Jene App hat per Mobilfunkdaten ermittelt, ob sich der Nutzer in den vergangenen zwei Wochen in einem Hochrisikogebiet aufgehalten hat. Jeder im Land musste sie verpflichtend vorzeigen, um Zugang zu Hotels, Bahnhöfen oder auch offiziellen Regierungsveranstaltungen zu bekommen. Wann immer der „grüne Pfeil“ der Reise-App auf Rot umschwenkte, konnten die Behörden jeden Bürger ohne weitere Gründe festsetzen.
Sind internationale Reisen bald wieder möglich?
Nun also können die Chinesen in ihrem Land wieder ohne Angst vor Zwangsquarantäne andere Provinzen besuchen. Und schon bald wird auch der internationale Reiseverkehr nachziehen, wie Chinas US-Botschafter Qin Gang während einer Rede in Chicago andeutet: „Ich glaube, dass in der nahen Zukunft weitere Anpassungen vorgenommen werden, die auch den internationalen Reiseverkehr betreffen“. Unter Fachkreisen kursiert seit Längerem das Gerücht, dass die Volksrepublik spätestens Mitte Januar die verpflichtende Einreisequarantäne durch ein dreitägiges „Gesundheitsmonitoring“ ersetzen wird. Doch derzeit ist an Reisen noch nicht zu denken. Momentan trauen sich die meisten Pekinger schließlich nicht einmal vor die Haustür, um sich vor einer Infektion zu schützen.
Taiwan und Südkorea machen es besser
Die Causa China zeigt nicht nur, dass es aufgrund des hochinfektiösen Omikron wohl keine reibungslose Öffnung geben kann. Doch während in Taiwan und Südkorea die Behörden durch vorbereitende Maßnahmen und sukzessive Lockerungen das Allerschlimmste abwenden können, treten in der Volksrepublik dieser Tage deutlich die Schwachstellen der Regierung offen zutage.
Masken und Selbsttests fehlen
Erst jetzt, Monate zu spät, kurbeln die Staatsunternehmen die Produktion von hochwertigen N-95-Masken an – bislang waren im Reich der Mitte vorwiegend OP-Masken üblich. Auch Antigen-Tests und fiebersenkende Medikamente sind derzeit Mangelware. Und dass das Land endlich ausländische mRNA-Vakzine zulässt, ist selbst langfristig nicht absehbar. Dabei könnten diese viele Tote abwenden, denn gerade bei den besonders gefährdeten über 80-Jährigen liegt die Booster-Rate nach wie vor bei 40 Prozent. Vor allem aber zeigt sich, wie schwierig es für das chinesische System ist, gesundheitspolitische Transparenz zuzulassen. Am Montagmorgen meldete die nationale Gesundheitskommission für die letzten 24 Stunden weniger als 9000 neue Ansteckungen und 0 Virustote landesweit, für Peking sind es sogar nur rund 1000 Fälle. Die absurd irreführenden Zahlen ohne Einordnung öffentlich zu kommunizieren, ist höchst fahrlässig – unter anderem, weil sich dadurch viele Senioren möglicherweise weniger Anreize haben könnten, sich nun impfen zu lassen.
Herausforderung für Xi Jinping
Die politischen Folgen der überhasteten Öffnung könnten auch für den Parteivorsitzenden Xi Jinping eine massive Herausforderung darstellen. In den nächsten Wochen und Monaten werden wohl auch nach konservativen Schätzungen Hunderttausende Menschen an dem Virus sterben, ohne dass diese mutmaßlich in den offiziellen Zahlen auftauchen werden.