Bluttat unter Leiharbeitern

Von Manfred Scherer
Archivfoto: Arne Dedert/dpa Foto: red

Es war Allerheiligen, doch er machte den Feiertag zur blutigen Angelegenheit. Weil ein 27-jähriger Bauarbeiter aus Rumänien einen Kollegen mit einem Messer schwer im Gesicht verletzte, steht er nun vor dem Bayreuther Schwurgericht. Die Anklage wirft ihm versuchten Totschlag vor. War es das wirklich?

 
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Die Tat geschah am frühen Abend des 1. November vergangenen Jahres in einer Pension in einem kleinen Ort bei Stadtsteinach. In der Pension wohnte eine Gruppe Leiharbeiter aus Rumänien. Die Männer waren als Leiharbeiter einer deutschen Firma auf der Baustelle des Kulmbacher Klinikums eingesetzt.

Narbe vom Ohrläppchen zum Mundwinkel

Der 27-jährige Angeklagte soll laut der Anklage während eines Streits mit dem 36-jährigen Kollegen ein Klappmesser gezückt und den anderen im Gesicht verletzt haben. Das Opfer erlitt im Gesicht zwei Schnitte: Der eine zog sich vom rechten Ohrläppchen bis zum rechten Mundwinkel, der andere quer über den Wangenknochen der linken Gesichtshälfte.

Den möglichen Tod billigend in Kauf genommen?

Vor allem wegen des Schnittes auf der rechten Gesichtshälfte nimmt die Staatsanwaltschaft einen Tötungsversuch mit bedingtem Vorsatz an: Der Angeklagte habe nur zufällig die linke Halsschlagader verfehlt und es bei der gefährlichen Handlung in Kauf genommen, dass der mit dem Messer angegriffene Kollege tödlich verwundet werden könne.

Verteidiger erklärt: Keine Tötungsabsicht

Der Angeklagte äußerte sich persönlich nicht zu der Bluttat. Sein Verteidiger Alexander Schmidtgall gab für ihn eine Erklärung ab. Demzufolge räumt der Angeklagte zwar die Tat ein, nicht jedoch einen Tötungsvorsatz. Laut Anwalt Schmidtgall hätten die rumänischen Leiharbeiter an jenem Feiertag nicht gearbeitet und ihren freien Tag mit Alkohol gefeiert. Plötzlich und ohne Vorankündigung will der Angeklagte dann von dem 36-Jährigen - dieser sei eine Art Vorarbeiter für die insgesamt 13 rumänischen Leiharbeiter gewesen - beleidigt worden sein.

Aus dem Nichts heraus habe der 36-Jährige dem Angeklagten einen Faustschlag versetzt. Der Streit sei handgreiflich geworden. Anwalt Schmidtgall: "Mein Mandant räumt die Messerstiche in Richtung Gesicht ein. Er betont aber, dass er keine Absicht hatte, ihn zu töten. Er hat sich provoziert gefühlt und zugestochen, weil er wollte, dass der andere aufhört."

Opfer war stark betrunken

Der Verletzte, der zwei große Narben im Gesicht hat, räumte als Zeuge vor Gericht ein, dass es Zwistigkeiten gegeben hatte, weil einer der Rumänen bei der Rückfahrt in den kleinen Ort sich verfahren hatte und er kurz vor der Tat den Angeklagten übel beschimpft habe. Dass er ihm einen Faustschlag verpasst habe, daran könne oder wolle sich der Verletzte nicht erinnern. Er sagte als Zeuge: "Ja, ich war betrunken."

Zeugen bestätigen Faustschlag

Betrunken? Tatsächlich war der Verletzte nach normalen Maßstäben voll: Etwa drei Promille hatte er zur Tatzeit, wie eine Blutentnahme später ergab. Der Angeklagte hatte etwa 0,9 Promille intus, also weit weniger.

Kollegen der beiden Männer bestätigten, einen Faustschlag des Opfers gesehen zu haben. Der einzige der Bauarbeiter, der nüchtern war, weil er zuvor als Fahrer für alle fungiert hatte, schilderte als Zeuge vor Gericht, wie er sich zwischen den Angeklagten und das Opfer gestellt hatte: Beide seien sich Angesicht zu Angesicht gegenüber gestanden, er habe dem Angeklagten den Messerarm auf den Rücken gedreht und ihm das Messer entwunden.

Schnitt konkret nicht lebensgefährlich

Ein Gerichtsmediziner erklärte, der Schnitt auf der linken Wange sei nur theoretisch als lebensgefährlich zu bezeichnen, im konkreten Fall sei dies aber nicht so gewesen: Die Halsschlagader liege ein gutes Stück weiter unten.

Eine mögliche Provokation, keine das Leben gefährdende Behandlung - es spricht einiges dafür, dass der Angeklagte nur wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt werden könnte. Ob sich die Anzeichen dafür verdichten, wird der weitere Prozessverlauf zeigen.

 

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