Es war so etwas wie die Weihnachtsgeschichte. Nur dass sie nicht vor Jahrtausenden stattgefunden hat, sondern am vergangenen Wochenende. Und es war auch nicht Bethlehem, sondern im Kulmbacher Land, in Marktschorgast. Dort haben Bürgermeister Marc Benker, seine Stellvertreterin Monika Müller, etliche Bürger und nicht zuletzt auch Polizisten von der Stadtsteinacher Polizeiinspektion einem Menschen Obdach gegeben, der in eisiger Kälte in einer mehr als misslichen Lage gesteckt war.   

Die Verzweiflung des 48-jährigen Mannes aus Rumänien war groß, als er sich am Sonntagabend über den Notruf an die Polizei wandte. Die Beamten fanden einen halb erfrorenen, zitternden Menschen vor, als sie in Marktschorgast eintrafen. Zuallererst brachten sie den Lkw-Fahrer ins Warme. In einer Tankstelle spendierten die Beamten dem Rumänen einen heißen Tee. Was sie dann erfuhren, war erschreckend und löste eine besondere Hilfsaktion aus, wie sie den Geist der Weihnacht kaum besser beschreiben könnte.

Es war am Freitagabend, als der 48-jährige Rumäne, Angestellter einer deutschen Spedition aus Nordrhein-Westfalen, seinen Sattelzug in der Bernecker Straße in Marktschorgast abstellte. Der Berufskraftfahrer musste seine Fahrt wegen des geltenden Fahrverbots beenden. Am Montagmorgen war dann geplant, den Zug zu entladen. Zwei Pkw und ein Wohnmobil hatte der Mann transportiert.

Zunächst war noch alles in Ordnung, berichtet die Stadtsteinacher Polizei. Doch das sollte nicht lang so bleiben. „Bereits in der Nacht von Freitag auf Samstag machte die Batterie des Sattelzugs schlapp, die damit zusammenhängende Standheizung fiel aus und ein Starten des Motors war ebenfalls nicht mehr möglich“, berichtet Peter Neder, der stellvertretende Leiter der PI Stadtsteinach. Der Fahrer wollte Hilfe bei seinem Arbeitgeber suchen. Doch alle Versuche, mit den Verantwortlichen der Spedition in Kontakt zu kommen, schlugen fehl, berichtete der 48-Jährige mehr als einen Tag später der Polizei. Sein Plan war, dass seine Spedition einen Pannenservice beauftragt. Doch der Berufskraftfahrer erreichte in seiner Firma keinen. Selbst konnte der Mann keine Firma zu Hilfe holen. Das scheiterte am Geld. Der Mann hatte keins. Bürgermeister Marc Benker hat er erzählt, dass er schon seit einiger Zeit kein Gehalt mehr überwiesen bekam. Sein Geldbeutel war leer. 

Elf Grad Minus herrschten am Sonntagabend in Marktschorgast. Am Tag davor war es noch kälter. Bei diesen extrem niedrigen Außentemperaturen und ohne jede Heizmöglichkeit, versuchte der Fahrer in der ersten Nacht in seiner Fahrerkabine zu verbringen, doch das scheiterte. Ein Ausweg war schnell gefunden. Der 48-Jährige nahm sich den Schlüssel zu dem Wohnmobil auf seiner Ladefläche. Er startete den Motor. Es wurde warm. Doch das sollte auch nicht lang so bleiben. Irgendwann am früheren Sonntag war der Tank des Fahrzeugs leer. Wieder wurde es eisig kalt. 

Hilfe rufen konnte der Mann auch nicht mehr. Inzwischen hatte sein Handy schlapp gemacht, weiß Peter Neder. „Glücklicherweise konnte der  Fahrer am Sonntagabend mit Hilfe eines Spaziergängers den Notruf wählen.“ Wie dringend dieser Notruf gewesen ist, das sahen die Stadtsteinacher Polizisten auf den ersten Blick. „Sie trafen einen verzweifelten und zitternden Lkw-Fahrer an“, heißt es dazu im Polizeibericht. Die Beamten handelten schnell. Als sich der Mann mit Hilfe des heißen Tees in der Tankstelle halbwegs wieder aufgewärmt hatte, versuchten alle mit vereinten Kräften, dem Lkw Starthilfe zu geben. Doch das scheiterte.

