Bayreuther Biologie-Experiment im Weltall

Von
Mannschaft der Uni bei Raketenstart in Texas Foto: red

Biologen aus Bayreuth haben Wasserflöhe ins Weltall geschickt. Die winzigen Krebstiere waren an Bord eines unbemannten Fluges des US-amerikanischen Unternehmens Blue Origin von Jeff Bezos.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Wenn Weltraummissionen mit Astronauten starten, dauern diese viele Wochen, wenn nicht gar Monate. Der Proviant für das Raumfahrer-Team muss möglichst leicht sein, damit die Fluggeräte nicht zu viel Energie für den Transport benötigen.

Bisher wird das Problem mit Fertignahrung gelöst, die eine hohe Nährstoffdichte hat. Diese Trinknahrung ist leicht und enthält reichlich Kalorien. Wenig Ballaststoffe sorgen dafür, dass nicht allzu viele Toilettengänge notwendig sind. Und Calcium bremst den in Weltraum schneller voranschreitenden Knochenabbau. Aus 74 Gerichten können Raumfahrer derzeit auswählen.

Nahrung fürs Leben auf dem Mars

Doch es geht nicht darum, aus den Wasserflöhen Nahrung zu machen. „Wir entwickeln bioregenerative Lebenserhaltungssysteme“, erläutert Christian Laforsch, Professor für Tierökologie, im Gespräch mit dem Kurier. Diese werden zurzeit weltweit intensiv untersucht. Dabei geht es darum, ob Wasserorganismen die Grundlage für eine nachhaltige Nahrungsproduktion, zum Beispiel in Weltraumstationen, auf dem Mond oder Mars dienen könnten.

 

 

Die Blue-Origin-Mission vom 29. April.

 

Produzenten von tierischen Eiweiß

Wasserflöhe (Daphnien) stellten in den Nahrungsnetzen der Seen ein wichtiges Bindeglied zwischen sauerstoffproduzierenden Mikroalgen und höheren Gliedern der Nahrungskette wie Fischen dar. Die Tiere bildeten eine riesige Menge an Biomasse und seien damit von großer ökologischer Bedeutung. „Dies brachte uns auf die Idee, sie für bioregenerative Lebenserhaltungssysteme auf Raumstationen und extremen Habitaten einzusetzen, um tierisches Eiweiß zu erzeugen“, sagt Laforsch. Algen und Fische sind nach den Worten des Wissenschaftlers bereits gut erforscht. Wasserflöhe hingegen noch nicht, vor allem nicht ihr Verhalten in der Schwerelosigkeit.

Science-Fiction oder bald Wirklichkeit?

Die kühne Zukunftsvision: Künstliche Ökosysteme sollen dazu beitragen, Menschen dauerhaft und zuverlässig mit Nahrung zu versorgen. Im Weltraum und in Gebieten, in denen Nahrungsmittel knapp sind. Angesichts einer wachsenden Erdbevölkerung ein sinnvoller Ansatz, findet Laforsch. „Denn wir müssen noch sorgsamer mit unseren Ressourcen umgehen.“

Beim Start live dabei

Das Experiment der Wissenschaftler der Universität Bayreuth untersucht, ob sich Daphnien als Modul in einem Lebenserhaltungssystem eignen. Den Versuch haben die Bayreuther Biologen Laforsch und Miriam Knie entwickelt. Beide waren am 29. April in Van Horn in Texas, um den Ausflug der Wasserflöhe ins Weltall vorzubereiten und live zu verfolgen. In einem Container wurden die Daphnien in eine Kapsel der Blue Origin verladen. Lange mussten die Bayreuther Forscher auf diese Gelegenheit warten. Auch am Starttag wurde der Abflug der Rakete von 8.30 Uhr auf 12.05 Uhr verschoben (CDT)).

Eines von drei deutschen Projekten

Die Wissenschaftler interessieren sich dafür, wie sich die Schwerelosigkeit auf molekoulare Prozesse in den Wasserflöhen auswirkt. Begleitet wurde das Vorhaben vom Zentrum für Angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM). Die Ingenieure der ZARM Fallturm-Betriebsgesellschaft mbH (ZARM FAB) sind mit die ersten internationalen Nutzer des neuen Raketentyps. Neben dem Experiment Daphnia waren die Versuche Equipage (Universität Magdeburg) und Euphorie (Universität Duisburg-Essen) bei der Weltraumreise in 107 Kilometern Höhe dabei. Die beiden anderen Projekte erforschen die Entstehung von kosmischem Nebel und Himmelskörpern und des frühen Sonnensystems.

Auf dem Rückweg nach Deutschland

Nach gut zehn Minuten war die New Shepard wieder zurück auf der Erde. Ungefähr vier Minuten waren die Wasserflöhe der Schwerelosigkeit ausgesetzt. Jetzt befinden sie sich auf dem Rückweg nach Deutschland. „In den nächsten Wochen werden wir die in der Schwerelosigkeit gewonnenen Daten sorgfältig auswerten und mit unseren bisherigen Bayreuther Forschungsergebnissen abgleichen“, sagt Miriam Knie. „Dann werden wir mehr darüber wissen, wie gut sich Daphnien tatsächlich für den Einsatz in Raumstationen oder auf Langzeitflügen im Weltall eignen.“ Die Ergebnisse sollen so bald wie möglich vorgestellt werden.

Das nach Alan Shepard, den ersten US-amerikanischen Astronauten, benannte Fluggerät wird von Blue Origin für das vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) geförderte Projekt „Scientific Pathfinder Flights“ eingesetzt. Blue Origin ist ein privates Raumfahrtunternehmen, das dem Amazon-Gründer Jeff Bezos gehört. In diesem Fall ging es jedoch nicht um Weltraumtourismus. Die Experimente sollen aber zur Weiterentwicklung der bemannten Raumfahrt beitragen.

Autor

Bilder