Betreuer laden zum Inklu-Dance: Tanzen für Menschen mit und ohne Handicap Diakonie: Mit Musik in die Zweisamkeit

Von
In der Tanzbar in Bayreuth wird auch Linedance gemeinsam getanzt. Foto: Georg Jahreis Foto: red

Auch Menschen mit Handicap brauchen Zweisamkeit, sagt die Betreuerin Pia Aßmann aus Himmelkron. Sie initiert den Inklu-Dance in Bayreuth, eine Tanzgelegenheit für Menschen mit und ohne Behinderung. Musik und Disco-Flair kommen gut an. Der Anfang ist gemacht. Doch bis in die Zweisamkeit ist es noch ein weiter Weg.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Draußen ist es hell und 28 Grad warm. Die Sonne strahlt. Drinnen ist es dunkel. Angenehm kühl. Farbige Scheinwerfer. Grün. Blau. Lila. Weiß. Gelb. Die Neonröhren wechseln im Takt ihre Farben. Noch ist die Tanzfläche in der Tanzbar Bayreuth leer. Pia Aßmann und ihre Mitstreiter vom Himmelkroner Betreuerstammtisch haben zum ersten Inklu-Dance eingeladen – eine Tanzveranstaltung „für Menschen mit und ohne Handicap“ steht auf dem Flyer.

Relativ selbständig

Auf dem Parkplatz vor dem Tanzlokal hält ein weißer Omnibus. Etwa 30 Menschen steigen aus. Himmelkroner und Neuenmarkter, Heimbewohner der Diakonie. Einige wohnen relativ selbstständig in Gruppen zusammen, manch einer wohnt sogar allein. Handicap ist eben nicht gleich Handicap. Was alle eint, ist die Lust auf die kommenden dreieinhalb Stunden, die Lust aufs Tanzen und Feiern. „Ein 40-Jähriger, den ich betreue, sucht eine Freundin. Daher bin ich auf die Idee mit dem Tanzen gekommen. Auch Menschen mit Handicap wollen und brauchen Zweisamkeit“, sagt Pia Aßmann, Initiatorin der Aktion und Mitbegründerin des Himmelkroner Betreuerstammtischs.

Bei Musik fällt es leichter

„Bei Musik ist es leichter, jemandem näherzukommen, ihn kennenzulernen“, sagt Angelika Hoch. Die Himmelkronerin betreut ehrenamtlich Menschen mit Behinderung. Trotzdem haben diese Events laut Hoch einen Haken: „Wenn in Bamberg ein Himmelkroner eine Frau kennenlernt, ist es schwierig, die Beziehung dauerhaft weiterzuführen. Die Entfernung ist dann oft einfach zu groß, um sich regelmäßig zu treffen.“ An dieser Stelle ist zu spüren, was es heißt, mit einer Einschränkung zu leben. Ein Bewohner der Himmelkroner Heime kann sich halt nun mal nicht spontan ins Auto setzen und 70 Kilometer zur Freundin fahren. „Daher gibt es jetzt den Inklu-Dance in unserer Region“, sagt Hoch.

Tanzen und Spaß haben

Himmelkroner, Neuenmarkter, Wirsberger, Marktleugaster und Bayreuther gehen auf die Tanzfläche. Der Inklu-Dance beginnt zwar um 14.30 Uhr, ist aber alles andere als ein gemütliches Kaffeekränzchen. DJ Lion legt schnelle Disco-Nummern auf. Die Tänzer singen lautstark mit. Ein großes Warm-up braucht es nicht. Gleich beim ersten Lied schwingen die Besucher ihr Tanzbein. Einer von ihnen ist Dominik Bieringer aus einer Neuenmarkter Wohngruppe. „Ich bin mit meiner Freundin hier. Wir wollen tanzen und Spaß haben. Am liebsten tanze ich zu Hip-Hop, ich höre aber eigentlich alles“, erzählt der 20-Jährige.

Mit breitem Lächeln

Neben Dominik steht noch ein weiterer junger Mann. Er hat ein breites Lächeln im Gesicht. „Ich tanze sehr gerne, vor allem zu Stimmungsmusik“, sagt Benjamin Saleny. Das alleine macht ihn aber nicht so glücklich. Der 25-jährige Himmelkroner erläutert: „Ich bin seit Freitag mit meiner neuen Freundin zusammen. Ganz frisch. Ich freue mich sehr. Heute will ich mit ihr tanzen.“

Beim Inklu-Dance gibt es auch einen kleinen Tanzkurs. Den leitet Jörg Theisen. Der Tanzlehrer weiß, worum es geht: „Heute mache ich einen relativ einfachen Line-Dance. Mir ist wichtig, dass die Leute Spaß haben, dass sie sich bewegen. Ich will sie dazu animieren. Wir Tanzlehrer sind nun einmal Animateure.“ Theisen hat mehr als 15 Jahre lang in Bayreuth Tanzkurse für Menschen mit Behinderung gehalten. „Das ist für mich immer eine erfüllende Arbeit gewesen. Deswegen habe ich zu der Veranstaltung heute auch sofort Ja gesagt.“

Grüne, gelbe und rote Flirtbändchen

In der Tanzbar wechseln sich an diesem Sonntagnachmittag die Tanzphasen ab. Zwischendurch bringt Jörg Theisen den Gästen immer wieder neue Tanzschritte bei. Die meiste Zeit kann aber frei getanzt werden – nach Lust und Laune, ohne Anleitung. Die Farben der fluoreszierenden Flirtbändchen signalisiert den anderen, wie flirtwillig man ist. Grün bedeutet: „Für fast alles zu haben.“ Gelb heißt: „Mal schauen, gib mir erst mal was aus“ und wer rot trägt, der ist bereits vergeben.

Inklu-Dance-Moderator Matthias Muth hat lange Jahre als Heilerziehungspfleger in den Himmelkroner Heimen gearbeitet. Heute ist er Geschäftsführer einer Einrichtung für Kinder-, Jugend- und Familienhilfe bei der AWO. Er sagt: „Menschen mit Behinderung fragen sich auch: Wie lerne ich jemanden kennen? Wenn sie aus dem Heim nicht herauskommen, können sie auch niemanden außerhalb des Heims kennenlernen.“

Mit Handicap rauskommen

Nur wenige Menschen ohne Handicap sind der Einladung gefolgt. Zwei davon sind Olga Runge und Günther Rachfahl. Der Bayreuther sagt: „Ich finde solche Veranstaltungen gut. Es ist wichtig, dass Menschen mit Behinderung rauskommen, Spaß haben und andere Leute treffen.“ Seine Freundin Olga Runge sieht das genauso. Sie ergänzt: „Ich finde es auch nicht so schlimm, wenn heute nicht so viele Menschen ohne Einschränkung hier sind. Man sieht, dass die Leute, die hier sind, Spaß haben. Das ist das Wichtigste.“

Hausherr Heiko Blumthaler war sofort von Pia Aßmanns Idee begeistert. Der Geschäftsinhaber der Tanzbar Bayreuth stellt sein Lokal für den Inklu-Dance kostenlos zur Verfügung. „Ich biete alle Getränke zum halben Preis an. Ich finde solche Events klasse“, sagt Blumthaler. Gemeinsam mit seiner Freundin bedient er die Besucher des Inklu-Dances. Gerade füllt er eine Spezi in ein Glas und stellt klar: „An solchen Tagen muss man kein Geld verdienen. Darum geht’s wirklich nicht.“

Autor

Bilder