„Eine weitere Übernachtung im Führerhaus ohne Heizung war unzumutbar“, war den Stadtsteinacher Polizisten klar. Sie wandten sich an Bürgermeister Marc Benker, einen Kollegen. Die Marktschorgaster „Aktion Bethlehem“ lief an. „Wir waren gerade auf der Weihnachtsfeier vom Bauernverband. Meine Stellvertreterin Monika Müller, die auch unsere Ortsbäuerin ist, war auch mit dabei“, berichtet Benker. „Da hat mich der Anruf von einem Polizeikollegen erreicht, mit dem ich einige Zeit in Bayreuth zusammengearbeitet hatte und der jetzt in Stadtsteinach ist. Er hat mir die Notlage geschildert, in der der Lkw-Fahrer steckte.“ In einem Lkw ohne Heizung bei klirrender Kälte: Das hält keiner durch, war dem Bürgermeister sofort klar.

„Die erste Nacht hat der Mann noch überstanden und hat sich über die Runden bringen können“, erzählt Benker. Auf gut fränkisch sagt er, was er über diesen Vorfall denkt: „Eigentlich ist dieser Lkw-Fahrer ein armer Hund.“ Er habe erzählt, dass er schon drei Monate keinen Lohn mehr bekommen habe. Seinen Chef habe er vergebens zu kontaktieren versucht. „Er hat Whatsapp-Nachrichten geschickt, die wohl gelesen wurden, aber unbeantwortet geblieben sind. Der Mann war ganz auf sich allein gestellt. Bei Temperaturen von deutlich unter minus zehn Grad konnten wir ihn doch nicht in der Kälte sich selbst überlassen.“

Der Bürgermeister und etliche andere Marktschorgaster waren im Café Regina, als der Anruf kam, also ohnehin in unmittelbarer Nähe zum Marktschorgaster Gewerbegebiet. Spontan haben Marc Benker und Monika Müller beschlossen, dem Fahrer für die Nacht ein Zimmer zur Verfügung zu stellen. „Wir werden schauen, ob wir das Geld bei der Spedition einfordern können. Wenn das nicht gehen sollte, haben wir uns entschlossen, die Kosten aus unserem Bürgermeister-Etat zu tragen, damit der Mann ein warmes Quartier und etwas zu essen hat", sagte Benker am Montagmorgen. Da wusste er noch nicht, welche Aufmerksamkeit die Geschichte des frierenden Lkw-Fahrers erregen sollte.

Ein Kulmbacher Unternehmer eklärte sich nämlich später dazu bereit, für die Unterkunft des Fahrers und sein Essen aufzukommen. „Er hat sogar versprochen, dem Mann noch ein Handgeld zu geben, damit er nicht wieder strandet“, freut sich der Bürgermeister.

Keine Frage sei es gewesen, dem Mann sofort zu helfen, sagt Benker. Das haben auch die anderen Gäste im Café Regina  so gesehen. „Die Stammtischler haben den Mann sehr herzlich aufgenommen. Morgens um halb eins habe ich noch Nachrichten bekommen, dass sich der Fahrer jetzt wieder richtig wohlfühlt und sich freut, wie gut er aufgenommen worden ist.“ Auch am Morgen haben die Marktschorgaster den gestrandeten Rumänen nicht sich selbst überlassen. Mitarbeiter des Bauhofs haben ihn abgeholt und zur Firma Frankia gefahren.

Die Zusage des Kulmbacher Unternehmens, die Kosten zu übernehmen, gilt übrigens auch für den Fall, dass der 48-Jährige weiter in Marktschorgast festsitzt. Grund für diese Befürchtung gibt es. Auch am Montagnachmittag war der Lastzug noch nicht wieder fahrtüchtig und konnte wegen der ebenfalls nicht funktionierenden Hydraulik auch nicht abgeladen werden. Marc Benker hat dem Fahrer ein warmes Essen vorbeigebracht.

Alle hoffen, dass der Mann nun gut wieder nach Hause kommt. Helfen sei eine Selbstverständlichkeit, betont der Bürgermeister und wundert sich, dass diese Selbstverständlichkeit so viel Aufmerksamkeit erfahren hat. Sogar die dpa hat die Meldung von dem in Marktschorgast gestrandeten Brummifahrer aufgegriffen. „Da muss man doch reagieren.“ Benkers Fazit nach der aufregenden Nacht: „So ein bisschen war das schon wie eine kleine Weihnachtsgeschichte.“

Stolz auf seine Kollegen ist auch der Leiter der PI Stadtsteinach. Für Marco Gottesmann ist diese Hilfeleistung ein Beispiel für das was hinter dem Slogan „Polizei, dein Freund und Helfer“ steckt. „Das haben sie gut gemacht“,  lautet das Urteil des Polizeichefs über seine Kollegen.  „Es geht auch darum, in menschlichen Situationen zu helfen. Dafür sind wir da.“ Bei der PI Stadtsteinach wird nun geprüft, ob sich möglicherweise die Spedition etwas zu Schulden kommen ließ.