Bürgermeister: Gegen Dorfabrundung spricht nichts Anwohner wehren sich: Bindlacher Ortsteil Pferch soll um ein Drittel wachsen

Von Christina Knorz

Im Bindlacher Ortsteil Pferch gibt es Ärger. Ein Anwohner will ein Baugebiet mit fünf Plätzen ausweisen. Die anderen Pfercher wollen nicht, dass ihr Dorf um ein Drittel wächst und sammeln Unterschriften. Bürgermeister und Architekt sagen: Gegen Dorfabrundungen, die vernünftig gemacht sind, spreche in Pferch und auch anderswo nichts.

 
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Die Anwohner: Monika Oberst (45) fühlt sich von der Gemeinde "hinters Licht geführt". Früher habe keiner einfach bauen dürfen, wie er wolle. Und jetzt fünf Bauplätze auf einmal. "Da stimmt was nicht", sagt die Anwohnerin. Sie hat Unterschriften der meisten Pfercher gegen das Projekt gesammelt. Wenn jetzt einer anfange, einen Acker in Bauland umzuwidmen, trete er eine Welle los. "Dann verkaufen andere Landwirte auch und machen Bauland draus, und dann ist es dahin mit unserer schönen Natur", sagt Oberst. Außerdem sorgt sie sich, ob der einzige Trafo genügend Strom leisten kann und ob der Kanal ausreiche. "Sonst werden wir mit zur Kasse gebeten."

Ausicht wird verbaut

Klaus Kolb (48) ärgert sich, dass "auf einmal" anderes Recht gelte als früher. "Ich habe Mitte der 90er Jahre nicht bauen dürfen", sagt Kolb. Er habe zehn Meter vom Grundstück der Eltern entfernt sein Haus hinsetzen wollen. "Damals hat mir die Gemeinde gesagt, das stört den dörflichen Charakter." Also baute er direkt ans Haus der Eltern an. Bisher sieht man von seinem Wohnzimmerfenster aus Felder. Wird der Bebauungsplan genehmigt, schaut er künftig auf fünf Häuser.

Geht es nur um Profit?

Auch Dieter Badewitz ist mit dem Bauplan nicht einverstanden. Er habe Mitte der 90er Jahre nicht für ein Kind außerhalb des Grundstücks bauen dürfen. Für sein eigenes Haus hat er von jedem Nachbarn die Unterschrift gebraucht. Er versteht nicht, warum das jetzt nicht geschieht. "Es gibt in Bindlach und Ramsenthal noch genug Baugrund, soll er doch dort bauen. Aber hier geht es um Profit."

Andrea Kolb (39), die Schwester von Klaus Kolb, hat Sorge um die Dimension des Projekts. "Pferch wird um ein Drittel größer", sagt sie. Derzeit habe der Bindlacher Ortsteil 15 Häuser. Außerdem ärgert sie die Informationspolitik der Gemeinde. "Während der Bürgerversammlung hieß es nocht, Pferch sei kein Baugebiet, dann lese ich zufällig im Gemeindeblatt, dass es fünf neue Häuser geben soll."

Bauherr ist völlig überrascht

Der Bauherr: Christian Hübsch (60) wohnt in Heisenstein, ein paar Hundert Meter vom Pfercher Ortsrand  entfernt. Das Grundstück hat er von seinem Vater geerbt. Bisher ist es Acker und als Landschaftsschutzgebiet ausgewiesen. Hübsch ist vom Gegenwind für sein Projekt "völlig überrascht". Er habe die nächsten Nachbarn vorab informiert. "Aber dass der ganze Ort etwas dagegen hat, hätte ich nie gedacht." Er habe zwei Kinder und drei Enkel und wolle seine Angelegenheiten geordnet hinterlassen. "Dass es keine rechtlichen Unklarheiten und keine offenen Familienangelegenheiten gibt."

Das Neubau-Grundstück von Hübsch grenzt an das seiner Schwester an. "Ich kann verstehen, dass man keine Nachbarn haben will, wenn man es lange anders gewohnt war." Es gehe ihm auch nicht darum, das Grundstück sofort vollzubauen. "Mein Sohn wollte dieses Jahr mit seinem Haus anfangen." Ob am Ende nur die Familie dort wohnen werde, oder ob auch vermietet oder ein Grundstück verkauft wird, wisse er nicht. "Ich werde die Erschließung mit Straße und Kanalanschluss selbst zahlen müssen, mal schauen, ob mir das allein gelingt."

