Das sagt die Mutter des Dorf-Phantoms

Von Manfred Scherer
Archivfoto: Karl Heinz Lammel Foto: red

Der Fall des Dorf-Phantoms macht Schlagzeilen: War der 43-jährige Mann, den die Polizei vor knapp zwei Wochen aus jahrzehntelanger Isolation befreite, ein Gefangener seiner Eltern? Seine Mutter sagt: Nein. Dafür spricht auch, dass er ganz normal gemeldet war.

 
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Die Überraschung ist immer noch groß in Hollfeld und vor allem in dem Ortsteil, in dem ein Mann jahrzehntelang fast unbemerkt von seinen Nachbarn gelebt hat. Seine 76-jährige Mutter, selbst eine kranke Frau, sagte dem Kurier:  „Es stimmt nicht, dass wir ihn eingesperrt haben. Er wollte doch nicht raus." Dafür spricht, dass er sich festhielt und nicht gehen wollte, als Polizei und Gesundheitsamt den 43-Jährigen abholten.

Wie berichtet, hatte den 43-Jährigen jahrelang niemand mehr in dem Dorf im westlichen Landkreis gesehen. Er existierte nur in Erzählungen, als eine Art Legende.  Am 21. September holten Kriminalbeamte den 43-Jährigen aus dem Haus seiner Eltern. Der Mann war laut Polizei gut ernährt, jedoch stark verwahrlost. Die Polizei fand, wie berichtet,  am 21. September keine Hinweise, dass der Mann eingesperrt oder angekettet worden war. Ein „heimlicher“ Bewohner des kleines Dorfes war er sicher nicht. Denn er war, wie jeder, beim Einwohnermeldeamt gemeldet. Dies bestätigte Karin Barwisch, die Bürgermeisterin der 5000-Einwohner-Gemeinde. Sie warnte auch vor allzu schnellen Schuldzuweisungen. Der Sachverhalt müsse erst geklärt werden.

„Wollte ihn immer nur beschützen"

Für viele Bewohner des Dorfes allerdings war der Mann ein Gefangener seiner Eltern. Vater und Mutter des 43-Jährigen sind hochbetagt. Vor allem die Mutter, so sagen Nachbarn und Anwohner, habe in dem Haus das Regiment geführt. Am Telefon sagte die Mutter auf Kurier-Anfrage: " Der hat doch so die Schnauze voll vom ganzen Leben. Er wollte bei uns bleiben. Wenn ich ihnen erzähle, was wir mitgemacht haben, glauben Sie es doch nicht. Ich wollte ihn immer nur beschützen." Die Polizeiaktion vom 21. September nennt  sie einen "Überfall".

Die Frau deutete an, ihr Sohn sei als kleiner Junge in der Schule von anderen Schülern gemobbt oder möglicherweise misshandelt worden: „Aber wie kann ich das heute noch beweisen? Ich müsste die Schüler von damals suchen. Mein Sohn hat diese alten Sachen immer mit sich herumgeschleppt."

Ein Fremder bringt den Stein ins Rollen

In dem Dorf wusste fast jeder von dem Phantom – aber niemand traute sich, die Behörden darauf aufmerksam zu machen oder gar bei der Polizei eine Anzeige zu erstatten. Der Fall wurde der Polizei schließlich durch einen Außenstehenden bekannt, der seit Jahresbeginn in dem Dorf an einem Projekt gearbeitet hatte und deshalb regelmäßig vor Ort war. Er schloss Bekanntschaften, die immer intensiver wurden, saß abends im Wirtshaus. Und hörte Legenden von dem „Gefangenen“. Der Mann erinnert sich: „Die Informationen sind tröpfchenweise bei mir angekommen. Jahrelang sollen die Eltern des Mannes jeden Kontakt verweigert haben. Nach und nach ist in meinem Kopf ein Bild entstanden. Ich fragte mich: Gibt es hier einen Fall Kampusch? Muss ich was tun?“ 

Erleichterung im Dorf

Nachdem der Mann die Existenz des Phantoms  aus mehreren Quellen bestätigt bekommen hatte und sicher war, dass „da etwas nicht stimmt", wandte er sich an die Polizei. Dorfbewohner sind darüber erleichtert und haben gleichzeitig ein schlechtes Gewissen, selbst so lange untätig gewesen zu sein. 

Bürgermeisterin  Barwisch sagte: Sie habe erst von dem Fall erfahren, nachdem der Außenstehende im Einwohneramt nach der Existenz des 43-Jährigen nachgeforscht hatte. Inzwischen war auch die Polizei im Rathaus. Barwisch: „Ich hoffe, dass die Hintergründe jetzt aufgeklärt werden.“

 

 

 

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