Das Ukraine-Tagebuch „Wegen der Minen dürfen die Menschen nicht im Meer baden“

Thomas Simmler Foto: Alexander Wunner

Der Sommer ist für die Ukrainer etwas besonderes. Dann haben die Kinder drei Monate Ferien. Heuer ist nicht alles anders, aber auf einige Lieblingsgewohnheiten müssen die Menschen verzichten.

 
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Endlich Ferien! Auch wenn die Welt eine andere ist, die Freude der Kinder ist immer noch die gleiche. Bis Anfang September haben sie in der Ukraine jetzt Sommerferien. Früher sind die Familien immer zum Baden gefahren, haben wochenlang das Leben genossen mit Sonne, Wasser und Schaschlik. Und jetzt? Jetzt ruft mich meine Tochter Sofia an und fragt: Papa, was ist da los? Sie meinte Prischogins so genannten „Marsch auf Moskau“. Ich konnte es ihr auch nicht erklären. Wie auch? Die ganze Welt war im ersten Moment ja überrascht und hielt den Atem. Ich habe den ganzen Tag deutsche Medien verfolgt, um zu wissen, was passiert.

Die Ukrainer schauen jetzt auf Weißrussland. Was wird da passieren mit Prigoschin und seiner Bande? Will Wagner die Ukraine von Ort angreifen? Es gibt viele Gerüchte. Die Menschen machen sich Sorgen.

Mit dem Baden ist das übrigens so eine Sache. Nach viel Regen und Kälte, ist es bei mir in Truskawez inzwischen sehr heiß. Meine Vermieterin hat mir gestern geraten, in einen Teich im Wald zu springen. Freibäder gibt es in der Ukraine nur in großen Städten. In Dnipro zum Beispiel. Riesig – und sehr modern. Auf dem Land springen die Leute in den See oder in die Flüsse. Oft gibt es dort dann Kioske und Cafes.

Ganz schlimm ist es gerade in Odessa. Dort sind die Menschen eins mit dem Meer. Und jetzt ist es verboten ins Meer zu hüpfen. Am Strand hängen Schilder mit der Aufschrift „Vorsicht, Mienen!“. Es gab an den Stränden schon mehrere Todesfälle.

Für Marhanez gibt es inzwischen Evakuierungspläne. Für den Fall, dass die Russen tatsächlich das Atomkraftwerk in die Luft, gibt es klare Vorgaben: Wie verhalte ich mich? Was kann ich mitnehmen? Und so weiter. Das ist alles ganz schön beängstigend, wenn man weiß, dass dort die eigene Tochter lebt.

Hans-Thomas Simmler aus Mainleus hält sich seit mehr als einem Jahr in der Ukraine auf. Nach Angriffen der Russen in der Nähe des Atomkraftwerks Saporischschja ist er nun im Kurort Truskawez im Westen des Landes untergekommen.

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