Besuch im privaten Arbeitszimmer des früheren Bayreuther Oberbürgermeisters Hier führte Wild das Kommando

Peter Engelbrecht

BAYREUTH. Der Kurier hat das private Arbeitszimmer des früheren Bayreuther Oberbürgermeisters Hans Walter Wild besucht.

 
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„Hier war seine Kommandozentrale“. Ein bisschen Ehrfurcht schwingt mit, wenn Angelika Rund durch das private Arbeitszimmer ihres Vaters Hans Walter Wild führt. Schließlich war der ehemalige Bayreuther Oberbürgermeister (1958-1988) im wahrsten Sinne des Wortes eine Respektsperson.

Original erhalten

Das Arbeitszimmer in Wilds Wohnhaus in Gut Grunau ist noch original erhalten. Es spiegelt den Zeitgeist jener Jahre, in denen der Rathaus-Chef die Stadt nach seinem Geschmack formte, um „aus dem Dornröschen ein fleißiges Lieschen zu machen“, wie er sich ausdrückte. 1973 zog er mit seiner Familie in Gut Grunau ein, und zu dieser Zeit richtete er wohl auch sein Arbeitszimmer ein, das er bis zu seinem Tod 2001 nutzte. „Seitdem ist praktisch nichts verändert“, versichern die Töchter Angelika Rund und Petra-Wild-Braun.„Alle wichtigen Telefonate hat er von hier aus geführt“, erinnert sich Angelika Rund. Erinnerungen, wohin man schaut: Eineinhalb Wände voller Ehrenurkunden, Büsten von Liszt und Wagner und reihenweise Jubiläums-Bierkrüge im Regal. Um die 60 werden es wohl sein. Da kommt Nostalgie auf, etwa beim Krug mit der Aufschrift „25 Jahre Hertie 1963-1988 – Ihr Treffpunkt am Markt“. Von der Karstadtkrise war damals noch nichts bekannt.

Der Blick schweift hinaus in den herbstlichen Garten hinüber zum alten Gärtnerhaus mit dem Glockenturm. Als Ausgleich zum harten Job hielt sich Wild Enten und Pfaue, freute sich am Wachsen und Blühen des Gartens. Fotos an der Wand zeigen die große Tierliebe des Ex-Oberbürgermeisters und seine Hunde Assia, Toni, Kalle und Barri.

Kein SchreibtischEinen Schreibtisch gibt es im Arbeitszimmer nicht, die Amtsgeschäfte wurden an einem schlichten ovalen Tisch mit beiger Decke erledigt. Vier Stühle stehen drum herum, Wild saß auf dem Stuhl mit dem Pascha-Bezug auf der Lehne. Über allem hängt ein fünfarmiger Leuchter mit Kerzenlampen im Stil der 70er Jahre.

Auf dem Nebentisch steht das beige Telefon, als hätte das letzte Gespräch erst vor kurzem stattgefunden. Auch das Telefonverzeichnis mit hunderten von Nummern ist noch original. Es stammt von Woolworth, ist batteriebetrieben. Drückt man auf einen Buchstaben, sucht der Apparat das entsprechende Blatt mit den Nummern. Am Wochenende und Abends saß Wild hier in seinem Reich. Hier schrieb er seine Weihnachtskarten mit der Hand, 150 werden es jedes Jahr gewesen sein, schätzt Angelika Rund. Sie musste dafür Wintermotive mit der Kamera auf Gut Grunau fotografieren.Der Aktenschrank zeigt, wie Wild tickte: Er war ordentlich, sortierte alles und heftete alles akkurat ab. Die Ordner sind von Hand beschriftet. Der Aktenvernichter, der Locher, ein Stadtplan von Bayreuth, Notizzettel und Polaroidfotos – sie stehen und hängen an ihrem angestammten Platz. Auf dem Schrank mit den selbst gedrehten Filmen hängt ein gelber Zettel mit der Handschrift von Wild und mahnt: „Bitte nichts durcheinander bringen“. Alles wurde ordentlich aufgehoben, auch sämtliche Terminkalender seit dem Amtsantritt 1958.

Wild wie Lili MarleenBeim Besuch im Arbeitszimmer wird die eine oder andere Anekdote in Erinnerung gerufen. Hans Walter Wild fuhr alle Baustellen in seiner Stadt ein- bis zweimal pro Woche persönlich ab, um nach dem Rechten zu sehen. Oder: Bei einem der ersten Bälle der Stadt hörte die Kapelle kurz nach Mitternacht zum Spielen auf. Wild setzte sich an den Flügel und spielte Gassenhauer wie Lili Marleen. „Er war hochmusikalisch“, sagen Angelika Rund und Petra Wild-Braun. „Insgesamt wird alles so bleiben“, versichern beide. Vieles ist geblieben, auch Pfau Konrad, der seit 15 Jahren draußen im Garten umher stolziert.

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