Badeunglück: Warum sah keiner hin?

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Das leere Becken des Himmelkroner Freibades nach dem Unglück Ende Juli 2014. Foto: Archiv/Ronald Wittek Foto: red

Wo waren die Aufsichtspersonen zu dem Zeitpunkt, als die achtjährige Vanessa im Himmelkroner Freibad ertrank? Diese Frage kann das Kulmbacher Amtsgericht auch am zweiten Verhandlungstag nicht genau klären.

 
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Denn im tiefen Wasser entdeckt haben weder der Bademeister noch die Übungsleiterinnen das Mädchen. Es war die heute 13 Jahre alte Elena. Die Haare zum Zopf gebunden und einen dicken Schal um den Hals, schildert sie Richterin Sieglinde Tettmann mit fester Stimme, was sie an dem Unglückstag im Sommer 2014 beobachtet hat. Nur mit der Richterin redet die minderjährige Zeugin, nicht mit den anderen Juristen. Ihre Mutter sitzt neben ihr.

13-Jährige entdeckt leblose Vanessa

Elena erinnert sich, wie sie unter der Absperrkette zum Schwimmerbereich durchgetaucht ist und Vanessa am Boden des Beckens in der Nähe der Startblöcke entdeckt. "Ich bin noch einmal hingetaucht, um zu sehen, ob sie nicht irgendeinen Spaß treibt", schildert sie gefasst. "Vanessa lag auf der Seite, so wie im Bett, die Beine leicht angewinkelt." Ein Anblick, der sie stutzig werden lässt, weshalb sie ein anderes Kind ruft, die Tochter einer der Übungsleiterinnen.

"Man kann nie jedes Kind beobachten"

Ihre Mutter ist eine der Aufsichtspersonen an dem jenem tragischen Tag. Sie ist im Gegensatz zu ihrer Kollegin nicht wegen fahrlässiger Tötung angeklagt. Die Ermittlungen gegen sie wurden eingestellt. Die Frau schildert, sie sei für die Nichtschwimmer verantwortlich gewesen. Die andere Übungsleiterin habe die Aufsicht von außen übernommen. Sie glaubt, Vanessa gegen 18.15 Uhr noch am Rand des Schwimmerbeckens gesehen zu haben. Das Schwimmbecken sei generell wegen seiner L-Form schlecht einsehbar gewesen."Man kann nie jede Minute jedes Kind beobachten, das funktioniert nicht. Sie werden immer einem Kind den Rücken zudrehen."

Keine Schwimmflügel - also Schwimmer?

Nur etwa drei Kinder aus der Mädchenturngruppe konnten schwimmen, sagt sie. Vanessa zählte sie dazu, weil es "Anzeichen" dafür gegeben habe. Dass sie schwimmen kann, schließt sie aus dem Alter des Mädchens und aus der Tatsache, dass sie eine Schwimmbrille und keine Schwimmflügel dabei hat. Mit den Eltern sprach sie nicht.

Der Vater hatte am ersten Prozesstag als Zeuge ausgesagt, er habe der anderen Übungsleiterin beim ersten Schwimmausflug im Jahr 2013 mitgeteilt, seine Tochter könne nicht schwimmen. Aber die Zeugin meint, mindestens einmal gehört zu haben, dass Vanessa im Kreis der anderen Mädchen gesagt habe, sie könne auch schwimmen. Als Staatsanwalt Daniel Götz fragt: "Schöpft man da nicht Verdacht?", schüttelt sie den Kopf. Überprüft hat sie nicht, ob die Schwimmerkinder auch tatsächlich schwimmen können.

Nicht Zeitung gelesen

Auch die Rolle der Badeaufsicht ist am Donnerstag weiter beleuchtet worden. Hat der angeklagte Gemeindearbeiter den Defibrilator richtig eingesetzt? Und hat er statt Aufsicht zu führen, im Kassenhäuschen Zeitung gelesen? Letzteres hat er bereits zum Prozessauftakt verneint. Er habe lediglich einen Katalog mit Schwimmbadbedarf vor sich liegen gehabt. Die Zeugin, die das so gesehen haben will, bleibt aber dabei: Auf dem Tisch habe eine Zeitung gelegen und darauf etwas, das "wie ein Telefonbuch" ausgesehen habe. Der Mann habe auf einem Stuhl gesessen. "Das Becken lag in seiner Blickrichtung." Die Frau, die vernommen wird, ist jene, die auf Bitte der angeklagten Übungsleiterin Eis für die Kinder holen soll. Sie alarmiert als Erste den Bademeister, nachdem die anderen Mädchen die verunglückte Vanessa gefunden haben.

Fachkraft in Teilzeit

Richterin Tettmann versucht, am zweiten Prozesstag zudem zu klären, wie die Gemeinde Himmelkron den Betrieb des Schwimmbades üblicherweise handhabt. Hierzu äußert sich der Kämmerer, der von Verwaltungsseite für das Freibad zuständig ist. Der angeklagte Bauhofmitarbeiter habe die Wasseraufsicht übernommen. Die Betriebsaufsicht habe eine Teilzeitkraft, ein geprüfter Meister für Bäderbetriebe, übernommen. Die Aufsicht im Freibad teilten sich der Angeklagte und ein weiterer Mann aus dem Bauhof sowie freiwillige Kräfte der Wasserwacht.

Rettungsabzeichen abgelaufen

Dass das Rettungsabzeichen in Silber des Angeklagten abgelaufen war, sei "übersehen" worden, räumt der Gemeindevertreter ein. Der Angeklagte habe es aber später, nach dem Unfall, nachgeholt. Die Fachkraft, die hauptsächlich den technischen Betrieb überwachte, habe zehn Stunden in der Woche für die Gemeinde gearbeitet. Der Bayreuther ist ebenfalls als Zeuge geladen. Genaue Vorgaben über seine Tätigkeit wurden ihm nicht gemacht. Er sagt: "Ich bin eingestellt worden, damit jemand da ist, der offiziell das Bad leiten darf."

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