Das große Asyl-ABC

Flüchtlinge in Bayreuth die Woche bei der Umsiedlung von der Unterkunft in der Wilhelm-Busch-Straße in die Stadtbad-Turnhallen. Foto: Wittek Foto: red

Aufenthaltstitel, subsidiärer Schutz, Kirchenasyl, Bleiberecht, Dezentrale Unterkunft - was heißt das eigentlich genau? Unser Asyl-ABC bringt Licht ins Dunkel.

 
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Abschiebung: Bekommt ein Asylbewerber keinen -> Aufenthaltstitel, wird sein Asylantrag also abgelehnt, muss er ausreisen. Die Organisation und die Kosten der Ausreise übernimmt dabei das -> Ausländeramt. Weigert sich der abgelehnte Asylbewerber, wird er abgeschoben: Er bekommt einen Abschiebungsbescheid, kurz darauf wird er abgeholt und in sein Heimatland zurückgeschickt. Abschiebungen finden oft frühmorgens statt, laut Behördenangaben nicht, um Asylbewerber zu verängstigen, sondern weil die Rückreise oft lange dauert. Würde sie später beginnen, kämen die Menschen spätnachts in ihrer Heimat an und hätten dann keine Möglichkeit mehr, vom Flughafen oder Bahnhof wegzukommen.

Asylverfahren: Darüber, ob ein Asylbewerber in Deutschland bleiben darf oder nicht, entscheidet alleine das -> BAMF – und nicht etwa das -> Ausländeramt. In der Regel sollten Asylbewerber noch in der -> Erstaufnahmeeinrichtung einen Asylantrag stellen und angehört werden. Wegen der hohen Asylbewerberzahlen ist das nicht mehr möglich. Deshalb kann es vorkommen, dass Asylbewerber etwa aus Fichtelberg extra nach Zirndorf fahren müssen. Dort erzählen sie einem sogenannten Entscheider mit Hilfe eines Dolmetschers ihre Geschichte. Im Anschluss prüft der Entscheider, ob der Asylbewerber ins -> Dublin-Verfahren muss und wenn nicht, ob dessen Geschichte plausibel ist. Im Moment werden Asylbewerber aus -> sicheren Herkunftsländern, etwa Serbien oder Senegal, bevorzugt bearbeitet: Weil das BAMF annimmt, dass wenige dieser Asylbewerber bleiben dürfen, möchte es, dass die Betreffenden so schnell wie möglich wieder ausreisen. Ähnlich ist das bei Bürgerkriegsländern wie Syrien: Weil die Schutzquote so hoch ist, wird das Verfahren deutlich verkürzt.

Aufenthaltstitel: Einen Aufenthaltstitel ist das Ziel eines jeden Asylbewerbers: Er zeigt an, dass sich sein Träger rechtmäßig in Deutschland aufhält. Ein Aufenthaltstitel kann ein Visum sein, aber eben auch eine Aufenthaltserlaubnis für Asylbewerber, deren Verfahren in Deutschland erfolgreich war. Lange war deren Aufenthaltstitel ein Aufkleber, mittlerweile ähnelt er einem Personalausweis.

Ausländerämter: Abteilungen für Ausländerwesen gibt es sowohl bei den Bezirksregierungen als auch bei den kommunalen Behörden, also Stadt oder Landkreis. Die Regierungen sind für die -> Gemeinschaftsunterkünfte zuständig, Städte und Landkreise für -> dezentrale Unterkünfte. Doch das sind lange nicht alle am Asyl Beteiligten: Die -> Erstaufnahmeeinrichtungen, etwa in -> Zirndorf, München, Deggendorf und ab 2016 in Bayreuth, betreibt das -> BAMF, für die Auszahlung der Asylbewerberleistungen, also Taschen- oder Essensgeld, ist die Gemeinde, in der die Asylbewerber wohnen, verantwortlich.

BAMF: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) entscheidet unter anderem darüber, ob Asylbewerber in Deutschland bleiben dürfen. Dazu befragen sogenannte Entscheider die Flüchtlinge und überprüfen in der Folge, soweit möglich, die Fakten. Seinen Hauptsitz hat das BAMF in Nürnberg in der Nähe des Reichsparteitagsgeländes, eine Außenstelle befindet sich unter anderem in -> Zirndorf, München und ab 2016 auch in Bayreuth.

