Die Artistin Alexandra Saabel (26) vom Circus Roncalli beherrscht ihren Körper und die Nähnadel Sie näht die Haut fürs Schlangenmädchen

Von Katharina Wojczenko

Alexandra Saabel ist das Schlangenmädchen, das sich im Zirkus Roncalli nach hinten biegt, bis es mit den Händen den Boden berührt und zwischen seinen eigenen Beinen durchschaut. Sie reitet die Hohe Schule, dirigiert Huskys durch die Manege, assistiert ihrem Freund, dem Zauberer Jimmy Saylon. Und sie schneidert Kostüme, die in der Zirkuswelt begehrt sind.

 
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„Ich weiß, was Artisten brauchen, weil ich selbst Artistin bin“, sagt Saabel. Das Material muss mehrere Auftritte am Tag, Schweiß und Bewegung aushalten, Künstler mit Handstandnummern brauchen freie Hände. Die Artisten müssen in kürzester Zeit ins Kostüm hineinschlüpfen können. Saabel schafft Unikate, kleine Kunstwerke. Handwäsche, versteht sich. Ihre Stoffe bezieht sie aus Paris und Budapest, die Stofffarben aus Amerika.

Zwei bis drei Wochen näht sie an einem einzigen Kostüm. Allein das Material kostet zwischen 300 und 400 Euro. Für ihr aufwändigstes, über und über mit Pfauenfedern bestickt, brauchte sie sogar zwei Monate. Das schwerste, für den Tierlehrer Marek Jama vom Zirkus Charles Knie, wog sicher zehn Kilo, denn der Umhang war mit Strasssteinen übersät.

"Mach uns was mit Bananen"

Die Kollegen rufen sie an, schildern die Nummer, für die sie ihr Kostüm brauchen, mailen ein Video. Oder Roncalli meldet sich bei ihr und sagt: „Mach uns was mit Bananen für unser Ballett.“ Dann sitzt sie vor zwei Kisten Plastikbananen aus China und überlegt, wie sie die Damen in kleine Josephine Bakers verwandelt.

„Ein bisschen nackig“ ist im Zirkuszelt angesagt. Ihre Großmutter sorgte noch mit einer Luftnummer im bauchfreien Kostüm für einen Skandal. Ihre Mutter trat in jungen Jahren ganz nackig auf, erzählt Saabel, was normal war. Mit einem Hauch von Höschen und Glitzerapplikationen auf die Brüste geklebt. Stützeffekt gleich Null.

Ein Nichts, aber nicht nackt

Das ist heute passé. Die meiste Haut, die man in der Manege sieht, ist in Wirklichkeit hautfarbener Stoff, sagt Saabel. Wie das Nichts, das sie trägt, wenn sie und ihre Schwester Kelly sich verbiegen. Kontorsion heißt diese Kunst. Mit Neonlinien auf dem zarten Stoff, die ihre Bewegungen in der Dunkelheit akzentuieren.

Alexandra Saabels Familie hat seit vier Generationen den Zirkus im Blut. Der Opa mütterlicherseits hatte in Italien einen Zirkus, ihr Opa väterlicherseits einen in Deutschland. Zurzeit hat Roncalli Alexandra Saabel und ihre Familie engagiert. Mit 13 Jahren trat Alexandra Saabel das erste Mal in der Manege auf. Mit einem kleinen Tanz. „Ich war von den hohen Absätzen überfordert und bin geschwankt“, sagt sie und lacht.

Zirkuskindheit: 200 Schulen - und später Abitur per Fernstudium

Mit 14 hatte sie ihre erste eigene Hundenummer. Mit 16 Jahren sah sie in einem Zirkus ein Kostüm, das sie nicht losließ. Das ganz anders war als die „akademischen“, schlichten Kostüme, die sie bisher gekauft hatte, die wie ein schickerer Badeanzug aussahen. So etwas wollte sie auch tragen.

In ihrer Kindheit hat Saabel in Italien mehr als 200 Schulen besucht. Sie liebt das Zirkusleben. Mit der Familie umherzuziehen, immer wieder Artistenfreunde zu treffen. „Ich sehe die ganze Welt“, sagt sie, „wer wohnt schon 200 Meter vom Eiffelturm entfernt?“ Wo immer sie ist, schaut sie sich um. Geht mit ihren Schwestern auf den Bayreuther Weihnachtsmarkt und zum Geburtstagseinkaufsbummel in die Stadt. Mit der Kontorsion wird spätestens mit 40 Jahren Schluss sein. „Kostüme kann ich mein ganzes Leben lang machen.“

Info: Der Circus Roncalli gastiert bis einschließlich Sonntag, 13. Dezember, am Bayreuther Volksfestplatz. Vorstellungen: Samstag um 15.30 Uhr und 19.30 Uhr, Sonntag 14 und 18 Uhr. Mit der Kurier-Card gibt’s beim Kartenkauf in der Kurier-Geschäftsstelle (Samstag bis 12 Uhr geöffnet) 20 Prozent Rabatt.

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