Bayreuther Reichsbürger: Einer gegen alle

Von Manfred Scherer
Symbolfoto: dpa Foto: red

Der Bayreuther „Reichsbürger“ Oliver N. soll wieder als Angeklagter vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, am 7. Juli 2016 im Keller des Funkturms am Oschenberg ein Feuer gelegt zu haben. Mit der Folge, dass in Bayreuth das Mobilfunknetz über Stunden ausfiel. Im Besuchsraum des Gefängnisses, wo er zurzeit eine halbjährige Haft absitzt, bestreitet Oliver N. im Gespräch mit dem Kurier den Vorwurf.

 
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Dass Oliver N. angeklagt wurde, bestätigte Oberstaatsanwältin Juliane Krause auf Anfrage unserer Zeitung. Einzelheiten wollte sie nicht nennen, insbesondere nicht, warum der Beschuldigte nach Ansicht der Anklagebehörde als überführt gilt. Krause erklärt, die angeklagten Tatbestände seien Brandstiftung, Hausfriedensbruch und Störung von Kommunikationsanlagen. Auch Johannes Driendl, Verteidiger des „Reichsbürgers“ bestätigt, dass sein Mandant angeklagt worden sei – zuständig sei das Schöffengericht. Driendl will ebenfalls keine näheren Details nennen.

Per Brief einen „Knaller“ versprochen

Dafür spricht Oliver N. Er hatte einen Brief an den Nordbayerischen Kurier geschrieben: Einer oder mehrere Reporter der Zeitung sollten zu seiner Gerichtsverhandlung geschickt werden. Dann sei – bei objektiver Berichterstattung – ein „Knaller“ garantiert. Dann werde ein „Skandal“ offenbar. Und er sei gerne zu einem persönlichen Gespräch in der Justizvollzugsanstalt St. Georgen bereit.

Das Gespräch im Knast findet in einem Besuchsraum statt. Oliver N. hat seine Akte dabei. Er sagt, er leide gerade unter einem leichten Bandscheibenvorfall und wärmt sich mit seinem beigefarbenen Anstaltsparka. Das sagt er über den 7. Juli 2016: Es war der Abend des Europameisterschaftsspiels Deutschland gegen Frankreich. Frankreich gewann 2:0. Angeblich habe man am Tatort am Oschenberg seine Fahrradhandschuhe gefunden – „wie die dahin kommen, weiß ich nicht.“

Drei junge Männer  als Alibi

Oliver N. sagt, er sei an jenem Abend erst in der Shell-Tankstelle in der Christian-Ritter-von-Popp-Straße gewesen. Danach sei er mit seinem Fahrrad durchs Gewerbegebiet gefahren und habe gegen 20 Uhr am Parkplatz der Firma Knoll angehalten. Dort habe er mindestens eineinhalb Stunden verbracht und sich mit drei jungen Männern unterhalten, die dort mit ihren Autos waren: „Ich habe also ein Alibi.“

Ein Alibi? 20 Uhr plus eineinhalb Stunden. Nach seiner Behauptung wäre Oliver N. gegen 21.30 Uhr vom Knoll-Parkplatz aufgebrochen. Eigentlich genug Zeit, um bis zum mutmaßlichen Tatzeitpunkt um 22.30 Uhr auf den Oschenberg zu kommen, oder? „Niemals“, sagt er: „Ich bin ein so starker Raucher. Mit dem Fahrrad komme ich gar nicht auf den Oschenberg hoch.“ Er fühlt sich ungerecht behandelt: Die Polizei habe nichts unternommen, um die drei jungen Männer vom Knoll-Parkplatz zu ermitteln. Dabei habe einer einen so auffälligen „Fire and Ice“-Golf gefahren.

Sechs Monate Haft für diverse Delikte

Ende Oktober 2016 hat Oliver N. nach einem Strafverfahren bei Amtsrichter Stefan Käsbohrer ein Urteil akzeptiert: Sechs Monate bekam er aufgebrummt für diverse Delikte, die N. als „Notwehr“ bezeichnet. Widerstand in der Polizeizelle, wobei er Polizisten sogar mit Kot beworfen haben soll. Noch heute glaubt er, die Polizei habe die Kotspuren an der Wand mit Schokopudding gefälscht.

Er wurde auch verurteilt für Gemeinheiten gegenüber einem Bankangestellten, der ihn vermeintlich nicht an sein Geld kommen ließ. N. war damals in Brasilien und wollte einen Im- und Export für Lederhosen aufmachen: „Die Brasilianer hätten mir die aus der Hand gerissen.“

Im Besuchsraum des Knasts bekennt Oliver N.: „Ich stecke in einem Teufelskreis.“ Dass er nach dem Grundsatz: „Einer allein kann nicht streiten“ selbst dazu beigetragen haben könnte, mag er so nicht sehen: „Was würden sie tun, wenn man ihnen ihr Kind nimmt und ihnen ihr Geld stiehlt und ihnen ihr soziales Leben kaputt macht?“

Als Hauptverantwortliche für sein Unglück nennt er seinen älteren Bruder und seine Ex-Lebensgefährtin. Er befürchtet, er könne nicht der Vater seines Kindes sein, obwohl ihm ein Vaterschaftstest dies zu 99,9 Prozent bestätigt hatte. Doch das fehlende Hundertstel- oder Tausendstel-Prozent nährt in ihm den Verdacht, der Bruder, den er seit über 30 Jahren fürchtet, könne der wahre Vater sein.

Ähnlich ist es mit dem roten deutschen Reisepass: Ein solcher ist für ihn ungültig, weil die darin abgebildeten Adler eine unterschiedliche Anzahl von Federn haben. Er hatte Ärger mit Behörden - und Behörden mit ihm: dass er im Rathaus und im Finanzamt mit Stinkbomben hantiert hat, „das stimmt“. Und auch, dass er die Oberbürgermeisterin mit einem nicht druckreifen Ausdruck beleidigt habe: „Aber ich habe erstens gemeint, dass sie schlampig arbeitet. Kennen sie den Ausdruck Schlamperer? Und ich habe mich zweitens dafür öffentlich in Facebook entschuldigt.“

Klage eingereicht beim  Strafgerichtshof

Er sagt, er habe beim Internationalen Strafgerichtshof eine Klage eingereicht. Er vergleicht sich mit Jesus und Gustl Mollath – ausgeblutet, mundtot gemacht, aus dem Weg geräumt. Immerhin – Gustl Mollath hat irgendwann den Weg aus dem Teufelkreis gefunden. Wann der Prozess gegen Oliver N. stattfinden wird, steht noch nicht fest.

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