Das große Sterben der Bankfilialen

Von Roland Töpfer

Noch verdienen die Regionalbanken in Oberfranken gut. Doch die Gewinne der Sparkassen und VR-Banken gehen wegen der niedrigen Zinsen zurück. Zinsüberschüsse und Provisionserträge stehen unter Druck. Die Bankenlandschaft in Oberfranken wird sich dramatisch ändern, sagt der Bayreuther Prof. Thomas Meuche, der an der Hochschule Hof Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt Finanzwirtschaft lehrt und bis vor wenigen Monaten Aufsichtsratschef der VR-Bank Bayreuth war.

 
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 Foto: red

Schon vor Jahren hat Meuche die Fusion der VR-Banken Bayreuth und Hof angedacht. Er ist einer der geistigen Väter dieses Zusammenschlusses, der im kommenden Jahr von den Vertreterversammlungen beider Institute abschließend gebilligt werden soll. Bei der Umsetzung des Fusionsprozesses ist Meuche nicht mehr dabei. Warum? „Das war zu viel“, sagt er in Hof im Gespräch mit dem Kurier. An der Hochschule baut er gerade neben seiner Lehrtätigkeit einen neuen Bereich Weiterbildung auf. Und Meuche arbeitet auch noch als Bankenberater. Seine Bayreuther Firma „Mehr Wissen Prof. Meuche GmbH“, in der seine Frau als Geschäftsführerin fungiert, berät VR-Banken und Sparkassen.

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In normalen Zeiten hat der Aufsichtsrat der Bayreuther VR-Bank vier Mal im Jahr getagt. Bei einer Fusion sei der Aufsichtsratschef aber wöchentlich gefordert, sagt Meuche. Das sei für ihn nicht machbar gewesen. Den Berater-Job reduzieren? „Dazu war ich nicht bereit.“

Was ist die Strategie?

Die Fusion mit Hof „war mein Ziel“. Beide Institute würden gut zusammenpassen. Bayreuth soll auch an Kulmbach interessiert gewesen sein, ist aus Insiderkreisen zu hören. Doch Kulmbach soll Fusionsplänen eher reserviert begegnet sein.

Eine Fusion allein bringt noch nichts, sagt Meuche. Fusion müsse bedeuten: „Ich muss mir eine neue Bank bauen.“ Man sollte in einem solchen Prozess nicht vor allem über Personen diskutieren, rät Meuche. Sondern Fragen beantworten wie: Was ist eigentlich die Strategie? Welchen Kundennutzen bieten wir künftig? Für welche Leistungen ist der Kunde bereit, zu zahlen? Welche Prozesse, welche Strukturen braucht es dafür?

Das Urteil des Professors über die aktuelle Ausrichtung vieler Regionalbanken ist wenig schmeichelhaft: „Ein Großteil ist nicht in der Lage, in neuen Geschäftsmodellen zu denken.“

Stich ins Herz

Viele Banker würden – „eingemauert in ihre Silos“ – die Geschwindigkeit der durch Digitalisierung ausgelösten Änderungen im Verbraucherverhalten unterschätzen. Für Meuche ist klar, dass die Datensicherheit tendenziell an Bedeutung verliert, während die Bedienerfreundlichkeit beim Onlinebanking viel wichtiger werde. Der Kunde wolle mit möglichst wenig Klicks seine Geschäfte abwickeln.

Die alte Einteilung in Privatkunden, Firmenkunden und Onlinebanking mache überhaupt keinen Sinn mehr. Die totale Integration auf allen Feldern sei unabdingbar.

Es bringe auch nichts, Filialen „wie eine Monstranz“ vor sich herzutragen, sticht Meuche ins Herz von Sparkassen und VR-Banken, die ihre Präsenz in der Fläche immer stark propagiert haben. „Meine Bankfiliale habe ich hier“, sagt der Smartphonenutzer. Und das seien längst nicht mehr nur junge Leute.

