Chemtrails: "Hochgradig lächerlich"

Von Susanne Will

Für viele Menschen gibt es keine einfachen Kondensstreifen am Himmel mehr. Für sie sind es Chemtrails. Die würden wahlweise den Mensch vergiften oder gezielt das Wetter verändern. Und wer das nicht glaubt, ist von den gesteuerten Mainstream-Medien manipuliert worden. Was ein Chemiker der Uni Bayreuth dazu sagt und wie Journalist Joachim Bublath wider Willen zum Held aller Chemtrail-Anhänger wurde. 

 
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Für den einen sind es Kondenstreifen, für den anderen Chemtrails, die wahlweise den Menschen vergiften oder das Klima manipulieren. Foto: Frank Rumpenhorst/dpa Foto: red

Verschwörungstheoretiker gibt es weltweit, auch in Oberfranken. Als kürzlich eine Glosse über Chemtrails erschien, schrieb ein Mann aus Betzenstein einen Leserbrief. Der Kurier befinde sich „nachweislich“ auf einem „unseriösen Holzweg“, wenn er das Phänomen Chemtrail lächerlich mache. Der Mann zitiert zum Beweis aus seinem selbst verfassten BuchVerschwörungstheorien: Eine Nahaufnahme“: „…ist es zumindest in den USA ein offenes Geheimnis, dass bereits seit vielen Jahren Metallpartikel in der Atmosphäre versprüht werden, um damit gezielte Eingriffe in das Wetter und Klima vorzunehmen“.

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Die Chemtrail-Gläubigen sehen in der Form und der Dauer, wie lange die Kondensstreifen am Himmel stehen, bereits einen Beweis dafür, dass etwas nicht in Ordnung ist. Früher, so heißt es bei ihnen, sei das nicht so gewesen.

Für alle Phänomene gibt es naturwissenschaftliche Erklärungen

Andreas Held ist Naturwissenschaftler. Er unterrichtet Atmosphärische Chemie an der Uni Bayreuth. Er sagt: „Es spricht nichts dafür, dass irgendetwas den Kondensstreifen zugesetzt wird. Man kann für alle diese Phänomene, die als Beispiele angeführt werden, ganz normale und naturwissenschaftliche Erklärungen abgeben.“ So spiele die Meteorologie eine große Rolle und die Höhe, in der das Flugzeug fliege. Held: „Aus den Triebwerken kommt Wasserdampf mit hoher Temperatur, an den Abgaspartikeln lagert sich Wasser ab, das Kristalle bilden kann – so entsteht der Kondensstreifen.“ Wie lange der am Himmel stehen bleibt, hänge davon ab, in welcher Höhe welche Luftfeuchtigkeit im Verhältnis zur Temperatur herrsche.

Was dem Kondensstreifen zugesetzt wird, glauben die meisten Chemtrail-Anhänger auch zu wissen: Aluminium, unter anderem, um das Wetter zu verändern. Andreas Held: „Es ist richtig, dass es Unternehmen gibt, die Silberjodit-Partikel in die Luft einbringen, um vor Hagel oder starkem Gewitter zu schützen. Das hat einen gewissen Einfluss auf den Niederschlag. Aber aus wissenschaftlicher Sicht muss man klar sagen, dass es nicht möglich ist, das Wetter so zu verändern, wie man es haben möchte.“ Er vergleicht dieses Vorgehen mit dem Tanz der Indianer ums Feuer: „Da dringt der Rauch in die Umwelt, es kann eine Wolke entstehen – oder auch nicht.“

"Ich kann nicht argumentieren, wenn jemand nicht zugänglich ist"

Der Wissenschaftler weiß, dass es aussichtslos es ist, mit Verschwörungstheoretikern zu diskutieren. „Ich kann nicht argumentieren, wenn jemand nicht zugänglich ist.“ In der faktenfreien Welt der Chemtrail-Aktivisten stoße er auf taube Ohren. „Wir können versuchen zu erklären, wie Kondensstreifen entstehen – aber das klappt nur bei denen, die offen sind.“