Bleiberecht: Nicht jede Begründung dafür, dass man in Deutschland bleiben darf, fällt unter die Bezeichnung Bleiberecht. Menschen, die einen -> Aufenthaltstitel haben, haben zum Beispiel mit Bleiberecht nichts zu tun. Stattdessen bezeichnet der Begriff das Recht von Menschen mit -> Duldung, nach einer gewissen Zeit auch ohne Aufenthaltstitel in Deutschland bleiben zu dürfen. Dieses Recht gab es in Deutschland bisher allerdings nur zeitlich begrenzt, nämlich zwischen 2006 und 2009. Eine Art Bleiberecht haben heute nur Geduldete zwischen 15 und 20 Jahren, die seit mindestens sechs Jahren in Deutschland leben, hier erfolgreich die Schule besuchen, eine Ausbildung machen oder studieren.

Dezentrale Unterkunft: Dezentrale Unterkünfte werden von den kommunalen -> Ausländerämtern betrieben. Sie sind meist kleiner als -> Gemeinschaftsunterkünfte, bindende Standards, etwa dazu, wie viele Quadratmeter Wohnfläche einem Asylbewerber zustehen, gibt es im Unterschied zu diesen für dezentrale Unterkünfte nicht. Man orientiere sich laut Ausländeramt allerdings an diesen Standards. Dezentrale Unterkünfte gibt es im Moment unter anderem in Fichtelberg, Warmensteinach, Eckersdorf, Pegnitz, Thurnau und Kulmbach.

Dublin-Verfahren: In ein sogenanntes Dublin-Verfahren kommen Asylbewerber, die über einen anderen europäischen Staat nach Deutschland eingereist sind und deren Fingerabdrücke dort genommen wurden oder Menschen, die bereits in einem anderen Land einen Asylantrag laufen haben. Diese Menschen können in Deutschland keinen Asylantrag stellen, sondern müssen in das Land zurückkehren, in dem sie das erste Mal europäischen Boden betreten haben oder ihr Verfahren läuft. Das sind oft Länder wie Griechenland oder Italien, Bulgarien oder Polen. Weil sie mit den steigenden Flüchtlingszahlen überfordert sind, lassen diese Länder die Ankömmlinge oft weiterreisen, ohne ihre Fingerabdrücke in die europaweite Fingerabdruck-Kartei EURODAC einzuspeisen. In diesen Fällen ist ein Asylantrag in Deutschland möglich. Wenn ein Asylbewerber sechs Monate, nachdem sich Deutschland für nicht zuständig erklärt hat, immer noch in Deutschland ist, geht die Zuständigkeit an die Bundesrepublik über. Basis für dieses Vorgehen ist die sogenannte Dublin-Verordnung aus dem Jahr 2003.

Duldung: Ein Asylbewerber, dessen -> Abschiebung vorübergehend ausgesetzt wird, ist geduldet. Ein Grund kann zum Beispiel sein, dass es in seinem Heimatland gerade Unruhen gibt und man warten möchte, bis sich die Unruhen gelegt haben. Eine Duldung bedeutet nicht, dass man einen -> Aufenthaltstitel hat – denn laut Gesetz ist man unberechtigterweise noch in Deutschland. Geduldete Asylbewerber dürfen arbeiten, wenn es das -> Ausländeramt erlaubt, Sozialleistungen oder einen Integrationskurs bekommen sie, anders als anerkannte Flüchtlinge, nicht. Stattdessen erhalten sie die gleiche Unterstützung wie Asylbewerber, wie sie unterliegen Geduldete der -> Residenzpflicht.

