Bayreuth soll queerer werden

Von Kerstin Fritzsche
Tanzen unter dem Regenbogen: seit 2013 in Bayreuth bei der "Queerulant_in"-Party möglich, immer zu Semester-Beginn. Archivfoto: AK Queer Foto: red

Seit 2013 ist ein kleines Team von Studierenden der Uni Bayreuth bemüht, Lesben, Schwulen, Bisexuellen und trans*-Menschen in Bayreuth Veranstaltungen zu bieten und damit die Sichtbarkeit für queere Themen zu fördern. Jetzt möchte deren Arbeitskreis nicht mehr nur auf dem Campus wirken. Ab sofort soll es einen zweiwöchentlichen Stammtisch für alle Interessierten in der Stadt geben. Queeres Leben soll sich nach Wunsch der Studierenden nicht nur auf dem Campus abspielen.

 
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"Wer ist denn bei euch der Mann?" "Hast du keinen Kerl gefunden?" "Ihh, ekelhaft, solche wie euch wollen wir hier nicht!" - Nur ein paar der Sprüche, die sich auch Michaela Deininger (29) und Anna Kretschmer (23) schon in ihrem Leben anhören mussten und wie sie gelegentlich auch noch 2013 in Bayreuth fielen, als sich der Arbeitskreis (AK) Queer im Studierendenparlament an der Universität Bayreuth gründete.

Protest am Anfang

Deininger, die inzwischen mit dem Studium fertig ist und in Bremen wohnt, erinnert sich daran, dass auch auf dem Campus nicht alle die Interessensvertretung für Lesben, Schwule, Bisexuelle und trans*-Menschen gut fanden: "Es war zwar anonym, aber von vermutlich rechten Hochschulgruppen wurde vor der ersten 'Queerulant_in'-Party, die wir veranstalteten, ein Plakat aufgehängt, das forderte, 'so etwas' doch kein Geld zu geben, das könne man doch sinnvoller einsetzen." Kritische Töne gab es anfangs auch vom Ring Christlich-Demokratischer Studenten. Inzwischen werden Anträge des AK Queer im Studierendenparlament einstimmig angenommen - weil die queere Party ein Erfolg geworden ist, bringt sie dem Gremium auch Einnahmen.

Viele hätten den AK und seine Anliegen auch in erster Linie mit "Gender-Gedöns" in Verbindung gebracht und so nicht verstanden, um was es eigentlich geht, sagt Kretschmer. "Wir wollen nicht nur explizit LGBT (Abkürzungsausdruck für: Lesbian, Gay, Bisexual, Trans*) ansprechen. Sondern nach wie vor zeigen, dass es Diversität in Bayreuth gibt und dass sie auch gelebt wird." Dazu gibt es nicht nur die Party, die regelmäßig zu Semesterbeginn zwei Mal im Jahr stattfindet, am vergangenen Samstag bereits zum siebten Mal.

Filmreihe im Iwalewahaus

Es gibt auch in Zusammenarbeit mit dem Iwalewahaus eine queere Filmreihe, das Nachtcafé im Glashaus und einen Stammtisch. Dieser soll ab sofort alle zwei Wochen im Café Florian stattfinden und nicht mehr auf dem Campus, denn der AK will sich öffnen. "Jeder ist willkommen, der Lust hat, mitzumachen und Ideen hat oder auch einfach nur Gleichgesinnte kennen lernen möchte", sagt Kretschmer. Denn queere Menschen gäbe es ja nicht nur an der Uni.

Keine queeren Strukturen sonst in Bayreuth

Mit einem allgemeinen Stammtisch fing es auch einmal an. Da gab es aber mit dem "Underground" von Peter Berneth im Gassenviertel auch noch einen queeren Anlaufpunkt in der Stadt. Das "Underground" schloss, nachdem Berneth im Februar 2012 plötzlich starb. Ein explizit schwullesbisches Café oder Gasthaus gibt es in Bayreuth nicht, und auch der Versuch von Mitgliedern des queeren Vereins Uferlos e.V. in Bamberg, ebenfalls in Bayreuth entsprechende Strukturen zu etablieren, scheiterte bereits zwei Mal. Eventuell könnte das "Ums Eck" in der Von-Römer-Straße ein neuer Szene-Anlaufpunkt werden.

