Bei Vitrulan Ein Chef, der gerne Koch geworden wäre

Von Roland Töpfer
Ralf Barthmann schätzt an Oberfranken die „ländliche Lebensqualität“. Foto: Roland Töpfer Quelle: Unbekannt

MARKTSCHORGAST. Mit knapp 30 wurde er erstmals Geschäftsführer. Heute, mit 54, führt Ralf Barthmann die Vitrulan-Holding in Marktschorgast mit ihren Töchtern. 2016 war die oberfränkische Firma vom Münchner Beteiligungsunternehmen Adcuram übernommen worden. Erklärtes Ziel: Expansionskurs.

 
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„Wir haben mit negativem Ergebnis übernommen“, sagt Barthmann, seit Februar 2017 Geschäftsführer, im Gespräch mit unserer Zeitung. Im Jahr eins nach der Übernahme gab es eine schwarze Null. Jetzt schreibt Vitrulan Millionengewinne, musste aber zwischenzeitlich wegen schwächerer Geschäfte auch rund 40 Stellen abbauen.

Von den 480 Mitarbeitern arbeiten 240 am Stammsitz in Marktschorgast. Rund 100 Beschäftigte bringt der Neuerwerb der finnischen Tochter Vitrulan Composites Oy ein (wir berichteten), knapp 140 arbeiten am Standort Sonneberg-Haselbach.

Kernkompetenz des Unternehmens ist die Verarbeitung von Glasfaser zu dekorativen Wandbelägen (60 Prozent Umsatzanteil) und technischen Textilien (40 Prozent). 2019 wurden in der Gruppe Erlöse von rund 92 Millionen Euro erwirtschaftet, rund 30 Millionen davon kommen von der finnischen Tochter, die für 6,5 Millionen Euro übernommen wurde. Mit neuen Standbeinen und Produkten will Vitrulan das eher stagnierende Geschäft mit Wandbelägen mehr als kompensieren.

Bei dem Neuerwerb der finnischen Gesellschaft soll es nicht blieben. Barthmann will mit Adcuram im Rücken durch weitere Zukäufe eine größere Unternehmensgruppe aufbauen. Jetzt gelte es zwar erst einmal, die finnische Tochter zu integrieren. Aber schon in der zweiten Hälfte des kommenden Jahres könnte man sich mit weiteren Zukäufen beschäftigen.

Adcuram hat sieben Unternehmen im Portfolio. Für künftige Akquisitionen stehen der Beteiligungsfirma nach eigenen Angaben 300 Millionen Euro zur Verfügung. Investiert wird in Nachfolgeregelungen und Konzernabspaltungen. Verfolgt werde ein langfristiger Investmentansatz, sagt Barthmann. Die Beteiligungen würden im Schnitt acht bis zehn Jahre gehalten.

Wie kam Barthmann zu Vitrulan? „Ich bin immer dort, wo’s nicht langweilig wird“, sagt er. Zuletzt war er bei Synteen & Lückenhaus (technische Textilien) nahe Zürich. Jetzt ist er wieder in seiner alten Heimat, in Oberfranken. Dies war für ihn „einer der Treiber“ für den neuen Job.

Barthmann, geboren und aufgewachsen in Marktleuthen (Landkreis Wunsiedel) in einem bürgerlichen Drei-Generationen-Haus, ist das jüngste von vier Kindern. Er absolviert eine Lehre zum Werkzeugmacher, studiert in Siegen Wirtschaftsingenieurwesen und wird danach Assistent der Geschäftsleitung bei Fickenscher Werkzeug- und Formenbau in Selb. Noch heute schätzt er an seinem Studium die breite Grundausbildung.

Ganz früher wollte Barthmann mal Koch werden – „was heute noch meine Leidenschaft ist“ – , hat dies aber aus pragmatischen Gründen wieder verworfen. Barthmann hat einen 19-jährigen Sohn aus erster Ehe. Mit seiner Frau, die als Chefärztin in Tirschenreuth arbeitet, wohnt er in Fichtelberg und schätzt dort die „ländliche Lebensqualität“, das „unaufgeregte Leben“. Denn: „Genug Schlagzahl habe ich unter der Woche.“

Nächstes Jahr will er mal für zehn Tage auf ein Segelboot. Der Chef ist er dort nicht. „Ich bin der Einzige ohne Segelschein. Ich muss Kartoffeln schälen und Drinks servieren.“