Wie bereiten sich die Kulturfreunde auf die Stadthallen-Pause vor? Interview mit dem neuen alten Vorsitzenden Angst vor Pleite: „Dann sind wir am Ende“

"Spitz auf Knopf": Wilfried Laudel und sein Horst-Werner Nitt. Foto:Archiv/Lammel Foto: red

Der Neue ist der Alte: Wilfried Laudel ist erneut Vorsitzender der Kulturfreunde (wir berichteten). Mit dem Chef des wichtigsten Veranstalters in Bayreuth sprach der Kurier über Nachwuchssorgen, über Freundschaft und über die Möglichkeit, die Stadthalle zu ersetzen, die ab 2015 für mindestens zwei Jahre geschlossen wird.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Warum übernehmen Sie nochmals das Ruder?

Wilfried Laudel: Es war notwendig, weil Herr Nitt es nicht mehr machen wollte. Weil die Probleme immer größer werden, weil er schon im Normalbetrieb in Schwierigkeiten gekommen wäre. Da ich nie ganz aufgehört hatte, sondern unterstützend dabei war, sah ich mich vor die Entscheidung gestellt, ob wir aufhören oder ich weiter mache.

Klingt nach spitz auf Knopf...

Laudel: Das ist auch so. Es wird so nicht wahrgenommen, aber wir machen eine Dienstleistung für die Stadt, und das seit 65 Jahren. In den ersten Jahren war da noch Aufbruchsstimmung. Aber seit Anfang der 80-er Jahre lief das immer stärker in festen Bahnen. Der damalige Oberbürgermeister Wild hat es auch so gesehen: Wenn ihr das macht, kommt uns das billiger als wenn das Stadt macht.

Sie haben es gerade angesprochen: Es gibt mehrere Probleme. Welche sind die drängendsten?

Laudel: Das Hauptproblem ist, dass wir keine richtige Ersatzspielstätte für die Zeit haben, da die Stadthalle geschlossen sein wird. Wir haben hauptsächlich von Symphoniekonzerten gelebt. Aber die sind auch die teuersten Veranstaltungen. Dafür brauchen wir eine gewisse Zuschauerzahl, selbst wenn die Stadt ihren Beitrag gibt. Ein solcher Saal ist im Moment nicht verfügbar. Das Zentrum oder das Gemeindehaus bieten nur 400, 500 Plätze, und auch die Bühnen sind zu klein. Entladen geht auch nicht richtig. Es stimmt schon, dass wir im Gemeindehaus angefangen haben. Da kamen auch die Bamberger, aber das war eine andere Zeit, das kann man heute so nicht mehr machen. Man hatte auch mal gesagt, dass man nicht mit der Sanierung der Stadthalle anfängt, bevor die Renovierung des markgräflichen Opernhauses abgeschlossen ist. Aber das soll ja ohnehin nicht bespielbar sein, weil es zur Hauptsaison geschlossen sein wird.

Aber das ist doch noch gar nicht gesagt.

Laudel: Aber das ist unser Stand der Dinge. Warum so viel Geld in ein Haus steckt, das mal ein Theater war und nicht mehr wirklich als Theater nutzbar ist, wird uns nicht gesagt. Die Stadt äußert sich gar nicht dazu. Ich habe auch nicht den Eindruck, dass sich Stadt um das Opernhaus als Spielstätte in der Winterzeit bemüht. Man lässt es so wie von der Schlösserverwaltung gewünscht. Und die richten sich nach dem Denkmalschutz.

Der im übrigen auch ein Wort bei der Stadthalle mitspricht. Wie zufrieden sind Sie mit den Planungen?

Laudel: Vom Akustischen her begrüße ich das, dass kaum etwas verändert werden darf. Es gibt viele, die von der schlechten Akustik der Stadthalle reden. Das kann ich persönlich nicht nachvollziehen. Die ganzen Reaktionen der Ensembles, vor allem der kammermusikalischen, waren gut. Die waren von dem Haus und der Akustik begeistert. Sprechtheater – gut, da gibt es Probleme. Aber wenn ich Leute höre, die sagen, sie hätten nichts gehört oder doppelt oder was auch immer, dann muss ich sagen, es gibt keine Halle, wo es keine schlechten Plätze gibt. Die modernen haben weniger solche Plätze, aber sonst? Und wenn man zu dicht dran sitzt am Orchester, hat man überall Probleme. Wer sitzt denn auch vorne?

Anfänger?

Laudel (lacht): Na gut, es sind auch Dienstplätze der Stadt. Na, jedenfalls: Sie werden es nie so hinbringen, dass es optimal ist, nicht in den ersten sechs, sieben Reihen.

Und die Atmosphäre?

Laudel: Wie soll die sein?

Wirkt bei Neonlicht ein bisschen wie die Halle von Sachsenring Zwickau...

Laudel: Das ist so, wie man es in den 60er Jahren geliebt hat. Wenn Herr Schmidt-Steingraeber die Holzvertäfelung als „Sperrholz“ betitelt, dann ist das seine persönliche Meinung. Das ist gutes Holz, und die Vertäfelung trägt zur guten Akustik bei. Gut, die Kassettendecke und das Licht, daran kann man was verbessern.

Ein großes Problem Ihres Vereins ist der Mangel an jungen Mitgliedern.

