Aus der Ukraine im Krieg Geflüchteter Schuhmacher freut sich über Arbeitsplatz

Der Schuhmacher Andrii Senianskyi aus Donezk in der Ukraine hat eine Arbeit in Bayreuth gefunden. Foto: ub/Udo Bartsch

Lange musste sich Andrii Senianskyi gedulden und die Schulbank drücken. Dann durfte der Schuhmacher zeigen, was er kann. Das Glück ließ nicht lange auf sich warten.

 
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Der Schuhmacher Andrii Senianskyi aus der Ukraine hat einen langen Weg hinter sich. Er floh mit seiner Frau und Hund vor dem Krieg aus Donezk. Ein Geschoss hatte den Wohnblock getroffen, in dem das Ehepaar viele Jahre lebte. Das war im März 2022. Über Himmelkron gelangte das Paar schließlich nach Bindlach und bezog dort später eine Wohnung. Zwei Jahre nach seiner Flucht ist der 43-Jährige endlich am Ziel: Er hat einen Arbeitsplatz bei der Firma Orthopädie Riedel in Bayreuth und steht auf eigenen Füßen. Die Ungewissheit über das, was wird, hat also ein Ende. „Ja, die Zeit war schlimm“, sagt Andrii Senianskyi. Lange, lange habe er sich gedulden müssen. Aber jetzt, endlich in Arbeit und Brot.

Zu 90 Prozent Handarbeit

Der 43-Jährige erzählt mit seinem gebrochenen Deutsch. Seit dem 17. Lebensjahr arbeitet er als Schuhmacher, zwischendurch ein paar Jahre im Bergbau. Später sogar als selbstständiger Schuhmacher mit vier bis fünf Mitarbeitern. Seine Werkstatt in Donezk war nur 14 Quadratmeter groß. Zwei kleine Schleifmaschinen und eine Nähmaschine hatten sie. Die Arbeit haben sie zu 90 Prozent in Handarbeit erledigt. Bei Orthopädie Riedel mit den vielen Maschinen ist das für ihn schon eine andere, größere Welt, deutet Senianskyi mit einer Handbewegung an.

Den Job-Turbo gezündet

Der Schuhmacher aus der Ukraine war seit seiner Einreise nach Deutschland sehr motiviert, seinen Platz auf dem deutschen Arbeitsmarkt zu finden, so Andreas Karl, Geschäftsführer des Jobcenters Landkreis Bayreuth. Unmittelbar nach dem russischen Angriff hätten die ersten Flüchtlinge im Jobcenter um Hilfe ersucht. „Eine Herkules-Aufgabe“ sei es für den Jobcenter gewesen, 500 Flüchtlingen Geld auszuzahlen. Sodann hätten die Einzelgespräche für die Integrationskurse begonnen. „Die ersten Absolventen kommen jetzt raus“, sagt Andreas Karl. Die Ukrainer möglichst schnell in Arbeit zu bringen, um die Staatskasse zu entlasten, sei das Ziel. Der von der Bundesregierung angekündigte Job-Turbo.

In Deutschland werden Arbeitskräfte knapp

Grundlage für Arbeit seien Deutschkenntnisse. Karl zuversichtlich: „Die Zahl steigt stetig.“ Er verweist auf den Mangel an Fachkräften und Helfern. 508 Menschen aus der Ukraine betreue das Jobcenter derzeit. „Wenn sie bleiben, arbeiten sie auch“, so Karl. Nach einer gewissen Zeit mit der Quote, die auch Deutsche erreichen. Die Arbeitskräfte werden knapp, weil die geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand gehen. Karl, der das Problem kennt, rechnet vor: In den kommenden sieben Jahren müssten 400.000 neue Arbeitskräfte her, um die Lücken zu füllen.

In Vollzeit und unbefristet

Andrii Seninanskyi hat seinen Integrationskurs im Januar beendet. „Die Schulbank zu drücken, fiel ihm nicht leicht“, sagt sein Fachbetreuer Henrik Sponsel. Im Anschluss daran konnte ein Praktikumsplatz bei der Firma Orthopädie Riedel gefunden werden, berichtet Sponsel. Der Betrieb mit zehn Mitarbeitern habe früh signalisiert, den Ukrainer aus Orthopädieschuhmacher in Vollzeit und unbefristet einstellen zu wollen. Da Senianskyi zum ersten Mal mit den modernen Fertigungsverfahren zu tun hat und sich dadurch ein erhöhter Einarbeitungs- und Schulungsbedarf ergab, stellte der Arbeitgeber einen Antrag auf Eingliederungszuschuss beim Jobcenter. Dieser wurde dem Arbeitgeber auch für einen Zeitraum von sechs Monaten gewährt, wie Geschäftsführer Andreas Karl berichtet.

Der Fachkräftemangel ist ein Problem, das auch der Firma Riedel zu schaffen macht. Wie der Prokurist Thomas Hertz schildert, komme in Bayern derzeit nicht mal eine Ausbildungsklasse zusammen. Früher seien es zwei oder drei gewesen. „Wir haben eine Stelle ausgeschrieben. Doch Bewerber gab es keine“, schildert Hertz die Situation. Dann habe sich Andrii Senianskyi vorgestellt. Beim schnell vereinbarten Probearbeiten habe sich der Mann aus der Ukraine unglaublich engagiert gezeigt, auch wenn er mit einer anderen Technik umgehen musste. Die Firma Riedel habe sich daraufhin schnell entschlossen, Senianskyi einzustellen. „Ein toller Kerl“, so Hertz über den neuen Mitarbeiter.

Die Kollegen im Betrieb berichten nur Gutes über den neuen Mann, der zurückhaltend, aber stets freundlich auftritt: Er sei zu 100 Prozent motiviert, fleißig und sehr penibel. „Den geben wir nicht mehr her“, heißt es in der Schuhmacherei. Senianskyi suche Anschluss und frage seine Kollegen auch nach Rat in privaten Angelegenheiten. Da ging es vor ein paar Tagen auch um die Anschaffung eines Autos. Und neulich habe er sogar ukrainisches Essen mitgebracht.

Seine Frau arbeitet übrigens auch daran, in Deutschland Fuß zu fassen. Sie absolviert eine Umschulung zur Bürohelferin.

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