Weniger Kosten

Meuche rechnet mit einem dramatischen Rückgang bei den Filialen. Gut möglich, dass die fusionierte VR-Bank in fünf Jahren nur noch zehn oder sogar noch weniger Filialen habe. Die Zahl der Filialen sei aber gar nicht entscheidend. Viel wichtiger sei Antwort auf die Frage: Was passiert in der Filiale der Zukunft? Ein-/Auszahlungen und Überweisungen reichen sicher nicht. Im besten Fall gibt es eine hoch qualifizierte Beratung. Nicht nur über Sparanlagen, Kredite und Wertpapiere. Sondern z. B. auch über Optimierungen in einer kleineren Firma bei der Bargeldversorgung oder bei Bezahlvorgängen des Kunden.

Weniger Filialen bedeuten weniger Kosten für die Banken. „Aber von Kosten sparen werden sie nicht reich, wenn sie keine Einnahmen haben.“ Die Zinsüberschüsse werden nach Meuche im Jahr 2019 nur noch die Personalkosten decken, die Erträge aus dem Zahlungsverkehr deutlich sinken. Viele kleinere Banken wird es dann wohl nicht mehr geben. „Die werden einfach verschwinden.“

Ganz andere Kunden

Bayreuth und Hof wollen mit deutlich über zwei Milliarden Bilanzsumme zur größten VR-Bank in Oberfranken aufsteigen. „Die kommen dann auch an ganz andere Kunden ran“, sagt Meuche. Je zwei Vorstände bringen beide Banken mit in die Fusion. Also künftig vier Chefs in der neuen Bank? „Vier Vorstände braucht sie nicht“, sagt Meuche.

Das Fusionskarussell wird sich immer weiterdrehen. Meuche geht davon aus, dass es relativ bald in Oberfranken nur noch eine Sparkasse und eine VR-Bank geben wird. „In fünf Jahren. Vielleicht wird’s auch sieben Jahre dauern.“

Viele Geschäftsstellen werden schließen

Bayerns Sparkassenpräsident Ulrich Netzer sagte auf Kurier-Anfrage, wenn der Zins praktisch abgeschafft sei, dann gehen die Zinsüberschüsse und damit die Betriebsergebnisse der Sparkassen zurück. Man müsse nun offensiv am Markt agieren, um Einnahmen zu erhöhen, Kosten zu optimieren und strukturell Weichen zu stellen, um auf steigende Regulierungsanforderungen und den Trend zur Digitalisierung bei Finanzdienstleistungen zu reagieren. Weil immer mehr Kunden ihre Bankgeschäfte online selbst ausführen, ,,wird es in mancher kleinen Geschäftsstelle sehr ruhig“. Im laufenden Jahr sei damit zu rechnen, dass acht bis zehn Prozent der noch 2245 Geschäftsstellen schließen werden. Angst um den Bestand der Sparkassen hat Netzer nicht: ,,Die Sparkassen haben Weltkriege und Rezessionen überstanden, da werden sie auch die Niedrigzinsphase überstehen.“

Fusionsdruck steigt

Florian Ernst, Pressesprecher des Genossenschaftsverbands Bayern, sagte auf Kurier-Nachfrage, der Kunde entscheide, ob er das Angebot in den Filialen nutzt. Es gebe generell ein großes Interesse an Beratungsthemen. Gleichwohl hätten die bayerischen VR-Banken im vergangenen Jahr 140 Filialen schließen müssen. Im laufenden Jahr sei von Schließungen in gleicher Größenordnung auszugehen. Aktuell haben die 273 selbstständigen VR-Banken noch rund 2800 Geschäftsstellen in Bayern. Der Fusionsdruck hat offensichtlich zugenommen. Nach sieben Fusionen im letzten Jahr sei in diesem Jahr mit mindestens zwölf Fusionen zu rechnen. Ernst: ,,Da gibt’s schon eine Veränderung.“ Der steigende Aufwand für Regulierungsanforderungen treffe kleine und mittlere Banken überproportional.