Brustkrebs ist kein Todesurteil

Von Ulrike Sommerer
Symbolfoto: Brustkrebs gilt als häufigste Krebserkrankung bei Frauen. Die Deutsche Krebsgesellschaft hat Frauen über 50 Jahren aufgefordert, die Angebote zu einer kostenlosen Mammographie zu nutzen. Foto: red

An dem Tag, als Junta Haaß die Diagnose Brustkrebs bekam, ging sie abends ins Konzert. War ja schon lange geplant. Eine Freundin, die sie dort traf, sprach sie auf ihr schlechtes Aussehen an. Junta Haaß sagte nur "wenn du gerade gehört hättest, dass du Brustkrebs hast, würdest du auch nicht gut aussehen", drehte sich um und ging weiter. Ab diesem Tag lebte Junta Haaß nicht mehr. "Ich wurde gelebt." Krebs. Brustkrebs. Die Diagnose trifft jährlich fast 70000 Frauen in Deutschland. Eine Diagnose, die das Leben bestimmt. Am Samstag, 22. Oktober, 10 bis 14 Uhr, gibt es im Klinikum Bayreuth Informationen zu diesem Thema.

 
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Auch Junta Haaß wird dabei sein. Weil sie weiß, wie sich eine Frau fühlt, wenn sie Brustkrebs hat. Sich ihr Körper verändert, sie sich nicht mehr als Frau fühlt und sie Angst vor dem Tod hat. Sie will davon erzählen, dass es nach einer Krebsdiagnose weitergeht. Sie will zeigen "ich habe es überlebt".

Arzt: Zur Vorsorge gehen!

Das Brustkrebs ist seit Menschengedenken eine Erkrankung, die Frauen aber auch die Ärzte herausfordert, sagt Nikos Fersis, Leiter des Brustzentrums am Klinikum Bayreuth. Meist trifft es Frauen nach den Wechseljahren, deshalb sollten gerade diese Frauen jährlich zur Vorsorge gehen. Brustkrebs "kann nicht verhindert werden", sagt Fersis. Auch wenn ein gesunder Lebensstil (zum Beispiel Normalgwicht, regelmäßig Sport) sich positiv auswirken würde. "Daher liegt der Fokus auf der sekundären Prävention. Die beste Methode dabei ist die systematische Mammografie (Früherkennung-Programme oder auch als Mammografie-Screening bekannt). Damit können wir kleinere Mammakarzinome aufspüren."

Die Weiblichkeit verloren

Junta Haaß war 61 Jahre alt, als sie an Brustkrebs erkrankte. Sie hatte schon länger geahnt, dass irgendetwas nicht passte. Als sie dann zum Arzt ging, ging alles Schlag auf Schlag. Untersuchung beim Frauenarzt, Kernspintomografie ("der Arzt sah gleich, dass das Krebs ist und dass es bösartig ist"), Operation, Bestrahlung.

Junta Haaß beschreibt ihr Leben damals als Leben unter einer Glocke. Im Hinterkopf war immer die Erkrankung. Die Diagnose Krebs stand vor ihr wie eine Mauer. "Aber ich habe agiert." Sie fuhr mit ihrer Mutter nach Salzburg. War ja schon lange geplant. Sie ließ die Behandlungen über sich ergehen, ohne sie zu hinterfragen. "Ich habe den Ärzten komplett vertraut." Auch die Chemotherapie steckte sie relativ gut weg. Das Schlimmste für sie war, als ihr die Haare ausfielen. Als jeden Morgen Haarbüschel auf ihrem Kopfkissen lagen, ließ sie sich ihre einst sehr langen Haare abrasieren. Sie trug ein Mützchen. Wenn jemand die Mütze als Pariser Chic lobte, sagte sie, das sei nicht wegen Paris, das sei wegen der Chemotherapie.

Dem Leben Qualität geben

"Bei der Diagnose Brustkrebs sprechen wir nicht mehr von einem Todesurteil“, sagt Fersis. "Wir erreichen selbst bei fortgeschrittenen Stadien der Brustkrebserkrankung mit zielgerichteten Therapiemaßnahmen Verbesserung in der Lebensqualität." Vor allem die Medikamente, die die Frauen während der Behandlung bekommen, würden die Lebensqualität mindern. Ärzte setzen mit einem frühzeitigen Behandlungsplan deshalb darauf, Nebenwirkungen zu vermeiden. Fersis: "Ich sage  meinen Patientinnen: Man sollte nicht nur für den Krebs leben, sondern mit dem Krebs. Ich möchte die gesamte Behandlung mit dem Leben der Patientinnen in Einklang bringen. Die Frauen sollen ihre Lebensgewohnheiten ohne großen Lebensqualitätsverlust beibehalten, denn sie sind genauso wichtig, wie alle therapeutischen Maßnahmen."

Junta Haaß begann, das Leben anders zu sehen. Genoss  den Winter. Die erste Ananas nach der Chemotherapie - noch heute lacht sie über den horrenden Preis, auf den sie hereinfiel, weil damals die Zeit der Euroeinführung war. Geweint hat Junta Haaß lange nicht. Die Tränen kamen erst spät. Auch Wutausbrüche kamen dann. Immerzu die Frage: Warum ich? Geholfen hat ihr ihr Mann. Er war immer da. Und Freunde. Die immer da waren. Die anboten, mit ihr zu weinen. Die ihr den Garten voller Märzenbecher pflanzten.

Senocura: Patientinnen helfen Patientinnen

Immer ging Junta Haaß ganz offen mit ihrer Erkrankung um. Vielleicht machte auch das es ihr leicht, Jahre später, als Patientenbetreuerin andere Frauen zu begleiten. Seit 2007 gehört sie der Vereinigung Senocura an, seit einigen Jahren ist sie Ansprechpartnerin für Frauen, die gerade mit der Krebsdiagnose zu kämpfen haben. Es sei leichter, mit einer Frau zu reden, die weiß, wovon sie spricht. Die selbst durchgemacht hat, was es heißt, an Krebs erkrankt zu sein. Eine, der man von dem Gefühl des Verlusts der Weiblichkeit erzählen kann. Darüber rede man ja nicht mit dem eigenen Mann.

Der Krebs ist, obwohl überwunden, präsent. Jedesmal, wenn ihr Körper ist, wie er sonst nicht ist, kommt die Angst, es könnte wieder Krebs sein. "Das lässt einen nie los." Aber  sie sagt auch: "Ich habe überlebt. Es geht weiter."

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