Nicht alle wollen mit Methadon leben
Ob Sandra eines Tages wieder ganz ohne Drogen leben kann, bestimmt auch ihr Umfeld. Johannes will deshalb umziehen, sobald er sauber ist. Zu Hause erinnert ihn zu viel an die Zeit im Drogensumpf. Nicht auszuschließen, sagt er, dass er beim Aufräumen noch die ein oder andere Nadel findet. Johannes ist ein Beispiel dafür, dass nicht alle Drogenkranken mit Methadon leben wollen. Der 30-Jährige war einst ein begnadeter Fußballspieler. Doch vier Jahre Drogenkonsum haben dafür gesorgt, dass ihm alles egal wurde: Körperhygiene und Trainingszeiten sowieso. Heute wünscht er sich nichts sehnlicher, als ein Comeback. Drei Jahre hat er auf Speed, Ecstasy und Heroin seinen Beruf als selbstständiger Handwerker ausgeübt. Dann zog er die Reißleine. Im BKH wird er jetzt auf Methadon eingestellt. Sein Nürnberger Substitutionsarzt nimmt ihn nur auf, wenn er frei von Opiaten ist. Für Juni hat Johannes einen Therapieplatz in Aussicht. Mit Hilfe des Arztes hofft, er, die Zeit bis dahin zu überstehen. Auf den Termin bei dem Arzt habe er acht Wochen warten müssen. „Machen Sie solange einfach weiter wie bisher", hieß es. Leichter gesagt als getan, wenn dazu täglich Heroin im Wert von 70 Euro nötig ist.
Krankenkasse zahlt
Das Methadon, das er im BKH erhält, ist für ihn kostenlos. Für den Stoff und die Ausgabe stellt Härtel-Petri der Krankenkasse jeden Monat 100 Euro in Rechnung. Verglichen mit dem Pflegesatz von 200 Euro, die ein stationärer Entzug jeden Tag kostet, sind das Peanuts. Und dennoch bezahlen die Kassen eine Substitution in der Regel nur für 15 Jahre. Dann wird verhandelt.Was Johannes im Juni bevorsteht, macht Torsten gerade durch. In acht Wochen will er das BKH entgiftet verlassen. Es ist sein vierter Anlauf. Mit 17 Jahren begann seine Drogenkarriere. Seit 12 Jahren wird er substitutioniert. Immer wieder hat er trotzdem weiter Psychopharmaka, Crystal und Fentanyl genommen. Jetzt will er nicht nur davon, sondern endlich auch von Methadon los kommen. „Der Stoff ist zwar bequem, hat aber ja keine echte Wirkung", sagt Torsten. Soll heißen: Den Rausch, den Drogensüchtige schätzen, bewirkt die Ersatzdroge nicht. „Koks ist geballert viel geiler als gerotzt", sagt er wie zum Beweis.
Schmerzpflaster als Alternative
Methadon kostet auf der Straße etwa 5 Euro je Milliliter. Um ihr Bedürfnis zu stillen, bräuchten Johannes und Torsten jeden Tag rund 6 Milligramm davon. Für ihre Ration Heroin zahlen sie bis zu 70 Euro. Immer mehr Süchtige greifen deshalb seit ein paar Jahren zum Schmerzpflaster. Das ist für 15 Euro zu haben und das darin enthaltene Fentanyl reicht für rund zehn Schüsse. Dazu wird das Pflaster in Schnipsel geschnitten, der gegen Tumorschmerzen entwickelte Wirkstoff mit einem Löffel über einer Flamme ausgekocht und anschließend ins Blut gespritzt. Für viele ist so ein Pflaster sogar billiger als die Fahrt zur kostenlosen Substitution. Und immer mehr greifen nicht nur anstelle der Ersatzdroge Methadon zum Schmerzpflaster: Die, die seit der Substitution zwar keinen Suchtzwang aber auch kein Rauscherlebnis mehr haben, greifen gleich zu beidem. Junkies suchen eben auch dann nach dem Kick, wenn die Rezeptoren gesättigt sind. Torsten sagt, in den vergangenen zwei Jahren seien zehn Bekannte aus der Szene an Fentanyl gestorben. „Fentanyl ist der Killer unter den Opiaten", sagt Härtel-Petri. Das Pflaster sei dabei, die Erfolge des Methadonprogramms in kurzer Zeit zunichtezumachen.
Info: Opiate sind Schmerzmittel. Sie wirken an den Rezeptoren im Gehirn und regulieren das Schmerzempfinden. Führt man dem Körper regelmäßig fremde Opiate zu, hört er irgendwann auf, eigene herzustellen. Auch die Rezeptoren verändern sich mit der Zeit. Methadon gilt als Allzweckwaffe. Es passt auf alle Rezeptoren und führt dazu, dass das Bedürfnis nach Opiaten und die Entzugssymptome nachlassen.