Bayreuths Stadtschreiber Volker Strübing auf Weltreise in Bayreuth Vom Festspielhaus ins Festzelt

Von Volker Strübing
Elf Kandidatinnen sind am Donnerstagabend im Festzelt auf dem Bayreuther Volksfest bei der Misswahl angetreten. Gewonnen hat Alisha Pohl, eine 18-jährige Schülerin aus Bayreuth. Foto: red

Die Wahl der Miss Volksfest ist seit Jahren die Kultveranstaltung auf dem 
Bayreuther Volksfest. Elf Frauen zwischen 16 und 29 Jahren sind am Donnerstagabend um den Titel angetreten. 
Stadtschreiber Volker Strübing hat das Spektakel für den Kurier verfolgt.

 
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Wer schon einmal innerhalb von 24 Stunden sowohl den Nord- als auch den Südpol besucht hat, der kann sich vorstellen, wie es war, am Abend nach dem Geburtstagskonzert im Festspielhaus zur Wahl von Miss Volksfest im Festzelt zu gehen. (Das Festspielhaus ist übrigens der Südpol der Bayreuther Kulturwelt – das habe ich an den Pinguinen auf der Bühne erkannt.)

Wagen wir einen kurzen Vergleich: In puncto Bequemlichkeit liegt das Festzelt vorn, solang man kein Problem damit hat, sich an fremden Leuten zu schuppern. Bei den Bierpreisen gibt es ein Unentschieden. Zwar war das Bier im Festspielhaus etwas teurer, dafür brauchte man im Festzelt viel mehr davon. Was die Musik angeht: Klarer Sieg für Wagner, obwohl der Abstand mit jeder Maß Bier deutlich kleiner wurde und anzumerken bleibt, dass bei „Resi, i hol die mit meim Traktor ab" sogar ein Berliner wie ich besser mitsingen kann als bei den meisten Wagner-Arien.

Die Stimmung war in Festzelt und -spielhaus gleichermaßen hervorragend, was mal mit Bravo-Rufen, mal mit etwas plumpen Peniszeichnungen auf Pappschildern zum Ausdruck gebracht wurde. Bevor die Leser lange rätseln, lüfte ich das Geheimnis: Bravo-Rufe im Festspielhaus, Pappschilder im Festzelt.

Ein Schild war es auch, was mich bei der Wahl zur Miss Volksfest am meisten geärgert hat: „Homo"  stand darauf und wurde hochgehalten, sobald ein Mann den Laufsteg betrat (also in der Regel einer der Moderatoren, denn soweit bekannt waren die Kandidatinnen heuer alle weiblich). Zum Glück fiel mir etwas später ein, dass es vermutlich nur ein selbstbewusster Gruß einer Gruppe junger Schwuler an vermeintlich Gleichgesinnte war, und ich war wieder versöhnt.

Natürlich müssen wir bei einer Veranstaltung wie dieser auch über Frauenfeindlichkeit sprechen. Ich war schockiert, als ich einen Mann sah, der ein Plakat mit der Aufschrift „Titten raus!" hochhielt. Mit „Nazis raus!" oder so wäre ich ja klargekommen, auch wenn das nicht gerade ein schlauer Vorschlag ist und bei einer Miss-Wahl auch irgendwie deplatziert. Sogar „Preußen raus!" hätte ich akzeptiert, obwohl ich das eher von Bayern als von Franken erwarten würde, aber „Titten raus!" ist ein absolut inakzeptabler mysogyner und heterophober Übergriff.

Insgesamt jedoch stand das Publikum im Festzelt der weiblichen Brust sehr wohlwollend gegenüber, womit wir bei der eigentlichen Misswahl wären. Leider fällt mir dazu wenig ein, da liefen halt Mädels über die  Bühne, erst in Streetwear, dann im Dirndl, dann im Bikini (drei Aufzüge, wie wir Wagner-Kenner sagen), hübsch sahen sie aus, der Mann mit dem Papppenis ließ diesen mal nach oben, mal nach unten zeigen, zwischendurch wurde auf Tischen und Bänken getanzt und getrunken und und gejohlt, dann zogen sich Bewerberinnen und Jury zurück (keine Ahnung, ob es noch eine geheime vierte Runde unter Ausschluss der Öffentlichkeit gab und was sie gegebenenfalls dabei trugen), schließlich wurde eine der Damen zur Miss Volksfest 2013 gekürt, bekam einen Blumenstrauß und ein Wasserbett von Waterbed City („Schatz, ich will ein Bett von Dir") in die Hand gedrückt, und dann gab es kein Bier mehr, weil das Festzelt schon um 23 Uhr schloss. Das war sehr schade, denn inzwischen hatte mich die Feierlaune voll gepackt, ich glaube, ich habe sogar mit dem Fuß gewippt,  vielleicht sogar ein bisschen geschunkelt; ich kann nicht einmal ausschließen, dass ich wirklich leise bei „Resi" mitgesungen habe. Und dabei hatte ich erst drei Bierchen getrunken – diese Maßgläser sind schon verhängnisvoll.

Mein Fazit: Das gemischte Doppel Wagner und Miss Volksfest ist sehr zu empfehlen und dank dieser kulturellen Achterbahnfahrt konnte ich mir guten Gewissens das Geld für die Fahrgeschäfte auf dem Volksfest sparen. Meine persönlichen Bayreuther Festspiele sind vorbei, ich war am Nord- und Südpol, und in meinem letzten Monat als Stadtschreiber mache ich es mir am kulturellen Äquator gemütlich.


Volker Strübing (42) ist im Jean-Paul-Jubiläumsjahr für fünf Monate Stadtschreiber in Bayreuth. Im Bierzelt hat es dem Berliner gut gefallen, in die Fahrgeschäfte würde er jedoch  nur gegen Bezahlung einsteigen. Über seine Zeit in Bayreuth führt er ein Internet-Tagebuch.

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