Angenommen, die Verschwörungstheoretiker hätten Recht: Weltweit würden Piloten oder Bordpersonal heimlich Zusätze in den Treibstoff oder andere Flüssigkeiten einbringen, ohne dass davon ein anderer erfahren würde? Held: „Was die Sache mit der Geheimhaltung angeht, da appelliere ich einfach an den gesunden Menschenverstand.“

Pilot: "Das ist lächerlich"

Johannes Bühler äußert sich dazu direkter: „Das ist hochgradig lächerlich.“ 42 Jahre lang steuerte der 61-jährige Bayreuther für die Lufthansa als Pilot Boeings und Airbus-Maschinen. „Es gibt keinen Geheimknopf, mit dem wir irgendeinen Zusatzstoff steuern würden.“ Johannes Bühler ist der Vorsitzende der Bayreuther Luftsportgemeinschaft. Was ihn am meisten ärgert, ist der Verschwörungsvorwurf, dass Piloten, Bodenpersonal, Wartungsmitarbeiter und Ingenieure alle unter einer Decke stecken sollen – weltweit. „Das ist vollkommen absurd.“ Dass mehr Kondensstreifen am Himmel zu sehen sind, liege nur an der enormen Zunahme des Luftverkehrs.

 

Joachim Bublath - unfreiwilliger Held aller Chemtrail-Anhänger

Chemtrail-Anhänger scheinen in einer faktenfreien Welt zu leben. Ein gutes Beispiel dafür ist das, was Joachim Bublath passiert ist. Wer das Stichwort Chemtrails googelt, stößt unweigerlich auf den Namen des renommierten Journalisten. Der Physiker und Fernsehmoderator ist vielen noch aus der „Großen Knoff-Hoff-Show“ bekannt. „Aus Forschung und Technik“ und „Abenteuer Forschung“ waren weitere Sendungen, die er moderierte: Er machte Wissen begreifbar.

In Chemtrail-Diskussionen, auf Verschwörungs-Plattformen und in Chats auf sozialen Netzwerken wird ihm oft gehuldigt, sei er doch der erste gewesen, der offiziell von Chemtrails gesprochen habe. Nur: Das hat er gar nicht.

In der betreffenden Sendung vor etwa zehn Jahren fragte Bublath in seiner ZDF-Sendung „Joachim Bublath“ ob es „Rettung für das Klima?“ gebe. Er gab viele Antworten. Er berichtete von „Vorschlägen“ von Forschern, die die Klimaerwärmung stoppen sollen. Eine der Theorien: Flugzeuge sollen Schwefel in die Atmosphäre bringe, auf dass durch die Verbrennung Schwefeldioxid entsteht. „Entlang der weltweiten Flugrouten soll das Gas global verteilt werden und die Erderwärmung bremsen oder sogar stoppen.“ Doch aufgrund der Giftigkeit des Schwefelgases warnte Bublath vor derartigen Versuchen. „Man sollte sich vor solch massiven Eingriffen hüten.“

Bublath sprach von Vorschlägen, von Gedanken und Theorien einiger Forscher. Dennoch wird er deshalb seit Jahren als Überbringer der Beweise für eine Existenz von Chemtrails gesehen. Und Joachim Bublath wusste das nicht, bis der Kurier ihn dazu anrief. Bublath reagierte vollkommen überrascht: „Das wusste ich nicht. Da hat man mich wohl gründlich missverstanden.“ Das Problem sei, dass sich die Menschen auf einfache Verschwörungstheorien zurückzögen, weshalb Scharlatane gerade im Vorteil sein. „Die Leute hören, was sie hören wollen. Es muss doch möglich sein, solche Theorien vorzuführen. Was die Leute am Himmel sehen, sind Kondensstreifen. Das war es auch schon.“