Im Weggehen vernimmt er die Stimme einer Frau: „Hallo, Sie haben vergessen, Ihr Fenster zu schließen. Der Angesprochene versucht, möglichst höflich zu reagieren. Er bedankt sich für den fürsorglichen Hinweis, und erklärt, sein Autofenster mit Absicht offen gelassen zu haben, der außergewöhnlichen Wärme wegen. Bei sich denkt er, in seinem 18 Jahre alten Uralt-Fahrzeug mit einem Wert von 300 Euro liegen keinerlei Wertsachen, außer dem Verbandskasten. Zudem erinnert er sich, dass im Sommer selbst Fahrerinnen und Fahrer teuerster Cabrios ihr Verdeck gerne aufgeklappt lassen. Dennoch beißt ihn sein Gewissen, hat er doch gerade ein schlechtes Beispiel gegeben. So sollte sich ein Gewissenhafter nie verhalten, wird doch immer wieder gemahnt. Nun fährt er in die Stadt, und stellt seinen Pkw auf einen Großparkplatz, um die letzten Meter ins Zentrum zu Fuß zu gehen. Wieder lässt er sein Autofenster offen. Und erneut vernimmt er den Ruf einer aufmerksamen Frau: “Sie haben ihr Fenster offen gelassen!” Er wiederholt, dies mit voller Absicht getan zu haben, um nachher nicht zu verglühen im glutheißen Wagen. Erste Station ist dann seine Bank, die im Zuge einer Fusion die Kontonummer geändert hat. IBAN, die Schreckliche, muss sich der vergessliche, alte Kunde nun in sein 65 Jahre altes Gehirn hämmern. Alle Abbuchungen und Überweisungen sind mit dieser ellenlangen neuen Nummer zu versehen. Er will sich vergewissern, ob alle, die von ihm Geld zu kriegen haben, schon über die neue Nummer bedient werden. Im klimatisierten Foyer der Bank steht am Informationsschalter eine genervte junge Bankmitarbeiterin, im Gespräch vertieft mit einem Kollegen. Sie scheint ihm etwas zu erklären. Da kommt der Kunde natürlich vollkommen ungelegen, dieser Störer eines wichtigen Meetings. Bevor er seine Lippen formen kann, um sein Anliegen vorzubringen, ruft die schlecht Gelaunte streng und barsch: „Gehen Sie zum Kollegen an dem anderen Schalter dort drüben.“ Ohne aufzublicken, macht sie eine, wie wegwerfende, Handbewegung. Der Kunde stutzt: Welcher Kollege? Dort drüben gähnt nur ein leerer Schalter. Die Bankerin ist immer noch unwirsch und unansprechbar. Der Kunde geht unverrichteter Dinge wieder hinaus und wundert sich, sollten die Geldhäuser doch den Menschen zugewandt sein, die ihnen ihr Geld bringen. Sonst kann der Kontoinhaber seine Angelegenheiten doch gleich per kaltem Klick erledigen. Dazu wird er geradezu gezwungen. Der Alltag wird immer mehr entmenscht. Aber der Hilfesuchende braucht nicht gänzlich zu verzweifeln. Lichtblicke muntern ihn auf, ja heben seine Seele aus dem grauen Allerlei in lichte Höhe. Die steile Treppe hinauf zum Augenarzt scheint zunächst mühselig. Aber drinnen wartet eine strahlende junge Assistentin, die auf die Bitte nach dem Rezept für die Augentropfen nur schnell das Krankenkassenkärtchen des Plebs-Patienten, also des popeligen gesetzlich und nicht privat Versicherten, erbittet und nach weniger als einer Minute mit dem vom Doktor unterzeichneten Rezeptes wieder da ist. Sie wünscht dem Augenkranken einen schönen Tag, und der schwebt hinaus in die Sonne. Es kostet also nichts, das Gemüt eines Menschen aufzuhellen, Oder, im Gegenteil, es kostet das Wertvollste der Welt: ein Lächeln, das glauben macht, dass der Mitmensch wirklich am anderen Anteilnahme empfindet. Oder ein Wort, das Mitsorge, beziehungsweise Empathie, beweist, wie das Erinnern ans offene Autofenster. Die Ruppigkeit hat glücklicherweise noch nicht die Weltherrschaft errungen.