Der elfköpfigen Familie Emir droht die Zwangsräumung Großfamilie sucht neues Zuhause

Von Sarah Bernhard
Engin und Gönül Emir suchen dringend ein Haus für sich und ihre neun Kinder. Was passiert, wenn sie nicht bis Anfang Januar fündig werden, weiß keiner so genau. Foto: Harbach Foto: red

Bis zum 9. Januar müssen Engin Emir, seine Frau Gönül und ihre neun Kinder ihr Haus verlassen haben. Sonst kommt der Gerichtsvollzieher. Doch kaum einer wolle an eine elfköpfige Familie vermieten, sagt Emir. Und mittlerweile ist auch die Stadt Bad Berneck mit ihrem Latein am Ende.

 
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Am Schluss kommen Engin Emir doch noch die Tränen. „Ich sage immer: Kommt in mein Haus, es ist ordentlich, ich habe alles selber gemacht, schaut es euch an. Aber nie kommt jemand.“ Dabei haben der 41-Jährige, seine Frau Gönül (39) und ihre neun Kinder zwischen drei und 20 Jahren ein wunderschönes Haus. Das Wohnzimmer ist sonnengelb gestrichen, auf einem gemauerten Kamin stehen Fotos der Kinder, auf dem Tisch stehen zwei frische Gläser Tee.

Doch die Emirs haben ein Problem: Das Haus gehört nicht mehr ihnen. Vor neun Jahren musste es zwangsversteigert werden, Kemal Emir, Engins Vater, ersteigerte es. Alles schien wieder gut, doch das Verhältnis zwischen den beiden verschlechterte sich. „Es war ein großer Fehler, das Haus zu kaufen“, sagt Kemal Emir heute. Er habe Schulden, müsse das Haus verkaufen, um sie zu tilgen.

Doch wohin mit neun Kindern, die in Kindergarten, Schule und Lehre voll integriert sind? Noch dazu, da die beiden Söhne Vadi (10) und Hazar (8) von Geburt an krank sind, Engin Emir oft Wochen mit ihnen im Klinikum Erlangen verbringt. Die Emirs machten weiter wie bisher, bald drohte eine Zwangsräumung. Am 26. September, 9 Uhr, sollte Schluss sein. Doch so schnell geht das in Deutschland nicht, sagt Bad Bernecks Bürgermeister Jürgen Zinnert.

Stadt musste einschreiten

Denn wenn eine „plötzliche Obdachlosigkeit“ droht, muss die Wohngemeinde einschreiten. Damit öffentliche Sicherheit und Ordnung nicht gestört werden, so steht es in der Vorschrift. Eigentlich hätte die Stadt den Emirs eine Notunterkunft anbieten müssen – aber die gibt es in Bad Berneck nicht. „Wir hatten früher eine im Rimlasgrund, aber sie war nicht mehr bewohnbar“, sagt Zinnert. „Und eine elfköpfige Familie bekommt man in Bad Berneck auch in keinem Gasthof oder Hotel unter.“

Also griff die Stadt zum letzten Mittel: Sie ordnete eine sofortige Wiedereinweisung in das Haus von Kemal Emir an – so lange, bis ein anderes Haus gefunden ist, höchstens aber drei Monate. „Was die Emirs von uns erwarten konnten, haben wir getan“, sagt Zinnert.

Seitdem war Engin Emir in Fichtelberg und Wirsberg, in Bayreuth und Bischofsgrün. Doch bisher immer vergebens: Beim Besichtigungstermin seien die Leute meist freundlich, später riefen sie an und sagten, dass sie es sich anders überlegt hätten. „Wenn die Leute hören, dass wir neun Kinder haben, wollen sie uns nichts vermieten, weil sie glauben, dass viel kaputt geht.“ Sein Blick schweift durch den Raum. „Aber schauen Sie doch, hier ist gar nichts kaputt.“ Seit einiger Zeit hat Engin Emir Herz-Kreislauf-Probleme, seine Job als Dachdecker und Lagerist musste er aufgeben. „Mein Arzt sagt, wenn es so weitergeht, kippe ich irgendwann um.“

"Ob sie im Zelt oder im Wald wohnen, das ist mir egal"

Denn der Druck auf ihn und seine Familie wächst: Anfang Januar ist die dreimonatige Schonfrist vorbei. „Die haben keine Chance mehr. Ob sie dann im Zelt oder im Wald wohnen, das ist mir egal“, sagt Kemal Emir. „Für die Kinder ist es besonders schlimm“, sagt Bürgermeister Zinnert. Auf die Frage, was danach sein wird, schweigt er lange. „Wir haben nichts, das wir ihnen anbieten können“, sagt er dann.

Gönül Emir hat ihrem Mann mittlerweile ein Taschentuch gebracht. Seine Frau richte ihn immer wieder auf, wenn es ihm schlecht gehe, sagt Engin Emir. „Die Hoffnung stirbt zuletzt, sagt sie immer.“ Er tupft sich mit dem Taschentuch über die Augen. „Aber wissen Sie, bei mir ist sie schon fast gestorben.“

Info: Wer helfen will, kann sich bei sarah.bernhard@kurier.tmt.de oder unter Telefon 0921/294342 melden.

 

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