Der 87-jährige Kurt Macht schildert seinen 8. Mai 1945 Zeitzeuge zum Kriegsende: „Nicht an Befreiung – ans Essen gedacht“

Von Peter Engelbrecht
So sah Kurt Macht als Jugendlicher aus. Das Foto ist seinem Wehrpass entnommen. Foto: Ronald Wittek Foto: red

Was bedeutete das Kriegsende für Kurt Macht? „Mit 17 Jahren habe ich nicht an die Befreiung, sondern ans Essen gedacht.“ Abgeklärt fasst der 87-jährige Bayreuther seine Erinnerungen an den 8. Mai 1945 - den Tag der bedingungslosen Kapitulation - in seiner Heimatstadt zusammen.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Bayreuth war eine Ruinenstadt“, sagt der Zeitzeuge. Es herrschte Chaos. „Ich wusste nicht, was kommt. Aber ich hatte keine Angst“, schildert er seine Gefühle. 36,8 Prozent des Wohnraums und 31,5 Prozent der Industrie- und Gewerbeanlagen waren durch die Bombenangriffe zerstört worden, besagt die städtische Statistik 1955.

Zu schmächtig und zu schwach für den Kriegsdienst

Als der Krieg am 14. April 1945 in der Stadt zu Ende war, hatte der 16-jährige Macht plötzlich ein „anderes Gefühl“: Nicht doch noch in den sinnlosen Krieg zu müssen, und keine Bombenangriffe mehr. Er ist am 30. April 1928 geboren, war zweimal bis zum 30. April 1945 vom Kriegsdienst zurückgestellt, weil er zu schmächtig und zu schwach war. Das rettete ihm vermutlich das Leben. „Zum Kriegsende war ich nur noch Haut und Knochen“, sagt er. Einige seiner Freunde des gleichen Jahrgangs mussten zum Kriegsende hin noch kämpfen – und kamen nie mehr zurück.

Die Amerikaner hätten sich korrekt verhalten, hätten ihm und der Mutter Essen zugesteckt, wenn sie Uniformen am Wohnort in der Seestraße gewaschen hatte. Auch eine befreundete Bauernfamilie aus Kirchenpingarten half mit Lebensmitteln. Kurt Macht vergisst das nie.

Die Stimmung in der Stadt war sicherlich erleichtert. „Die Tage ohne Ruhe, die Nächte ohne Schlaf, das Heulen der Sirenen, das Krachen der Bomben, die Flucht vor dem Grauen waren mit einem Schlag zu Ende“, beschrieb ein unbekannter Reporter der Fränkischen Presse am 16. April 1946 aus der Distanz eines Jahres die damalige Situation. Eine immer unerträglicher gewordene Zwangsherrschaft von Spitzeln und Tyrannen sei mit zu Ende gewesen, „Gestapo- und KZ-Epoche waren aus“. Trotz des verlorenen Krieges, trotz Besatzung sei ein Aufatmen durch die Bevölkerung gegangen.

70 Jahre Kriegsende? „Ich hätte nie gedacht, dass Deutschland wieder so gut dasteht. Die Bevölkerung hat viel geleistet. Darauf kann man stolz sein“, sagt der Zeitzeuge. Auch er hat seinen Teil dazu beigetragen. 1946 arbeitete der Schriftsetzergeselle in der Druckerei Neubert und fertigte amerikanische Militärzeitungen wie „The unicorn“ (Das Einhorn) oder „Right of the line“ (Auf dem rechten Weg).

Donuts und Kuchen von den Besatzern

Die Besatzer fütterten ihn mit Kuchen und Donuts durch. Und er druckte für die amerikanische Militärregierung Passierscheine mit der Hand. Häufige Stromausfälle erforderten dies. Das Papier lieferten die Amerikaner. Was wurde aus den früheren Nazis? „Die waren über Nacht Demokraten geworden und saßen überall wieder drin“, meint Macht voller Sarkasmus. „Ich konnte das nicht glauben, denn die sind ja zwölf Jahre lang hinter Hitler hergerannt.“

Der Blick zurück auf 70 Jahre Kriegsende fällt nüchtern aus. „Ich habe Glück gehabt“, meint der 87-Jährige nachdenklich. Als 17-jähriger habe er sich nicht allzu viele Gedanken über die Zukunft gemacht. Er war froh, dass die Nazis weg waren, er ohne Kriegsangst leben konnte. So war das damals.

Mehr zum Thema:

Kriegsende in Kulmbach: Warten unterm freien Himmel

Der erste US-Soldat, der Bayreuth nach Kriegsende betrat

Wie Kulmbacher die letzten Kriegstage erlebten

Bilder