Harter Kern von 5, 6 Leuten

Im Kern arbeiten im AK Queer fünf, sechs Leute, im Umfeld sind sie bis zu zehnt, je nach Anliegen und Veranstaltung. Sie kommen aus allen möglichen Studiengängen. Als sie zwischenzeitlich einmal mehr Leute waren, machte ein Team rund um Anna Kretschmer auch Schulbesuche zur Aufklärung über sexuelle Vielfalt. Geschult worden waren die Studenten von der schwullesbischen Jugendorganisation Lambda. Allerdings, so sagt Lehramts-Studentin Kretschmer, hatten die Schulleiter in Bayreuth leider kein Interesse gehabt. Im Landkreis und in Pegnitz seien die Teamer jedoch willkommen gewesen.

Bedarf für Aufklärungsarbeit in der Schule sehen Kretschmer und Deininger nach wie vor. "Auch wenn schwul oder lesbisch zu sein gesellschaftlich immer weniger ein großes Thema ist: Diskriminierung gibt es immer noch, gleiche Rechte haben wir immer noch nicht erreicht", nennt Kretschmer einen Grund. Ein anderer sei, so Deininger, dass sexuelle Vielfalt oft einfach gar kein Thema sei und somit vor allem in der Schule nicht sichtbar. "Ich fände es super, wenn sich ein Lehrer, eine Lehrerin vor die Klasse stellt und offen damit umgeht, dass er schwul oder sie lesbisch ist", sagt Deininger, die aus einem kleinen Ort in der Nähe von Ulm kommt. Öffentliche Vorbilder für einen normalen Umgang würden größtenteils immer noch fehlen.

"Demo für alle"-Protest auch in Bayern

Aber auch am bundesweiten Protest gegen Lehrpläne, die um das Thema sexuelle Vielfalt ergänzt werden, sähe man, dass hier noch Bedarf ist. Zuletzt hatte es einen jahrelangen Kampf in Baden-Württemberg gegeben, nachdem ein früher Entwurf eines Arbeitspapiers zum neuen Lehrplan im Herbst 2013 geleakt wurde. Die AfD-nahe Protest-Bewegung "Demo für alle" gründete sich und hielt im Kampf gegen angebliche "Frühsexualisierung" und Indoktrinierung insgesamt neun Demonstrationen in Stuttgart ab, die auf ein breites Gegen-Bündnis stießen. Bei den letzten drei Demonstrationen war es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Demo-Teilnehmern gekommen. Mittlerweile sind die neuen Lehrpläne, CDU-gestützt, in Kraft, auch ein Aktionsplan gegen Homophobie wurde verabschiedet.

Aktueller Protest der "Demo für alle" richtet sich gegen das schwarzgrün geführte Hessen, das den Lehrplan für Sexualkunde entsprechend umformulierte und Anfang dieses Schuljahres in Kraft setzte. Bayern plant bis Ende des Jahres eine Reformation der Lehrpläne und hat dafür auch schon eine "Demo für alle"-Demonstration in München aushalten müssen. Außerdem besuchten Vertreter der Initiative Kultusminister Ludwig Spaenle im Ministerium.

Aufklärungsarbeit mühsam

Eine Initiative für schwul-lesbische Aufklärung in der Schule (SchLAu) wie in vielen anderen Bundesländern gibt es in Bayern ebenfalls nicht, so dass Aufklärungsprojekte sich anders finanzieren müssen und in sehr kleinem Rahmen selbstorganisiert sind. "Wenn wir wieder mehr werden, könnten wir das Schulprojekt also wieder aufnehmen", sagt Kretschmer. Ebenfalls angedacht sind jetzt Kooperationen mit anderen Initiativen der Uni im Bereich Sport. "Aber wir würden freilich gerne über die Uni hinaus wirken, auch neue Ideen sind willkommen."

INFO: Alle Informationen zum AK Queer und seinen Veranstaltungen gibt es hier auf Facebook. Der für alle offene Stammtisch findet jeden zweiten Donnerstag im Café Florian statt. Der nächste ist am 3. November ab 20 Uhr.

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