Erstaufnahmeeinrichtung: In Bayern gibt es im Moment drei offizielle Erstaufnahmeeinrichtungen: eine in Zirndorf, eine in München und seit kurzem eine in Deggendorf. In Regensburg gibt es eine Übergangs-Einrichtung. Diese Unterkünfte werden vom -> BAMF betrieben und sind die erste Anlaufstelle für Asylbewerber: Dort werden sie erfasst und medizinisch untersucht, in der Regel sollten sie auch dort ihren Asylantrag stellen und angehört werden. Danach werden sie auf -> Gemeinschaftsunterkünfte oder -> dezentrale Unterkünfte verteilt. War dort kein Platz, machten Asylbewerber bisher manchmal in der sogenannten Regierungsaufnahmestelle (kurz RASt) in der Wilhelm-Busch-Straße einen Zwischenstopp. Wegen des großen Ansturms fungiert dieses Gebäude im Moment aber als eine Art Not-Erstaufnahmeeinrichtung. Das heißt, auch dort werden gerade, wie in Zirndorf oder München, Asylbewerber erfasst. 2016 wird eine in Bayreuth eine offizielle Erstaufnahmeeinrichtung in der Herzogmühle eröffnen.

Kirchenasyl: In Notfällen können Kirchen Asylbewerber ins sogenannte Kirchenasyl nehmen: Wenn Asylbewerber auf Kirchengrund wohnen, greifen die Behörden nämlich in der Regel nicht ein, schieben also zum Beispiel nicht ab. Oft wird von dieser Möglichkeit bei -> Dublin-Verfahren Gebrauch gemacht, etwa, wenn nach Italien, Ungarn oder Bulgarien abgeschoben wird. In Italien bekommen Asylbewerber laut dem bayerischen evangelischen Kirchenasyl-Beauftragten zwar schnell einen -> Aufenthaltstitel, sitzen dann aber auf der Straße und werden von der Mafia missbraucht. In Ungarn kämen die Männer fast immer ins Gefängnis. In Bulgarien drohten Misshandlungen. Vor kurzem hat das -> BAMF die Voraussetzungen für Kirchenasyl verschärft. Es definiert Menschen im Kirchenasyl jetzt als flüchtig. Dadurch verlängert sich die Frist, nach der Deutschland fürs Asylverfahren zuständig ist, von sechs auf 18 Monate. Kirchenasyl gilt als sehr belastend, da die Asylbewerber den Kirchengrund nicht verlassen dürfen. Im Moment leben Asylbewerber in Eckersdorf und Auerbach im Kirchenasyl.

Notunterkünfte: Wegen des momentan großen Zustroms von Asylbewerbern musste jeder Landkreis und jede kreisfreie Stadt der Regierung eine Notunterkunft für Asylbewerber melden. In Bayreuth sind das zwei Turnhallen, in Bad Berneck, das ehemalige Popp-Gelände, in Kulmbach das BRK-Gelände in der Flessastraße. Sie sind quasi der letzte Notanker und nicht zu verwechseln mit der -> Not-Erstaufnahmeeinrichtung in der Wilhelm-Busch-Straße in Bayreuth. Während in der Not-Erstaufnahmeeinrichtung Asylbewerber landen, die noch nicht erfasst und untersucht wurden, dienen die Notunterkünfte nur als Zwischenstation für bereits erfasste Asylbewerber, für die in -> Gemeinschaftsunterkünften und -> dezentralen Unterkünften kein Platz mehr ist.

Residenzpflicht: Asylbewerber und Menschen mit -> Duldung unterliegen der Residenzpflicht. Das bedeutet, sie dürfen sich nur in einem bestimmten Raum bewegen. In Bayern ist das für Geduldete das Bundesland, für Asylbewerber der Regierungsbezirk, der für sie zuständig ist. Will ein Bayerischer Asylbewerber Bekannte in München besuchen, muss er das also beim -> Ausländeramt beantragen. So soll laut Innenminister Joachim Herrmann verhindert werden, dass alle Asylbewerber in die Ballungsräume strömen. Bayern ist damit das restriktivste Bundesland im restriktivsten Staat der EU: In allen anderen Bundesländern dürfen sich Asylbewerber frei bewegen. Und in allen anderen Staaten gibt es überhaupt keine Residenzpflicht. Auch in Bayern soll die Residenzpflicht demnächst aufs Bundesland ausgedehnt werden.

Schutzquote: Die Schutzquote gibt an, wie viel Prozent der Asylanträge bewilligt wurden. Es gibt verschiedene Möglichkeiten für Asylbewerber, Schutz zu bekommen.

