Schlechten) eher die einfachen Lösungen bevorzugen würden.

Landauf, landab wird darüber gestritten, wie wir mit Pegida umgehen sollen. Diskutieren oder ignorieren? Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick will seinen Katholiken gar verbieten, an Pegida-Demonstrationen teilzunehmen. Alles schön und gut, es wird aber an den Ängsten und an der Wut der Protestierer nichts ändern.

Den Pegida-Forderungen in irgendeiner Form entgegenzukommen, ist unmöglich. Dies setzte nicht nur die humanitären Errungenschaften unser freiheitlich-liberalen Gesellschaft aufs Spiel, was würden wir dabei gewinnen? Deutschland ist aus der globalisierten Welt nicht herauszulösen.

Menschenrechte sind unteilbar, sie gelten also nicht nur für Deutsche, sondern für alle Menschen. Schon an dieser fundamentalen Erkenntnis scheitert Pegida. Siehe Religionsfreiheit. Es ist nicht nur menschenverachtend, sondern schlicht falsch, Moslems und Islamisten gleichzusetzen. Die einen leben friedlich ihren Glauben, die anderen missbrauchen dessen Namen und begehen Verbrechen. Dagegen vorzugehen, ist Aufgabe der Ermittlungsbehörden und der Justiz, aber nicht Sache der Straße.

All den Vorurteilen muss die aufgeklärte Mehrheit der Gesellschaft entschieden entgegentreten, mit Argumenten und im Zweifelsfall auch auf der Straße. Pegida repräsentiert nur einen kleinen Teil der Gesellschaft, das müssen wir immer wieder deutlich machen.

Dass laut einer EU-Umfrage 37 Prozent der Deutschen Zuwanderung als größtes Problem ansehen, ist traurig. Obwohl längst bekannt ist, dass Zuwanderer die Sozialkassen mit Milliarden füllen und sie nicht ausplündern, müssen Migranten als Sündenböcke herhalten für das wachsende Gerechtigkeitsproblem in unserem Land. Hier liegt das Problem, auf dem Pegida aufbaut, es geht um das Auseinanderdriften der Gesellschaft. Die Politik muss versuchen, einen Ausgleich zu schaffen, damit das Unbehagen der Wutbürger sinkt und sie sich in unserer Demokratie angenommen fühlen.


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