Niemand darf ins freie Feld bauen

Der ehemalige Verwaltungsleiter: Neithard Prell ist jetzt Fraktionsvorsitzender der WG im Bindlacher Gemeinderat. Viele Jahrzehnte war er aber auch Verwaltungsleiter der Gemeinde - auch Mitte der 90er Jahre. Mit den Vorwürfen von Kolb und Badewitz konfrontiert, dass sie früher in Pferch nicht hätten bauen dürfen, sagte er: "Das ist ein Witz." Natürlich sei in Pferch gebaut worden. Aber man hätte nicht ins freie Feld bauen dürfen. "Das darf man nur mit landwirtschaftlichem Privileg."

Auch dass Fremde nicht bauen durften, stimme nicht, sagt Prell. "Was soll das denn für ein Recht sein? Vielleicht hat es sich so ergeben, dass nur Familienangehörige bauen wollte." Früher, das habe sich tatsächlich mittlerweile geändert, habe der Kanal in Pferch nicht ausgereicht. Er habe sich über den Einwand der Pfercher "sehr gewundert". "Man muss froh sein, dass in den Ortsteilen Baubewegung reinkommt." Wer seine freie Sicht behalten wolle, müsse die angrenzenden Grundstücke kaufen. "Man kann sich im Leben nicht in eine Enklave einschließen, die Welt dreht sich weiter."

Der Architekt: Berthold Just macht den Bauleitplan für Christian Hübsch. Er hat das Lärmgutachten für das Neubaugebiet in Auftrag gegeben und ermittelt, dass es mit einem zwei Meter hohen Wall zur Straße und zu Opels Sonnenhof hin abgegrenzt werden muss. "Sonst wäre es nicht genehmigungsfähig", sagt Just. Als Ausgleich für das wegfallende Landschaftsschutzgebiet werde Hübsch eine Hecke verbreitern und pflegen.

In seiner Funktion als CSU-Vorsitzender im Gemeinderat kennt Just die Querelen, wenn "einfach drauflos gebaut wird ohne Bauleitplan". Über "einige Stellen" im Gemeindegebiet ärgere man sich im Rathaus wegen des Versäumnisses. "Da baut sich dann einer einen kleinen Weg, und am Ende ist die Gemeinde der Dumme." Auch wenn Hübsch nie seine Bauplätze voll bauen werde, seien Zufahrten, Kanalanschluss und Abstände verbindlich geregelt.

Zwei völlig andere Verfahren

Zum Vorwurf von Nachbar Badewitz, er habe früher Unterschriften der Nachbarn einholen müssen und Hübsch müsse das nicht, sagt Just: "Stimmt, das sind auch zwei unterschiedliche Verfahren." Wer ein Haus bauen wollen, stelle ein sogenanntes Baugesuch. Dafür brauche er die Unterschriften der Nachbarn. Unterschreibe ein Nachbar nicht, erhalte der eine Frist, dagegen Widerspruch einzulegen.

In der Bauleitplanung dagegen, wie im Fall von Hübsch, können Anwohner und Behörden schriftlich Widerspruch einlegen. Das Verfahren gehe über das bloße Unterschriftensammeln hinaus. In zwei Verfahrensschritten haben beide Gruppen die Möglichkeit, Einwende geltend zu machen. Die wäge man ab. Erst einmal im Vorverfahren, dann noch einmal im Hauptverfahren. Erst dann erfolge die Genehmigung.

Der Bürgermeister: Gerald Kolb sagt, es sei seine Aufgabe als Bürgermeister, die Gemeinde weiterzuentwickeln. Dazu gehöre auch, Bauherren keine Steine in den Weg zu legen. Wöchentlich gebe es Anfragen für Bauplätze im Rathaus. "Wir sind schon fast verzweifelt", sagt Kolb. Die Stadtnähe beflügele das Bauinteresse in Bindlach. "Es gibt viele, die unsere landschaftlichen Gegebenheiten mit uns genießen wollen", sagt Kolb. "Warum auch nicht?" Er sei der Letzte, der alles zupflastern wolle. Bindlach sei ländlich geprägt und das solle auch so bleiben. "Wo es aber verträglich ist, werden wir versuchen in den Ortsteilen Ergänzungen zuzulassen", sagt Kolb.

Der nächste Schritt: Der Gemeinderat wird in der Sitzung am Montag, 31. August, ab 19 Uhr die Stellungnahmen der Anwohner und Behörden behandeln. Danach werden die Pläne noch einmal ausgelegt. Am Montag werden auch voraussichtlich Bauherr und Anwohner aufeinandertreffen. Sie haben vor, an der Sitzung teilzunehmen.

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