Laudel: Zeigen Sie mir mal ein Beispiel, wo die Konzertgemeinde jünger ist. Das ist ein deutschlandweites Problem, ein Problem der Gesellschaft. Wer hat denn unter normalen Bedingungen noch die Möglichkeit, sich zu einem Konzert aufzuraffen? Da stehen die Leute beispielsweise bis acht im Laden – nun, dann kann man nicht mehr in ein Konzert gehen. Die zunehmende Berufstätigkeit der Frauen kommt hinzu, die sind danach auch platt und können den Mann nicht mehr motivieren. Die Schulpädagogik ist auch nicht mehr angetan, dass man dem Musischen den richtigen Rahmen gibt. Was mich wundert: Die Leute wollen Events haben. Da sitzt man dann im Freien an einem See, man hört alles über Lautsprecher, sieht die Leute aus riesiger Entfernung. Wenn man dagegen die Chance hat, in ein Konzert zu gehen, dann heißt es, nun, ich weiß auch nicht. Diese Eventkultur nimmt einen komischen Verlauf. Das ist schon ein bisschen wie beim Fußball.

Sind Vereine wie die Kulturfreunde Auslaufmodelle?

Laudel: Ich weiß es nicht, es kann niemand in die Zukunft schauen. Es kann ja auch eine Trendwende passieren. In asiatischen Ländern erleben wir gerade einen Boom. China, Japan, Korea – nirgendwo werden so viele Klaviere verkauft. Hier ist es genau umgekehrt. Auf der anderen Seite haben wir das Paradoxon, dass bei den Künstlern die Leistung viel höher ist als früher. Wir sehen 18-Jährige, die schon fertig sind. Aber unter ihren Altersgenossen finden sie kein Publikum.

Die Bamberger Symphoniker haben versprochen, dass sie ihre Freunde in Bayreuth während des Umbaus der Stadthalle nicht hängenlassen. Fühlen Sie sich vergleichbar auch von der Stadt unterstützt?

Laudel: Zu den Bambergern, besonders zu Christian Schmölder (Vize-Intendant, Anm. der Red.) pflegen wir eine lange, freundschaftliche Beziehung. Er ist Lübecker, ich Hamburger, das passt auch vom Temperament her. Von der Stadt dagegen fühlen wir uns mehr und mehr verlassen. Die Stadt sieht den Verein als ein Ding, das Geld kostet. Sie versteht nicht, was dieser Verein für diese Stadt leistet. Diese Stadt behauptet. Musikstadt zu sein. Wenn man genau hinguckt, kann man sagen, dass sie selbst wenig dafür getan hat. Ich bin der Meinung, wenn man alles zusammenführen will, braucht man jemanden, der sich genau auskennt, wie das hier läuft. Und wie man Marketinganstrengungen koordiniert. Sehen Sie, man muss auch in die Fläche gehen, weil die Stadt allein kaum das Potenzial hat, die Ssäle mit Publikum zu füllen. Da passiert in Oberfranken zu wenig, es wird auf klein klein gemacht, aber nicht gebündelt. Das kostet Geld und Zeit. Wenn aber ein Kulturreferent nebenbei andere Felder zu bearbeiten hat, dann kann das nicht wirklich funktionieren. Von der Stadt aus muss man überlegen, was dieser Mann können muss, was man von ihm erwartet, welche Kontakte er haben muss, welchen Einfluss er bekommt, über welche Mittel er verfügen darf. Aber ich glaube, da stehen wir in Bayreuth nicht allein.

Nun kommen auf Sie mindestens zwei Jahre ohne Stadthalle zu...

Laudel: Das möchte ich hinterfragen. Wenn Sie sich die Ausschreibung der Architekten anschauen, dann kommt das Große Haus erst im Dritten Abschnitt dran. Dann ist es ja vielleicht noch möglich, ein halbes Jahr lang länger drin zu bleiben.

Stück für Stück? Das könnte technisch wie organisatorisch schwierig werden.

Laudel: Haben wir auch schon gehört. Aber schwierig wird es auch für uns, mit der Suche nach Ersatzspielstätten. Sehen sich nur das Problem mit Parkplätzen an. Etwa am Zentrum – da finden Sie nicht genügend Parkplätze. Unsere Zuhörer sind nicht mehr alle gut zu Fuß.

Wird Ihnen Angst und Bange?

Laudel: Entweder man findet Lösungen, und diese Lösungen müssen von den Mitgliedern mitgetragen werden. Oder man findet keine Lösung, dann ist es aus und wir sind finanziell am Ende. Ich hatte immer gehofft, dass wir ein Zelt oder eine Halle bekommen. Wenn die Oberbürgermeisterin sagt, man habe kein Geld, dann kann man eigentlich auch nicht die Stadthalle renovieren. Wir reden von fünf, sechs Prozent der Bausumme. Wenn es daran scheitert, kann man so ein Projekt nicht stemmen. Glauben Sie, dass eine Firma einen Umbau startet, wenn sie auch nur einen Tag die Produktion aussetzen muss? Die Stadt sagt einfach: Zack, zu, und dann irgendwann machen wir wieder weiter. Doch dann sind nicht nur wir pleite, sondern auch andere. Und die Zuschauer sagen, jetzt haben wir uns schon mal daran gewöhnt, woanders hinzugehen, dann bleiben wir auch da. Das Theater Hof ist genau so blöd dran. Die sind auch vor den Kopf gestoßen. Alle, die damit betraut sind, sagen, dass man das so nicht machen kann. Nur im Stadtrat macht man sich keine Gedanken. Das ist naiv.

Das Gespräch führte Michael Weiser

INFO: Die neue Saison, die letzte vor dem Umbau der Stadthalle, beginnt am Samstag, 20. September, mit der Robert Schumann-Philharmonie Chemnitz, unter der Leitung von Frank Beermann und mit der Sopranistin Julia Bauer. Gespielt wird die 3. Symphonie von Schubert, dazu Werke von Beethoven und Mozart.

Autor