Oberwaiz verliert ein Stück Herzlichkeit: Nach fast 18 Jahren schließen Christa und Alwin Schill ihr Wirtshaus Oberwaizer Dorfgasthaus schließt Ende Dezember

Von Heike Hampl
Ende Dezember werden Christa und Alwin Schill ein letztes Mal mit ihren Stammgästen anstoßen. "Wir sind wehmütig, aber nicht traurig", sagen sie. Foto: Harbach Foto: red

Christa und Alwin Schill geben auf. "Die Zeit ist reif", sagt Alwin Schill über das Ende seines Wirtshauses in Oberwaiz. Fast 18 Jahre lang haben er und seine Frau in Oberwaiz Bier gezapft und Braten gekocht, geschuftet und gelacht. Doch manches Erlebnis hat sie auch enttäuscht.

 
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Während sie über das Ende sprechen, lachen sie genauso viel wie sonst. Christa und Alwin Schill geben auf. Am Sonntag, dem 28. Dezember, werden sie die Türen zum Dorfgasthaus in Oberwaiz zum letzten Mal öffnen – und dann für immer schließen. Sie wissen schon, was sie am meisten vermissen werden: „Unsere Stammgäste. Sie sind Freunde geworden“, sagt Christa Schill. Sie bringt einen Umschlag zum Tisch, der voller Fotos ist. Die Wirtin legt die Bilder wie Karten auf den Tisch. „Mensch Alwin, weißt du noch?“, sagt sie, ohne aufzublicken. „Das waren Zeiten. Mensch, und wie viele gute, nette Stammgäste sind schon gestorben.“ Ihrer beider Blicke bleiben an den Gesichtern auf den blassen Fotos hängen. Dann atmen Christa und Alwin Schill tief durch. „Wir hatten schöne Zeiten hier.“

Von der Schneiderin zur Köchin

Das Ehepaar hat das Dorfgasthaus in der Mitte des Eckersdorfer Ortsteiles Oberwaiz im Jahr 1997 übernommen. Einer ihrer beiden Söhne hatte das Wirtshaus gekauft, gemeinsam mit der Werkstatt nebenan, wo er bis heute seinen Betrieb hat. Christa Schill (67) war damals Schneiderin gewesen, Alwin Schill (75) Bauleiter – er war verantwortlich für große Bauprojekte in der Stadt Bayreuth, das Eisstadion zum Beispiel. Aber irgendwie war da diese Lust, noch mal etwas anderes auszuprobieren. „Wir wussten, das würde uns wahnsinnig viel Spaß machen“, sagt Alwin Schill. Dass sie als Wirte nicht reich werden würden, wussten sie auch. „Am Ende waren wir froh, wenn die Kosten gedeckt waren und ein bisschen was übrig blieb.“ Hauptsache genug für den regelmäßigen Urlaub in Bad Füssing. „Dort sind wir nämlich mal die Stammgäste“, sagt Alwin Schill.

Einstand mit Kerwa

Das Dorfgasthaus war schon früher eine Institution in Oberwaiz gewesen. Bevor es zum Gasthaus der Schills wurde, floss viel Geld in das Haus. Den alten Saal im Obergeschoss baute das Ehepaar zu einer Wohnung für den Sohn um. Das ehemalige Schlachthaus machten sie zur Küche. Die Einrichtung erneuerten sie. Christa Schill band sich die Schürze um und wurde von der Schneiderin zur Köchin. „Das habe ich immer gern gemacht, meine Mutter war gelernte Köchin“, sagt sie und hält sich die Hände vor das Gesicht, wenn sie sich lachend an ihre erste Woche als Wirtin erinnert. „Wir haben natürlich gleich das volle Programm abbekommen – es war Kerwa. Kaum zu glauben, dass wir das bewältigt haben.“ Christa Schill blickt ihren Mann durchdringend an. Er lächelt: „Ja“, sagt er. „Wir mussten uns erst mal daran gewöhnen, zusammen zu arbeiten.“

Alles frisch

Christa Schill bestand immer darauf, alles selbst und frisch zu kochen. Fleisch vom Metzger, Klöße bloß nicht aus der Tüte. Wie viele Rouladen, Sauerbraten, Schnitzel und Siedwürste sie in all den Jahren gekocht hat – sie hat es nicht gezählt. Aber die Arbeit in der Küche war hart genug, um ihre Hüftgelenke zu zerstören. Stehen, heben, hetzen. Nur wenige Wochen nach ihren Hüftoperationen stand Christa Schill wieder in der Küche und wuchtete Töpfe umher. „Jetzt merke ich langsam, dass es nicht mehr so einfach geht“, sagt sie und ihr Lächeln verschwindet kurz. Auch Alwin Schill ist nicht mehr so fit wie früher, eine Augenkrankheit macht ihm Probleme. „Solange wir noch können, wollen wir noch was von der Welt sehen, was erleben“, sagt Alwin Schill. Deswegen machen sie jetzt Schluss. „Die Zeit ist reif. Es war immer schön. Aber es ist nicht mehr, wie es mal war.“

Böse Verdächtigungen

Die Jahre haben sie geprägt, haben auch Wunden gerissen, die nie richtig heilten. Als vor sieben Jahren eine anonyme Anzeige gegen eine Schwarzgastronomie in einer Hütte in Oberwaiz einging, standen Christa und Alwin Schill plötzlich im Verdacht, den Wirt verraten zu haben. Man unterstellte ihnen Neid, „das hat und damals schwer getroffen und hängt uns bis heute nach“, sagt Alwin Schill. Mancher Gast blieb aus, die Blicke auf der Straßen schmerzten. Die Schills, die man in Oberwaiz als lustige und unkomplizierte Leute kennt, als Wirte, die niemals ein Hausverbot aussprechen und die freundlich bleiben, wenn ein Gast nach zu viel Bier mal laut wird – plötzlich sprach man schlecht über sie. „Das war eine schwierige Zeit“, sagt Christa Schill. Und ihr Mann schiebt hinterher:„Und selbst nachdem öffentlich wurde, wer die Anzeige erstattet hat, hat sich niemand bei uns entschuldigt.“

Nach dem Ende die Goldene Hochzeit

Auch dieses Kapitel ihres Lebens schließen die Schills am 28. Dezember mit der Wirtshaustür endgültig, zwei Tage später feiern sie ihre Goldene Hochzeit. Und solange kochen sie, zapfen Bier, ratschen, stöbern in alten Fotos und schauen sich Videos an von ihren Stammgästen, wie sie singen und Kartenspielen. „Wir sind wehmütig. Aber nicht traurig.“