Auswirkungen für den Bürger könnten unbequem sein - Oberfranken stark betroffen In den Rathäusern fehlen Fachkräfte

Von Heike Hampl
"Wir bekommen ein Problem, wenn wir nicht jetzt etwas ändern", sagt der Eckersdorfer Geschäftsleiter Bernhard Brosig. Der Fachkräftemangel treffe die Verwaltungen schon jetzt. Gehe es so weiter, bekäme der Bürger das bald zu spüren. Foto: Wittek Foto: red

Bernhard Brosig alarmiert: "Wir bekommen in absehbarer Zeit ein Problem in den Rathäusern." Brosig leitet die Geschäfte im Eckersdorfer Rathaus. Der Fachkräftemangel schlägt dort gerade mit Wucht zu. Brosig fürchtet, dass die Bürger das bald zu spüren bekommen. Er will die Arbeit im Rathaus umkrempeln.

 
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Die Kündigung der Kämmerin kam überraschend. Sie war verantwortlich für die Finanzen der Gemeinde. Kein leichter Job in Eckersdorf. Im Jahr 2010 stand die Gemeinde noch mit zehn Millionen Euro Schulden da. Heute sind es rund 7,7 Millionen Euro. Eisernes Sparen und gute Konjunktur - bei der Kämmerin liefen die Fäden zusammen. Doch die wollte sich beruflich verändern - seit Anfang Februar ist sie die persönliche Assistentin der Bayreuther Oberbürgermeisterin Birigtte Merk-Erbe.

Folgen der Überalterung

Und jetzt? "Wir haben nur wenige geeignete Bewerbungen bekommen", sagt Brosig. Mittlerer Dienst, Führungsebene. Das bedeutet rund 55.000 Euro brutto im Jahr. "Früher ist man für solche Stellen mit Bewerbungen überschüttet worden." Früher. Das war, bevor man sich in der Region vorstellen konnte, welche Auswirkungen die Überalterung wirklich haben würde. "Ich kann den Begriff zwar nicht mehr hören", sagt der Geschäftsleiter, "aber der demografische Wandel trifft uns hart".

Ein Problem sei, dass die Gemeinde nicht mit der freien Wirtschaft mithalten könne. Dazu sei der öffentliche Dienst zu unflexibel. "Wenn ein junger Ingenieur sich zwischen der freien Wirtschaft und einer Stelle im öffentlichen Dienst entscheidet, dann kann die Gemeinde nicht einfach Geld drauf schlagen, um ihn zu kriegen", sagt Brosig. Beamte im öffentlichen Dienst verdienen viel - nach vielen Dienstjahren. "Wenn ich jungen Leuten sage: Geht in die Verwaltung, da verdient ihr in 20 Jahren gutes Geld, lachen die mich aus."

Aufgaben immer komplexer

Fachkräfte werden im öffentlichen Dienst immer wichtiger. Die Aufgaben im Rathaus sind komplex geworden. Gesetze ändern sich immer häufiger, immer mehr Aufgaben werden an die Gemeinden delegiert. In Eckersdorf muss schon heute jeder Mitarbeiter im Jahr mindestens eine Fortbildung besuchen. "Vor 30 Jahren war es manchmal damit getan, einen Brief zu schreiben. Diese Zeiten sind vorbei", sagt Brosig auch mit Blick auf die Vorurteile, die nicht zuletzt viele Gemeinderäte hätten. Wenig Arbeit, gutes Geld? Brosig lacht. Es ist ein bitteres lachen. Seine 13 Mitarbeiter arbeiten schon jetzt an der Grenze, sagt er. Und: "Wenn es so weiter geht, können wir nicht mehr garantieren, dass die Bürger schnell und rechtssicher bedient werden."

Das Problem ist nicht auf Eckersdorf beschränkt. Manche Gemeinden der Region werden in den kommenden zehn bis 15 Jahren die Hälfte ihrer Beschäftigten an den Ruhestand verlieren. Der qualifizierte Nachwuchs fehlt oft, das weiß Georg Große Verspohl am besten. Er ist beim Bayerischen Gemeindetag Referent für Personal und Organisation. "Die Zukunft sieht alles andere als rosig aus - vor allem in Oberfranken", sagt er und verweist auf eine Prognose der Industrie- und Handelskammer (IHK). Bis zum Jahr 2025 werden in Oberfranken allein im Bereich Recht und Verwaltung 1800 Fachkräfte fehlen.

Steht eine Gebietsreform bevor?

Auf dem Land in Nordrhein-Westfalen macht sich dieser Trend längst bemerkbar: Weite Anfahrten zu den Rathäusern sind nicht ungewöhnlich. Martin Lehrer, Sprecher des nordrhein-westfälischen Gemeindetages, sagt, dass die Bürger viele Angelegenheiten schon heute über das Internet klären müssen, wenn sie sich weite Wege sparen wollen. In NRW ist ein Bürgermeister zuständig für 45.000 Bürger. In Bayern kommen gerade einmal 6000 Bürger auf einen Rathauschef. Lerner sagt: Angesichts des Fachkräftemangels käme Bayern langfristig nicht um eine neue Gebietsreform herum. Weniger Gemeinden, weniger Rathäuser, weniger Personal.

"Eine intensive politische Diskussion in diese Richtung gibt es derzeit nicht", sagt Große Verspohl vom bayerischen Gemeindetag. Aber: "In zehn oder 15 Jahren kann das ganz anders aussehen."

Rathäuser brauchen Ideen

Bernhard Brosig will es so weit gar nicht erst kommen lassen. Er sagt: "Die Gemeinde muss eine attraktivere Arbeitgeberin werden." Seine Ideen hat er in einem Bericht zusammengefasst, den er im Gemeinderat vorgestellt hat: flexible Arbeitszeiten, Förderung der Gesundheit durch Bewegungs- und Ruheräume, höheres Einstiegsgehalt, Prämien, arbeiten von zu Hause aus, gesundes Mittagessen und Wasserspender. Dinge also, die viele Unternehmen in der Wirtschaft längst umgesetzt haben. "Mit solchen Angeboten könnte Eckersdorf aktiv um Fachkräfte werben. Das sind kreative und sinnvolle Ideen", bewertet Fachreferent Große Verspohl das Konzept. 

Die Entscheidung über die Zukunft des Rathauses bleibt aber eine politische. Der Gemeinderat muss entscheiden, ob er neue Strukturen und damit Kosten zulässt - oder nicht.

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