Warum hat Frankreich in Europa eine Sonderrolle?
56 der 100 Atomkraftwerke in Europa sind in Frankreich. Grundsätzlich wird der Bau von 14 oder mehr neuer Anlagen in Erwägung gezogen. Außerdem soll die Laufzeit bestehender Kraftwerke verlängert werden, wenn die Sicherheit dies zulässt. Jedoch zeigt sich auch, wie schwierig der Neubau ist: Mitte 2024 soll in Flamanville in der Normandie ein neuer Meiler ans Netz gehen - mehr als 16 Jahre nach Baubeginn und mit geschätzten Kosten von 13,2 Milliarden Euro viermal so teuer wie vorgesehen. Als Atommacht setzt Frankreich aber auch aus anderen Gründen auf Kernkraft: Frankreichs Verteidigungsministerium hat angekündigt, im AKW Civaux Material, das Lithium enthält, anreichern zu wollen. Daraus soll das Gas Tritium für Abschreckungswaffen gewonnen werden.
Wie ist die Lage weltweit?
Derzeit sind laut IAEA weltweit 415 Atomreaktoren in Betrieb. Die USA sind nach Angaben der Lobbyorganisation WNA der weltweit größte Produzent von Kernenergie, gefolgt von China und Frankreich. In der amerikanischen Bevölkerung ist die Unterstützung für Atomstrom gewachsen, wohl auch wegen steigender Öl- und Gaspreise. Laut Umfragen spricht sich eine Mehrheit für die Nutzung von Kernenergie aus. Derzeit sind landesweit 94 Reaktoren im Einsatz. China und Indien treiben derzeit den Ausbau von Kernkraftwerken am aktivsten voran.
Wie ist die Situation in Deutschland?
Trotz des vollzogenen Atomausstiegs gibt es Rufe nach einem Wiedereinstieg. CDU und CSU machen sich dafür ebenso stark wie FDP und AfD. Dagegen betonen SPD und Grüne, dass die Atomkraft keine Zukunft hat und der Ausbau der erneuerbaren Energien auch aus Kostengründen vorangetrieben werden müsse. Kanzler Olaf Scholz (SPD) erklärte im vergangenen Jahr, wer neue Atomkraftwerke fordere, verkenne die langen Bauzeiten sowie hohen Bau- und Stromkosten. "Der Atomausstieg macht unser Land sicherer, die Risiken der Atomkraft sind letztlich unbeherrschbar", betonte das Umweltministerium.
Welche Erwartungen verbinden die Befürworter mit der Atomkraft?
Bei der Weltklimakonferenz Ende 2023 hatten rund 20 Staaten angekündigt, zum Wohle des Klimas die Energieerzeugung aus Atomkraft hochschrauben zu wollen. Bis zum Jahr 2050 sollten die Kapazitäten verdreifacht werden, hieß es in einer Erklärung, die unter anderem von Frankreich und den USA unterzeichnet wurde. Dafür müsste die aktuelle Kapazität von gut 370 Gigawatt um etwa 740 GW ausgebaut werden. Die IEA hat jedoch darauf hingewiesen, dass die Gesamtleistung aller im Bau befindlichen und geplanten Reaktoren dazu bei Weitem nicht ausreicht.
Warum ist Atomkraft umstritten?
Umweltorganisationen wie Greenpeace fordern, Regierungen sollten ihre Energieziele mithilfe erneuerbarer Energien erreichen. Greenpeace-Aktivisten machten am Konferenzort in Brüssel mit einer Abseil-Aktion auf sich aufmerksam. Umstritten sind AKW vor allem wegen der hohen Risiken, wie die Reaktorkatastrophen in Tschernobyl und Fukushima gezeigt haben. Experten sagen zudem, dass ohne staatliche Subventionen die Kosten niemals wirtschaftlich seien. Da die Uranvorkommen auch endlich sind, erwarten Fachleute auch hier stark steigende Preise und wegen der langen Bauzeiten der Meiler sei die Technologie nicht geeignet, im Kampf gegen die Klimakrise etwas zu bewirken. Hinzu kommt die nicht gelöste Frage der Endlagerung des radioaktiven Abfalls.