Tebartz-van Elst – ein sündiger Bischof?
Thomas Weißer: Schlecht und falsch zu handeln gehört – leider – zum Menschen dazu. Insofern ist jeder Mensch „Sünder“, auch ein Bischof. Ganz konkret ist nach allem, was bisher bekannt geworden ist, der Bischof von Limburg nicht angemessen mit seinem Amt umgegangen. Dafür muss er Verantwortung tragen.

Was soll er jetzt tun?
Weißer: Erst mal kann er gar nichts tun. Bischof Tebartz-van Elst hat ja längst nicht mehr das Heft des Handelns in der Hand. Er kann jetzt nur abwarten.

Der Schaden ist immens?
Weißer: Ja. Wenn es sich bestätigt, dass für den Bischofssitz in Limburg fast 40 Millionen Euro ausgegeben wurden, dann ist das skandalös. Das macht Kirche insgesamt unglaubwürdig. Und das wiederum hat Auswirkungen auf alle Menschen, die aus dem Glauben heraus und meist ehrenamtlich für andere da sind. Oft genug wird vergessen, dass diese Menschen auch Kirche sind.

Der Papst hat weise entschieden?
Weißer: Auf jeden Fall. Mit seiner Entscheidung setzt der Papst zwei klare Signale. Erstens macht er deutlich, dass alle Vorwürfe gründlich geprüft werden müssen. Auch ein Bischof hat ein Recht darauf, dass er fair behandelt wird. Zweitens stellt der Papst klar, dass selbst ein Bischof nicht einfach tun und lassen kann, was er will.

Wie kann neues Vertrauen entstehen?
Weißer: Vertrauen wächst durch Glaubwürdigkeit. Deshalb ist Aufklärung nur das eine. Die Kirche braucht auch Menschen, die glaubwürdig sind. Die glaubwürdig leben und glaubwürdig das Gespräch mit den Menschen suchen. Die auf der Seite der Menschen stehen – und nicht auf ihrer eigenen.

Zu viel Luxus in der Kirche?
Weißer: In Leipzig kenne ich eine Ordensgemeinschaft. Es sind drei Männer, die in einer 4-Zimmer-Wohnung in einem Plattenbau zu Hause sind. Eines der Zimmer haben sie mit ein paar Backsteinen und Tüchern zu einer Kapelle umgewandelt. So wie sie kenne ich viele Christen, die einfach leben. Aber ich weiß umgekehrt, dass es auch in der Kirche Menschen gibt, die sich bedienen. Wie im Staat, in jedem Unternehmen, in der Gesellschaft. Luxus aber ist grundsätzlich problematisch: Er verhöhnt Menschen, denen es nicht so gut geht. Das ist gerade in der Kirche falsch.

Der Papst will eine arme Kirche für die Armen. Die Katholische Kirche ist Multimilliardär. Wie passt das zusammen?
Weißer: Armut an sich muss überwunden werden. Deshalb setzt sich die Kirche gegen Armut ein, unterstützt in vielen Bereichen das Engagement gegen Armut. Man kann allerdings nicht die Armut bekämpfen wollen und dann Vermögen horten. „Reichtümer“, sagt Papst Franziskus, sind dafür da, „damit wir Gutes tun können“. Daran muss sich Kirche messen lassen.

Bischöfe sollten kleinere Autos fahren?
Weißer: Die Autogröße verstehe ich als Symbol für die Art, wie Kirchenleitung auftritt. Mit ihren großen Autos werden Bischöfe nach außen hin zu Konzernchefs. Aber Kirche ist kein Konzern. Sondern für die Menschen da. Ich glaube, hier muss auch praktisch ein Umdenken einsetzen.

Franziskus als Revolutionär, der der Kirche ein neues Gesicht gibt?
Weißer: Der neue Papst ist, wenn überhaupt, ein Revolutionär, der an die Anfänge der Kirche erinnert. An die befreiende Botschaft des Jesus von Nazareth, dass Gott bei den Menschen ist. Und dass sich dieser Jesus deshalb für den Menschen ins Zeug legte. Da muss sich jeder Glaubende fragen: Ist durch mich zu spüren, dass Gott das Glück jedes Menschen will?

Ist der Bedeutungsverlust der Kirche noch aufzuhalten?
Weißer: Der Gesellschaft fehlt ohne die Kirchen vieles. Gerade am neuen Papst ist zu sehen: Menschen sehnen sich danach, dass es Personen und Institutionen gibt, die nicht nur auf Geld, Status und persönlichen Vorteil setzen. In einer ökonomisierten Welt kann die Kirche noch viel mehr Bedeutung erlangen, als sie hat: Als Institution, die den Menschen als Gottes Geschöpf in den Mittelpunkt stellt. Aber dafür müssen Kirche und Gläubige sich auch glaubhaft engagieren. Wenn das nicht passiert, dann ist der Bedeutungsverlust nicht aufzuhalten.

Wohlstand frisst Gläubigkeit?
Weißer: Geld und Vermögen haben es an sich, den Menschen aufzufressen. Weil er sich um das Geld und seinen Lebensstandard sorgen muss. In der Konsequenz bleibt nicht mehr viel Zeit für all das, was das Leben wirklich reich macht: Freundschaften, Kinder, Muße, Gespräche, Lachen und Weinen. Und natürlich auch die Fragen nach Sinn und Unsinn des Lebens, nach einem Lebensgrund, nach Gott. Deshalb bedroht Wohlstand alles, auch den Glauben.

Das Gespräch führte Roland Töpfer