Bahnhof: Sicher, aber schmuddelig

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Der Kulmbacher Bahnhof machte vor zwei Jahren Schlagzeilen als Treffpunkt verwahrloster Jugendlicher. Inzwischen sind sie dank starker Polizeipräsenz verschwunden. Dem Bahnhof aus der Schmuddelecke zu holen, ist bis heute weder der Stadt noch der Deutschen Bahn gelungen.

 
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Das sagen Mieter: Der Holzrahmen der Schwingtüren ist abgeplatzt. Hinten rechts stehen karge Bänke für eine Handvoll Wartender. Schüler, eine ältere Dame, ein Ehepaar. Daneben ein Fahrkartenautomat auf abgewetzten Bodenfliesen. Neben dem Haupteingang hat die Bahnhofsbuchhandlung geöffnet, wo es heißt: Die Kunden kommen wieder beruhigt hierher. Gegenüber ist der Ticketverkauf von Rail & Fly, kaum mehr als ein Provisorium. „Die Leute denken immer, wir sind teurer als der Ticketautomat. Das stimmt aber gar nicht“, sagt Abut Ceylan. „Wir leben schließlich vom Umsatz und nicht von der Auskunft.“ Neben der Agentur betreibt er mit seiner Frau noch einen kleinen Imbiss im Bahnhof. „Mir hat auch nie jemand was getan“, sagt Ceylan. „Schlimmer ist, wenn die Autofahrer über den Bahnhofsvorplatz brettern, um die Ampel zu umgehen.“

Das sagen Fahrgäste: An den Gleisen ist kein großes Gedränge. Problematisch ist jedoch der Weg dorthin: durch die dunkle, stinkende Unterführung. „Sie müssen mal Sonntagfrüh kommen, da ist es wirklich schlimm“, sagt Roland Kipp aus Ködnitz, der regelmäßiger Bahnfahrer ist. „Den Leuten sind offenbar die 50 Cent zu teuer, die sie für die Toilette ausgeben müssten.“ Wer früh um 5 Uhr auf dem Weg zur Arbeit zum Bahnhof oder zur Bushaltestelle kommt, finde alles vermüllt vor. Das Bahnhofsgebäude öffnet erst um 5.30 Uhr, am Wochenende um 6 Uhr, geschlossen wird es ab 19.15 Uhr. „Meine Kinder trauen sich nicht, nachts alleine zu fahren.“

Seit fast acht Jahren fährt Florian Otto mit dem Zug nach Kulmbach, wo er das Markgraf-Georg-Friedrich-Gymnasium besucht. Die Unterführung sei „teils widerwärtig“ gewesen. Das habe sich zuletzt jedoch verbessert. „Der Anteil der Tage, an denen Kotze oder Urin in dem Gang drin sind, hat sich minimiert“, sagt der Schüler. Eine ältere Dame, die an Krücken geht, findet die Treppen lästig. „Ich habe nicht mehr so viel Kraft und brauche normalerweise einen Rollator.“ Einen Aufzug oder eine Rampe gibt es am Bahnhof nicht. Eine Frau mittleren Alters wünscht sich mehr Bahnpersonal. „So ein Bahnhof sollte besser überwacht werden“, meint Elke Baier aus Kronach. „Als Frau allein kann man hier schon Angst bekommen. In Nürnberg fühle ich mich nicht so unwohl.“

Das sagt die Stadt: Seit Jahren bemühe sich die Stadt Kulmbach auf allen Ebenen um Verbesserungen am Kulmbacher Bahnhof. „Die Briefe füllen mittlerweile mehrere Ordner“, sagt Sprecher Simon Ries. „Die Stadt kämpft für eine barrierefreie Zugänglichkeit der Gleise.“ Das sei für gehbehinderte und ältere Menschen, Familien mit Kinderwagen oder Radtouristen wichtig. Wenn sich Fahrgäste über den Bahnhof beschweren, kann die Stadt ihnen im Grunde nur zustimmen. Mehr Sauberkeit, weniger Baumängel, ein freundlicheres Erscheinungsbild und einen besseren Service wünsche sich auch die Stadt, so Ries. „Leider sind sämtliche Initiativen bisher ohne Erfolg geblieben“, stellt Ries fest.

Eine andere Farbe, kürzere Reinigungsintervalle und eine gute Ausleuchtung würden das Sicherheitsgefühl in der Unterführung erhöhen. Man habe auf eigene Kosten eine Toilettenanlage errichtet, nachdem die Bahn ihre abgerissen hatte. Der Bahnhofsvorplatz sei in das Pilotprojekt „Bayern Barrierefrei 2023“ aufgenommen worden. Er werde nur umgestaltet, „wenn die Bahn den Bahnhof anpackt.“

Die CSU-Bundestagsabgeordnete Emmi Zeulner versucht, der Stadt beim Thema Barrierefreiheit zu helfen. „In diesem Jahr wird eine neue Förderliste erstellt. Wir sollten schauen, dass wir da vorne mit auftauchen.“ Zeulner fordert Verbesserungen für kleinere Bahnhöfe, die unter 1000 Zustiegen liegen. Davon könnten Kulmbach und Untersteinach profitieren.

Das sagt die Bahn: „Der Bahnhof wird regelmäßig durch unseren Reinigungsdienst gereinigt“, sagt Franz Lindemair von der Deutschen Bahn. Für die Toilette sei die Bahn nicht zuständig, übernehme aber die Betriebskosten bei Strom und Wasser. Was die Sicherheit betreffe, habe die Erfahrung gezeigt, dass Videokameras nicht immer abschreckten und aufgrund von Vandalismus immer wieder zerstört werden.

Zur mangelnden Barrierefreiheit sagt der Sprecher: „Die Installation von Aufzügen alleine ist nicht ausreichend. Auch die Bahnsteige müssen dann höher gebaut werden. Die Maßnahme kostet zirka vier Millionen Euro.“ Bei ihren Investitionen beziehe die Bahn das Fahrgastaufkommen ein. „Das heißt, dass große und mittlere Bahnhöfe sowie Umsteigebahnhöfe Priorität haben. Der barrierefreie Ausbau kann nur Schritt für Schritt erfolgen.“ Modernisiert werde nur die Buchhandlung in diesem Jahr, so der Bahnsprecher.

Das sagt die Polizei: Die Sicherheit des Bahnhofsgebäudes und des Geländes an den Gleisen ist Sache der Bundespolizei. Den Bahnhofsvorplatz überwacht die Landespolizei, also die Polizeiinspektion Kulmbach. Beide sagen übereinstimmend, dass der Bahnhof kein Brennpunkt mehr sei. Die Jugendbande, die sich dort herumgetrieben habe, sei im vergangenen Jahr nicht mehr aufgetaucht. 2014 registrierte die Bundespolizei noch 39 Delikte – von Beleidigung und Körperverletzung bis zu Sachbeschädigung und Hausfriedensbruch. „Grundsätzlich dürfen sich im Bahnhofsgebäude nur Menschen mit Reiseabsicht aufhalten“, erklärt Sprecher Dieter Pfitzner. Ansonsten könne der Eigentümer Hausverbote erteilen. 2015 liefen bei der Bundespolizei nur zwei Anzeigen auf. Der Erfolg bei der Bekämpfung der Jugendkriminalität sei durch „konsequente Strafverfolgung, Präsenz und direkte Ansprache“ gelungen, sagt Pfitzner.

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