Asyl bekommt, wer von seinem Heimatstaat politisch verfolgt wird. Anerkannte Asylbewerber dürfen einen Integrationskurs machen, arbeiten und bekommen Schutz für drei Jahre. Danach dürfen sie in der Regel bleiben, wenn sie sich nicht zu Schulden haben kommen lassen. Asyl bekamen 2014 1,8 Prozent der Antragsteller.

Flüchtlingsschutz bekommt, wer in seiner Heimat wegen Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit oder politischer Überzeugung verfolgt wird und nicht in einen anderen Landesteil ausweichen kann. Der Flüchtling darf einen Integrationskurs machen, arbeiten und bekommt Schutz für drei Jahre mit Option auf Verlängerung. Diesen Schutz bekamen 2014 24,1 Prozent der Antragsteller.

Subsidiären Schutz bekommt, wer in seiner Heimat gefoltert, zum Tode verurteilt oder vom Krieg bedroht ist, aber nicht die Voraussetzungen für Asyl oder Flüchtlingsschutz erfüllt. Der Betroffene darf einen Integrationskurs machen, arbeiten und bekommt in der Regel eine Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr, die verlängert wird, wenn sich nichts geändert hat. Diesen Schutz bekamen 2014 4,0 Prozent der Antragsteller.

Ein Abschiebeverbot (nicht zu verwechseln mit der -> Duldung) greift dann, wenn in der Heimat individuelle Gefahr droht, etwa weil es bestimmte Medikamente nicht gibt. Der Betroffene darf ein Jahr lang bleiben, wenn sich nichts geändert hat, länger. Seit Juli 2013 dürfen Betroffene uneingeschränkt arbeiten, haben aber keinen Anspruch auf einen Integrationskurs. Diesen Schutz bekamen 2014 1,6 Prozent der Antragsteller.

Die sogenannte Gesamtschutzquote lag in Deutschland im Jahr 2014 also bei 31,5 Prozent. Der Asylantrag von 33,4Prozent der Antragsteller wurde im Jahr 2014 abgelehnt. 35,2 Prozent der Verfahren wurde aus anderen Gründen beendet, zum Beispiel, weil die Antragsteller ins -> Dublin-Verfahren kamen.

Sicheres Herkunftsland: So werden Heimatländer von Asylbewerbern bezeichnet, in denen ihnen laut dem deutschen Gesetzgeber keine Gefahr droht. Diesen Menschen wird oft pauschal vorgeworfen, dass sie gar nicht politisch verfolgt werden, sondern nur sogenannte -> Wirtschaftsflüchtlinge seien. Zu den sicheren Herkunftsländern gehören Bosnien und Herzegowina, Ghana, Mazedonien, Senegal und Serbien. Asylbewerber, die aus diesen Ländern einreisen, haben es sehr schwer, Schutz zu bekommen, ihre -> Asylverfahren werden deshalb im Moment verkürzt, um im -> BAMF Ressourcen zu sparen. Anfang Februar 2015 war die Forderung laut geworden, auch Kosovo zu einem sicheren Herkunftsland zu machen, weil sich im Moment viele Kosovo-Albaner auf den Weg nach Deutschland machen. Bisher ist dies aber in Deutschland noch nicht umgesetzt worden. Frankreich hat Kosovo bereits zum sicheren Herkunftsland gemacht. Sichere Herkunftsländer sind übrigens nicht das gleiche wie sichere Drittstaaten.

Wirtschaftsflüchtling: Als Wirtschaftsflüchtlinge bezeichnet man Menschen, die ihre Heimat nicht aufgrund von politischer Verfolgung verlassen, sondern aus wirtschaftlicher Not. Sie haben damit, so bestimmt es das deutsche Asylrecht, kein Anrecht auf Asyl. Das bedeutet aber nicht, dass es in den Heimatländern der Wirtschaftsflüchtlinge keine Probleme gibt. Im Kosovo etwa sind Arbeitslosigkeit und Korruption extrem hoch, die Löhne extrem niedrig. Anfang des Jahres waren rund 45 Prozent der Kosovaren arbeitslos, in Deutschland 7 Prozent. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf lag im Kosovo 2014 bei 8461 Dollar pro Jahr, in Deutschland sind es 42045 Dollar.

sab

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