Thema Kosmetik: Ohne Leiden

Von Detlef Drewes

Dass Schönheit leiden muss, scheint laut Volksmund zwar zu stimmen. Seit gestern aber werden die Qualen deutlich weniger. Mindestens 2,9 Millionen Versuchstiere, die noch 2011 herhalten mussten, um Nebenwirkungen ausschließen zu können, dürfen nunmehr leben. Denn seit gestern gilt in der EU ein Verkaufsverbot für alle Kosmetika, für deren Herstellung Tierversuche nötig waren. Nach 30-jährigem Kampf für die Rechte von Ratten, Mäusen und Kaninchen endlich ein Durchbruch.

 
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Und doch wäre es zu kurz gegriffen, wenn man den durchaus beachtlichen Einsatz der Gemeinschaft allein aus ihrem großen Herz für Vierbeiner erklären wollte. Tatsächlich ging es von Anfang an immer auch um wirtschaftliche Aspekte. Denn als die ersten Anläufe zu einem Tierversuchsverbot unternommen wurden, standen alternative Tests, die eine zumindest gleich hohe Verbrauchersicherheit garantieren würden, nicht zur Verfügung. Brüssel unterstützte die Forschung, sogar die Tierversuchsgegner selbst sorgten dafür, dass das zwischenzeitliche Ausweichen der Industrie auf Tierversuche außerhalb Europas schrittweise gestoppt wurde.

Insofern hat der frühere EU-Industriekommissar Günter Verheugen recht, wenn er heute feststellt, dass die Bedeutung der Kosmetikrichtlinie weit über den unmittelbaren Kosmetikmarkt hinausgeht. Die Richtlinie hat zu großen neuen Forschungen im Bereich alternativer Testmethoden geführt, die Tierversuche auch in anderen Bereichen ersetzen können.

Das ist richtig, leider, sollte man hinzufügen. Denn ohne den jetzigen Durchbruch schmälern zu wollen, wirklich tierversuchsfrei sind viele Cremes und Lotionen immer noch nicht. Das liegt vor allem daran, dass sie Bestandteile enthalten, die nicht für die kosmetische, sondern für die Verwendung in der Chemiebranche entwickelt wurden und werden. Diese aber fallen unter die Chemikalienrichtlinie, die zwar auch eine Abkehr von Tierversuchen vorsieht, aber erst dann, wenn es geeignete Alternativen gibt.

Trotzdem hat Europa in einem wichtigen ethischen Bereich eine Richtung eingeschlagen, die sich auf kurz oder lang auch in anderen industriellen Herstellungsverfahren durchsetzen wird. Das ist, von der Schonung der vielen Millionen Testtiere abgesehen, ein weiterer Erfolg. Noch dazu einer, der den beteiligten Unternehmen auf dem Weltmarkt ein zusätzliches Gütesiegel garantiert.